Auf Hansetour in Mecklenburg - Vorpommern

Text und Fotos: Beate Schümann

Wismar / Hafen

Auf Hansetour begab sich Beate Schümann in Mecklenburg-Vorpommern - über Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Demmin und Anklam, entlang der topografischen Route des einstmals starken Städtebundes, der über Jahrhunderte die Seewege zur Sicherung des Fernhandels beherrschte.

Wismar / Schwedenkopf

In Wismars altem Hafen ist heute nicht mehr viel los - Ausflugsschiffe und Segler legen an. Kräne, alte Speicher und das Baumhaus prägen das Bild. Das Baumhaus ist ein Barockbau aus der Mitte des 18.Jhds., der seinen Namen vom hier befindlichen Schlagbaum erhielt. Der "Baum" war ein schwimmender Langholz, mit dem die Hafeneinfahrt abgesperrt wurde. Die zwei Schwedenköpfe auf den abgesägten Duckdalben standen einst im Wasser.

Rubinrot funkeln sie in der Mittagssonne. Wie Edelsteine sitzen die glasierten Ziegel eingefasst vom hellen Mörtelraster in dem Patrizierhaus. Die hohe Blendfassade strotzt bis unter die Giebelspitze vor Stolz, Standesbewußtsein und Machtanspruch.
Behäbig, kolossal und gleichzeitig elegant türmten die Werkmeister vor gut 600 Jahren die Backsteine am Markt Nummer 20 in Wismar auf. Der "Alte Schwede" ist in der Hansestadt das Prunkstück unter den Giebelhäusern reicher Kaufleute, eine Kathedrale der bürgerlichen Architektur.

Wismar / Der Alte Schwede

Der "Alte Schwede", 1878 so genannt zur Erinnerung an die Schwedenherrschaft von 1648-1803. Das Patrizierhaus wurde um 1380 erbaut, ein Prunkstück, der norddeutschen Backsteingotik. In der Nachbarschaft Giebelhäuser neueren Datums, besonders aus der Renaissance

An der Ostsee galt Lübeck als die "Königin" der Hanse, Wismar als die "Perle". Dank der Monopole für den Handel mit Tuch, Pelzen, Salz und Honig waren Macht und Reichtum der Städte ins Unermessliche gewachsen. Genau das sollte die nach dem Himmel greifende Backsteingotik den Landesfürsten vor Augen führen.
Außer den imposanten Giebelhäusern leisteten sich Wismars gut 5000 Einwohner zur Hansezeit drei Großkirchen: St. Nikolai mit einem 37 Meter hohen Mittelschiff, St. Marien, von der nur der wuchtige Turm noch steht, und St. Georgen, die selbst als Ruine ihr majestätisches Aussehen bewahrt hat. Am Wiederaufbau der gotischen Backsteinkirche wird seit 1990 gearbeitet, ein Titanenprojekt, für das rund 80 Millionen Mark Spenden zusammenkamen.

Wismar / Kirch St. Nikolai

Mit 37 Metern besitzt St. Nikolai das vierthöchste Kirchenschiff Deutschlands. Baubeginn: 14. Jahrhundert. St. Nikolai war der Schutzheilige der Seeleute.

Der größte erhaltene Altstadtkern der Hansestadt steht seit Juni 2002 auf der Liste des Weltkulturerbe der UNESCO.

Wismar / Marktplatz

Der Marktplatz gehört mit einer Fläche von 10.000 m² zu den größten Norddeutschlands. Rundherum ist er von zahlreichen restaurierten Giebelhäusern gesäumt. Auf der Nordseite befindet sich das Rathaus, das sein mittelalterliches Gesicht fast vollständig verloren hat. Schräg gegenüber, auf der Südseite befindet sich der Brunnen. Die Wasserkunst wurde 1580-1602 nach den Plänen des Niederländers Philipp Brandin aus Utrecht erbaut. Bis 1897 diente der Brunnen der städtischen Wasserversorgung.

Nach dem Mauerfall fanden Denkmalschützer und Restauratoren in den geschundenen Städten ein weites Betätigungsfeld. Armut sei der beste Denkmalschutz, hört man oft; sie bewahrte die alte Bausubstanz. Mit etwas Glück werden spektakuläre Funde zu Tage gefördert, wie etwa das Fresko aus dem 14. Jahrhundert im Gewölbekeller des Rathauses oder die Hansekogge, die Poeler Fischer kürzlich an Wismars Hausstrand, der Ferieninsel Poel, fanden - eine Sensation für alle Hanse-Fans.

