REIHE ESSEN & TRINKEN UNTERWEGS

Extra scharf, bitte !

Düsseldorf war und ist die deutsche Senfhauptstadt

Text: Volker Mehnert
Fotos: Löwensenf

Nicht nur Benzin und Bier kann man zapfen - auch Senf. Jedenfalls wenn man in Düsseldorf wohnt. Denn in der traditionellen Hochburg der deutschen Senfherstellung spielt die braune Paste bis heute kulinarisch eine ganz eigene Rolle. Und deshalb will der Konsument dort seinen bevorzugten Senf nicht nur im Glas oder in der Tube, sondern auch lose abgezapft in einem Steinguttopf. Und seit in der Altstadt der „Düsseldorfer Senfladen“ eröffnet hat, kennt dieses ausgesuchte Verlangen wieder eine zentrale Anlaufstelle.

Düsseldorf - Senfladen

Der Senfladen in der Bergerstraße ist freilich kein bloßes Geschäft für Produkte rund um den Senf, er ist ein veritables Museum zur Geschichte und Tradition der Senfproduktion in Düsseldorf. Vorn aber stehen zunächst die Regale mit den Senfklassikern: Löwensenf, natürlich, der scharfe Kultsenf und seine milderen Varianten, dazu beinahe vergessene Sorten wie Radschläger und ABB, benannt nach dem Senfpionier Adam Bernhard Bergrath.

Düsseldorf - Senfladen

Er hat 1726 in seiner Senfmanufaktur erstmals diesen ältesten Senf Deutschlands hergestellt, und seither ist die Rezeptur nicht mehr verändert worden. Aus großen Trögen kann man sich einige Sorten abzapfen und mit nach Hause nehmen.

Wenn der Senf süß sein muss ...

... dann sind wir normalerweise in Bayern. Der Münchner Senfpionier Johann Conrad Develey bereitete 1859 erstmals jenen süßen Senf, der dann als Bayerischer Senf oder gleich als "Original Münchner Weißwurst-Senf" Karriere machte, denn etwa zur gleichen Zeit wurde die Weißwurst erfunden. Bis heute sind die beiden Lebensmittel ohne einander kaum denkbar. Klar ist, dass Develey zum königlich-bayerischen Hoflieferanten avancierte und dass der süße Senf fortan zum bayerischen Kulturgut gehörte. Bis heute ticken in Bayern die Senfuhren anders als in Düsseldorf oder im restlichen Deutschland. Der süße Develey wird nämlich noch immer nach dem Urrezept hergestellt - übrigens in Unterhaching, sozusagen einem süßen Düsseldorf südlich der Mainlinie.

Große alte Senfzeiten

Auf einem Tisch in der Ecke stehen zahlreiche frische Senfprodukte zur Verkostung bereit. Exklusiv für die Besucher des Senfladens wird außerdem jeden Monat eine ausgefallene Rezeptur angesetzt und ausprobiert - Meerrettichsenf, Bärlauchsenf oder Altbiersenf gehörten bislang zu den Favoriten. Nicht selten trifft der auswärtige Gast bei diesen Verkostungen auf Einheimische, die über die Geschmacksrichtungen fachsimpeln oder von „großen alten Senfzeiten“ schwärmen. Denn manch einer mag es zwar vergessen haben, aber was Dijon für Frankreich, ist Düsseldorf für Deutschland: die unangefochtene Senf-Hauptstadt. In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gab es fast ein Dutzend Senffabriken in der Stadt.

Düsseldorf - alter Senflieferwagen

Alter Löwensenf-Lieferwagen aus der 1930er Jahren

Wie und warum die Rheinmetropole zur deutschen Senfstadt par excellence geworden ist, lässt sich anschließend im Museumsteil des Ladens erkunden, zu dessen Exponaten auch viele einheimische Bürger beigetragen haben, die auf dem Speicher noch alte Senftöpfe oder Fotos entdeckt haben. Da findet man nun auf Etiketten und Werbeplakaten Spuren der traditionellen Marken Frenzel, von der Heiden, Mostertmann, ABB und Radschläger.

Düsseldorf - Senffabrik Frenzel 1924

Senffabrik Frenzel 1924

Und man erfährt auch einiges zur Geschichte der Firma Löwensenf, die Senfladen und Museum betreibt. Im hinteren Teil des Geschäfts steht eine klassische Senfmühle aus Granitstein, die während der Geschäftszeiten in Betrieb ist und vor den Augen der Kunden den Bedarf für den losen Senfverkauf das Ladens herstellt. Eindrucksvoll quillt die braune Masse aus dem Mahlwerk heraus.

Der etwas andere Senfkult

Düsseldorf ist weit, sagen sich die Menschen in den neuen Bundesländern, und konsumieren dennoch mehr Senf als ihre Mitbürger in anderen Teilen der Republik. Aber sie pflegen ihren eigenen Senfgeschmack. Und der stammt seit 1953 aus Bautzen, heißt folglich "Bautz´ner" und hält im Osten bis heute einen Marktanteil von mehr als fünfzig Prozent - selbstverständlich in seinen aus DDR-Zeiten überlieferten Plastikbechern. Ein Ostprodukt, das sich nicht hat verdrängen lassen. Das respektieren sogar eingefleischte Düsseldorfer Senfexperten.

