Von Löwen und Rittern

Ein Pfingstausflug nach Braunschweig

Text und Fotos: Hilla Finkeldei

„Eilet herbei, ihr Knappen und Recken, Mägde und edle Damen, denn allerlei Kurzweyl harret euer!“ Die Marktschreier am Eingang zum alten Burgplatz in Braunschweig nehmen uns standesgemäß in Empfang.

Für dieses Pfingstfest haben wir uns einen ganz besonderen Ausflug in ein längst vergangenes Kapitel der deutschen Geschichte ausgesucht: Wir tauchen ein ins Mittelalter. Leuchtende Kinderaugen und amüsiertes Kichern der Erwachsenen belohnen die bunt gewandeten Gestalten, die – allerdings ganz unmittelalterlich -Hochglanzprospekte und Eintrittskarten bereithalten. Der Eintritt der kleinen Gäste wird nach dem Stockmaß gemessen, wer unter der bereitgehaltenen Holzschranke ohne Beulen einherschreiten kann, der zahlt keinen Heller.

Passende Kulisse für eine Zeitreise

Braunschweig - Mittelaltermarkt zu Pfingsten

Mittelaltermarkt vor historischer Kulisse

Eine passendere Kulisse hätte sich die Vereinigung der „Kramer Zunft und Kurzweyl“ für ihre Zeitreise kaum aussuchen können, denn schon der Platz vor der Burg Dankwarderode vermittelt das wohlige Gefühl eines sehr alten und ehrwürdigen Ortes. Schaut man sich um, dann vermeint man den einstigen Herren, Heinrich den Löwen, mit klirrender Rüstung einherschreiten zu sehen.

Wuchtige romanische Bauten schützen und beherrschen den kopfsteingepflasterten Platz, in dessen Mitte das Löwendenkmal aus dem Jahre 1166 die Macht und Herrschaftsgewalt des Welfenherzogs repräsentiert. Die Blicke der Kinder huschen nach rechts und links, klettern dann langsam an der imposanten Statue empor. „Mama, was macht ein Löwe hier? Die gibt’s doch in Deutschland gar nicht!“

Braunschweig - Löwendenkmal auf Burgplatz

Löwendenkmal Burgplatz Braunschweig

Gestalten wie dem Geschichtsbuch entsprungen

Geschichtsstunde ist angesagt und wo würde man lieber etwas über das Mittelalter und seine politischen Führer lernen als hier, wo man gleichzeitig die Marktschreier in der alten deutschen Sprache rufen hört und die Gestalten um uns wie aus dem Geschichtsbuch gesprungen scheinen? Also erzähle ich von Heinrich, dem Löwen, der als Herzog über das damalige Sachsen (nicht zu verwechseln mit dem heutigen Bundesland) und Teile Bayerns zu Ruhm und Ehre gelangte, der wichtige Verhandlungen mit und für seinen Vetter Kaiser Friedrich Barbarossa führte und der in zähen Kämpfen mit den Slawen Mecklenburg und Pommern zu seinem großen Reich gewann. Der zweitwichtigste Mann im Reich, der sich von seiner ersten Frau trennte, die mit den Zähringern zu eng verbandelt und damit politisch gefährlich geworden war und dann Mathilde, die Schwester des berühmten Richard Löwenherz aus England, heiratete.

Richard Löwenherz kennen alle Playmobil-Ritterspieler

Spätestens an diesem Punkt habe ich alle Aufmerksamkeit auf meiner Seite: Richard Löwenherz, den kennen die begeisterten Playmobil-Ritterspieler natürlich, den „guten“ König, der irgendwie mit Robin Hood zu tun hatte, oder? Ja, Heinrich der Löwe und Richard Löwenherz – aber wie kommt nun der Löwe auf den Platz? Der Legende nach soll Heinrich ihn 1172 als Gastgeschenk in Palästina bekommen haben. Nicht die Steinstatue, nein, einen echten Löwen! Und man sagt sogar, die Kratzspuren am Braunschweiger Dom stammen von dem wilden Tier. Glaubhafter ist aber wohl, dass Heinrich, der „tapfer und stolz wie ein Löwe“ wirken wollte, das damals noch vergoldete Denkmal aus reiner Angeberei errichten ließ. Wir beenden unsere Geschichtsreise mit dem altklugen Spruch, dass Hochmut vor dem Fall kommt. Schließlich fiel der berühmte Herzog 1176 bei seinem kaiserlichen Vetter derart in Ungnade, dass er nicht nur große Teile seine Ländereien verlor, sondern auch ins Exil nach England geschickt wurde. Zwar folgte eine späte Versöhnung mit dem kaiserlichen Nachfolger Heinrich VI, aber das riesige Machtgebiet war enorm geschrumpft und als Heinrich 1195 starb, gab es für die drei Söhne nicht mehr allzu viel zu erben.