Wismar / Poel

Die Ferieninsel Poel ist Wismars Haustür und ist nur einen Katzensprung entfernt. Abendstimmung im Hafen.

Die Hanse war ein mächtiger Städtebund, der die Seewege beherrschte und zur Sicherung des Fernhandels ein dichtes Netz von Verbündeten anlegte. Lübeck, Wismar und Rostock waren 1259 übereingekommen. Bald darauf traten Stralsund, Greifswald, Anklam und Demmin bei. Auf der Kulturstraße "Via Hansa", die die sechs Hansestädte in Mecklenburg-Vorpommern verbindet, fährt man den Spuren der Hanse nach. Nirgendwo in Deutschland läßt sie sich anhand ihrer backsteinernen Bauwerke so kompakt nachvollziehen wie hier.

Wismar und Rostock trennen 58 Kilometer. An der Uferpromenade Rostocks winkt eine fast lückenlose Zeile von Giebelhäusern Yachten und Container vorüber. An der Warnow inszenieren sich im modernen Überseehafen Kräne und Werften am Horizont. Die gigantischen Speicher deuten auf die Warenmengen, die einst umgeschlagen wurden. Weine aus Spanien und Frankreich wurden gelöscht, Pelze und Holz aus Nowgorod, Robbenspeck und Felle aus Norwegen.

Um den Koggen die ungehinderte Einfahrt von der Ostsee in die Warnow zu sichern, kauften die Rostocker 1323 kurzerhand das kleine Fischerdorf an der Mündung. Die Warnemünder nehmen das bis heute übel.

Warnemünde / Leuchtturm

Am Leuchtturm von Warnemünde, der nicht mehr in Betrieb ist und den man besteigen kann, trifft man mit Glück Musikanten in Tracht.

Patrizierhäuser, Rathaus, Kirchen, Klöster, Stadttore und Wehranlagen erinnern an diese Zeiten, auch wenn Kriegsschäden im Stadtbild bittere Wunden hinterlassen haben. Die Bürger bauten St. Marien, St. Nikolai und St. Petri, die in Dimension und Prachtentfaltung ihren katholischen Schwestern im Süden nicht nachstehen. Zu den Schätzen in der Marienkirche gehört die astronomische Uhr von 1472, die täglich um Schlag 12 ihre Apostelfiguren in Bewegung setzt.

Auf der Höhe ihrer Macht, riefen die Rostocker Kaufleute 1419 Nordeuropas erste Universität ins Leben. Bereits 1456 folgte eine zweite in Greifswald. Die rund 10.000 Studenten geben der Stadt heute einen spürbar dynamischen Lebensrhythmus, wie überhaupt Rostock mit seinen 300.000 Einwohnern die größte und aktivste Hansestadt ist. In der Einkaufszone zwischen Lange Straße und Kröpeliner Straße herrscht muntere Geschäftigkeit. Restaurierte Giebelhäuser stehen für die Kundschaft mit modernem Hansegeist Spalier.

Rostock / Giebelhäuser

Rostock / Uni

Das Rostocker Stadtbild ist von Giebelhäusern geprägt. Die Rostocker Universität wurde 1419 als erste Nordeuropas von Kaufleuten ins Leben gerufen. Von den vier klassischen Fakultätan bewilligte der Papst erst nur drei: Philosophie, Recht und Medizin. Theologie war ausdrücklich untersagt. Auch der Archäologe Heinrich Schliemann, der Physiker Albert Einstein und der Dichter Fritz Reuter standen in den Rostocker Matrikellisten.

73 Kilometer bis Stralsund. Der alte Stadtkern liegt auf einer Halbinsel. Das Flächendenkmal fordert gutes Schuhzeug. Anders sind die 811 denkmalwürdigen Gebäude, die malerischen Gassen und Plätze kaum zu meistern. Das Backsteinensemble aus Rathaus, Bürgerkirche und Giebelhäusern am Alten Markt raubt einem für Momente die Sprache. Das Herzstück der Stadt läßt keinen Zweifel daran, dass der Kommerz in der sonst schläfrig wirkenden Stadt einmal den Ton angab. Filigrane Türmchen, Giebel und Windlöcher dekorieren die hohe Schauwand über dem Rathaus wie Brüsseler Spitze vor blauem Himmel.

Stralsund / Rathaus

Das Rathaus am Alten Markt ist das Herzstück Stralsunds. Seine Ursprünge werden in das 13. Jhd. datiert. Um 1370 ist bereits die filigrane Schmuckfassade entstanden. Während die Kaufleute ihre Verträge damals in der benachbarten Nikolaikirche besiegelten, diente der kreuzgangähnliche Innenhof vom "Kophus", wie er einst hieß, noch als Markthalle. An ihren Seiten waren Ladengalerien untergebracht. St. Nikolai ist die älteste und schönste Pfarrkirche in Stralsund.