Senfsaat: gelb und braun

Bis der Senf in die Tuben oder in die bekannten Glastönnchen kommt, dauert es eine Weile. Als zunächst unscheinbares, dann aber knallgelb blühendes Wildkraut wächst er heutzutage vorwiegend in Kanada und in Osteuropa - vom Raps auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden.

Schon seit Jahrtausenden gilt die Pflanze wegen ihrer Würz- und Heilkraft als bevorzugtes Kraut. Verdauung und Durchblutung soll sie anregen, Gelenkschmerzen lindern. Und wie kommt die charakteristische Schärfe ins Spiel? Vermengen sich die in den Senfkörnern enthaltenen ätherischen Öle mit Flüssigkeit, dann entsteht der pikante Geschmack - eher verhalten bei der gelben Senfsaat und kraftvoll durchdringend bei der braunen Senfsaat.

Die Trennung der braunen Schale vom hellen Saatkorn ging als Dijon-Verfahren in die Senfgeschichte ein und wurde in Deutschland erstmals vom Düsseldorfer Hersteller Otto Frenzel eingeführt. Fortan war es möglich, aus brauner Senfsaat den besonders scharfen Senf herzustellen, ihm gleichwohl aber die angenehm helle Farbe und eine ausgesuchte Feinheit in der Struktur zu verleihen. Der Siegeszug des extra scharfen Löwensenfs, aus brauner Senfsaat und doch ansehnlich, war damit vorprogrammiert.

Senf als Feinkost

In Zeiten kulinarischer Verfeinerung wird auch der Senf zum Rohstoff für immer neue Geschmacksexperimente. Im so genannten Berliner Senfsalon haben die Inhaber inzwischen mehr als dreißig verschiedene Senfsorten, Marmeladen und Chutneys ausgetüftelt, die bei Gourmets gut ankommen. Wie wär´s mit Himbeer- oder Erdbeersenf? Oder dem berühmten Bananensenf aus dem Fernsehprogramm "Die Sendung mit der Maus"? Information: www.senfsalon.de

Düsseldorfer Senfrostbraten (das Original-Rezept)

Ein Entrecôte salzen, pfeffern und kurz von beiden Seiten anbraten. Aus 1 Eigelb, 2 Esslöffeln geriebenem Gouda, 1 Löffel extra scharfem Senf, gehackten Zwiebeln, Salz, Pfeffer und einem Schuss Weißwein eine Paste herstellen. Das angebratene Steak einseitig mit der Paste überziehen und kurz überbacken. Als Beilage am besten Bohnen und Bratkartoffeln reichen.

Über den Tellerrand hinaus

Wasser, Essig, Salz und die jeweiligen geheim gehaltenen Gewürzmischungen der einzelnen Unternehmen werden den Senfkörnern zugegeben und diese Maische dann nach einigen Stunden Reifezeit vermahlen. Früher geschah das mit den Granitsteinen, heutzutage mit hochmoderner Technologie. Das Vermahlen im Flüssigzustand garantiert, dass sich das ölhaltige Senfmehl dauerhaft mit den anderen Bestandteilen der Mixtur verbindet. Zwei Tage braucht die Paste dann noch, bis sie ihre volle Geschmacksfülle erreicht hat, dann kann sie abgefüllt werden - in Deutschland übrigens immer ohne Konservierungsstoffe. Deshalb ist der Senf auch nicht unbegrenzt haltbar. Er wird zwar nicht so bald schlecht, aber Wärme, Licht und Zeit nehmen ihm die Schärfe und damit seinen eigentlichen Charakter.

Es heißt also, den Senf nach Möglichkeit im Kühlschrank aufzubewahren und ihn nicht allzu lange dort verborgen zu halten, sondern ihn mit den entsprechenden Lebensmitteln zu konsumieren. Wobei er heutzutage nicht mehr nur zum obligatorischen Würstchen auf den Tellerrand gekleckst wird, sondern auch in der Gourmet-Küche zur Verfeinerung zahlreicher Speisen dient: Lachsforelle in Honig-Senf-Soße, Wirsingrouladen mit Senffüllung oder Roastbeef mit Senf-Kräuter-Kruste sind nur eine kleine Auswahl der kulinarischen Extravaganzen.

Düsseldorf - Senf - Werbebecher

In Düsseldorf, wie könnte es anders sein, gibt es natürlich einige Klassiker der Senfküche, zum Beispiel den Senfrostbraten. In den berühmten Brauhäusern der Altstadt steht er das ganze Jahr über auf der Speisekarte. Und wer´s ganz einfach mag, schmiert sich ein bodenständig rheinisches Sandwich: Röggelchen mit einer Scheibe Gouda und Senf. Und da sage noch einer, Düsseldorf sei schicki-micki.

 

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