Diese Pracht kann mit dem Lübecker Rathaus konkurrieren. Fast unschuldig schmiegt sich das Stadtpalais an die Nikolaikirche, die die Bürger sich 1276 errichteten und kunstvoll ausmalen ließen. "An diesem weihevollen Ort besiegelten wir unsere Verträge, empfingen Staatsbesuch und hielten Gericht, bevor wir unsere Aktivitäten ins benachbarte Renaissance-Rathaus verlegten", erklärt Ratsherr Wulflam.

Stralsund / Ratsherr u. Turmwächter

Bei den Kostümführungen in Begleitung des leibhaftigen Bertram Wulflam, geboren im 14. Jahrhundert und umstrittener hansischer Ratsherr, oder des Torwächters lernt man die Stadt am besten kennen.

Greifswald / Dom

Unverwechselbar ist der Dom St. Nikolai wegen seiner wuchtigen, wehrhaften Turmes, in der der berühmte Stadtsohn Caspar David Friedrich getauft wurde. Die Kirchenausstattung entsprang der Restaurierung und Neugestaltung im 19. Jhd.. Die später freigelegten gotischen Wandmalereien belegen ihr hohes Alter: sie stammen von um 1400.)

31 Kilometer bis Greifswald. Nicht nur Hafen und Handel brachten die Hansestadt zu Wohlstand, sondern auch ihre Salzquellen. Doch hier dreht sich alles um den berühmten Stadtsohn Caspar David Friedrich. Die von ihm in diversen Variationen gemalte Klosterruine Eldena läuft dem bildhübschen Markt, dem Dom und auch dem Wiecker Yachthafen mit der historischen Klappbrücke den Rang ab. Die Nikolaikirche wurde bei ihrer Restaurierung um 1832 nicht in den mittelalterlichen Zustand versetzt, weil vermutlich der Meister Einfluss auf die Gestaltung nahm.

Greifswald / Ruine

Die Klosterruine Eldena liegt etwas außerhalb von Greifswald. Die einst riesige Klosteranlage wurde im 12. Jhd. von Zisterziensern gebaut, die jedoch mit der Reformation verfiel. Studenten der Kunstgeschichte mit Schwerpunkt "Caspar David Friedrich" bieten kunsthistorische Führungen in traditioneller Tracht an.

Nach 37 Kilometern Demmin. Die Hansestadt am Flussknoten von Peene, Tollense und Trebel, einst Sitz der Pommernherzöge, stimmt melancholisch. Der Krieg fügte 1945 dem Stadtbild schwere Wunden zu. Für den Eindruck der grauen, erschöpften Plattenbauten aus den 70er Jahren am Markt müssen selbst die mächtige Backsteinkirche St. Bartholomäus und das komplett neu aufgebaute Rathaus aus dem 18. Jahrhundert noch büßen.

Anklam / Otto-Lilienthal-Museum

Das Otto-Lilienthal-Museum ist ein Highlight neben einigen wenigen Restbeständen der Backsteingotik aus der Hansezeit. Das Foto zeigt einen alten Heißluftballon.

Dafür entschädigt die Fahrt durch die Demminer Dreistromlandschaft und das große Niedermoorgebiet auf der Peene. Das Schiff, auf dessen Steuerdeck in Messinglettern "Hamburg" zu lesen steht, pendelt im Linienverkehr zwischen Demmin und Anklam. Eine alte Bekannte. Kapitän Ingo Müller hat die einstige Senatsbarkasse der Hansestadt Hamburg 1998 kurz vor ihrem fünfzigsten Geburtstag aufs Altenteil genommen.
Auch in Anklam, dem Schlußpunkt auf der Hansetour, ist die mittelalterlichen Erfolgsstory verblasst. Zerstörung und Wiederaufbau haben wenige Zeitzeugen der Hanse hinterlassen. Wenn man das Anklamer Tor, die Ruine von St. Nikolai und die Marienkirche mit ihren Freskomalereien gesehen hat, lohnt sich ein Abstecher ins Otto-Lilienthal-Museum.

Im Stadtmuseum wird der sensationelle Münzfund aufbewahrt, der 1995 bei Bauarbeiten entdeckt wurde. Einer der reichen Stadtbrauer verbarg seine Schätze um 1629, zu einer Zeit, als die Hanse ihren Zenit bereits überschritten hatte. Die Städtebund verlor mehr und mehr an Bedeutung und löste sich 1669 auf.

 

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