Mittelalterliches Stadtbild und exotische Düfte

Braunschweig - Bettler auf Mittelaltermarkt

Bettler säumen die Wege wie im tatsächlichen Stadtbild des Mittelalters

Gerade will mein Publikum bedauernd den Kopf senken, da werden wir von einer zerlumpten Frau angesprochen, schmutzig im Gesicht und an den Händen, die sie uns hilfesuchend entgegenreckt. „Eine milde Gabe, habt Erbarmen, ihr Junker!“ Nach einem kurzen und entsetzten Einatmen erkennt der Sohnemann die Maskerade, fragt aber dennoch nach etwas Kleingeld für die arme Frau. Man kann ja schließlich nie wissen, ob sie nicht wirklich bedürftig ist.

Braunschweig - Saftladen auf dem Mittelaltermarkt

Leckeres aus dem Saftladen

Aber größer als das Mitleid ist der Hunger, der durch exotische Düfte und allerlei Marktschreierei angeregt wird. Wir lassen uns treiben zwischen Falafel, Spießbraten und zünftigen Broten frisch aus dem Backhaus. Gegen den Durst locken Met und eine orientalische Teestube. Bier schäumt in Tonkrügen, verwegene und waffenstarrende Wachen wischen sich den weißen Bart.

Herren der Pfeile

Ein edel gekleideter und wohlgenährter Kaufmann kreuzt unseren Weg, seine langen Schnabelschuhe weisen ihn als reichen Mann aus, der „auf großem Fuße“ leben darf. „Mama, hier ist der Bogenschießstand. Gib mal mein Taschengeld!“ Eindeutig der wichtigste der vielen Stände zieht die Kinder wie magisch an. Bunte Steine sind der Preis, den es durch gezielte Schießkunst zu erringen gilt.

Braunschweig - Bogenschießen auf dem Mittelaltermarkt

Bogenschießen - Unterricht bei einem Könner

Glücklicherweise ist der Herr der Pfeile selbst Meister seines Faches und weiht die Recken in die Kunst der gespannten Bögen, gestreckten Arme und das sichere Augenmaß ein. (…)

Kurz gesellt sich ein englischer Langbogenschütze dazu und berichtet von den britischen Soldaten, die eine mehrfache Übermacht der Franzosen durch ihre unübertroffene Zielsicherheit besiegten. Das Taschengeld schwindet dahin, die Wangen werden rot, die Zunge konzentriert in der linken Ecke des achtjährigen Helden verkeilt: ein Meisterschuss!

Sich von der Fantasie leiten lassen

Stolz schlendern wir weiter. Das helle Aufschlagen von Metall führt uns zur Schmiede, in der ein verschwitzter Handwerker die Esse mit Füßen bei Temperatur hält. Das rhythmische Klappern der Holzschuhe auf der Fußplatte ist schon eindrucksvoll, aber gänzlich hin und weg sind wir, als uns nach nur ein paar kräftigen Hammerschlägen ein traditionell gefertigter Hufnagel überreicht wird.

Braunschweig - Schmied auf dem Mittelaltermarkt

Das Eisen schmieden solange es heiß ist …

Auf diesem eindrucksvollen Burghof scheint all das Treiben passend und stimmig. Selbst die schlendernden Touristen mit Skatershorts oder Punkerfrisur trüben das Vergnügen nicht, denn hier ist es einfach, sich von der Fantasie leiten zu lassen. Die Spinnerin nimmt sich Zeit uns ihre Fertigkeit zu zeigen und erklärt den interessierten Zaungästen, welche Gewänder welcher Stand überhaupt tragen durfte, und wie man die gesponnene Wolle färben kann, das zeigt mit etwas Glück der Färberstand.

Braunschschweig - Pranger auf dem Mittelaltermarkt

An den Pranger mit ihm

Die Handwerke variieren von Jahr zu Jahr, ein anregender Eindruck der damaligen Zeit bleibt immer. Und wenn der durch die Gerichtsverhandlungen unterstützt wird, dann hat man mit dem Strafmaß und der Lautung ein kleines Stück der grausigen Wirklichkeit erlebt, die hinter der mystischen Kulisse der Mittelalterbegeisterung oft schmählich zurücktritt.

Furchterregendes Spektakulum

Braunschweig - Mittelaltermarkt

Unbedingt sehenswert sind die abendlichen Veranstaltungen der Kramer Zunft und Kurzweyl, die sich in der Dämmerung zu einem furchterregenden Spektakulum versammeln: einem historisch nachempfundenen Pestumzug, bei dem die Schnabelmasken der Barder und die flehentlichen Gesänge der Mönche vor erhobenem Kreuz den Besuchern wohlige Schauer über den Rücken treiben. Und an so mancher Ecke wartet ein – glücklicherweise nur perfekt geschminkter – Leprakranker mit seiner Klapper auf Almosen und Barmherzigkeit. Wie gut, dass man diese Zeitreise mit dem Durchschreiten des Eingangstores jederzeit beenden kann.

Genug von Löwen und Rittern – ab ins Bett

Am Ende wurde es denn doch ein bisschen zu realistisch für die kleinen Raubritter, die statt Pfeil und Bogen plötzlich Mutters Rockzipfel wiederentdecken. Also, genug von Löwen und Rittern, ab ins Bett! Wie herrlich ist das Gefühl, dass es sich dabei nicht um ein verlaustes Strohlager handelt. Und am Pfingstmontag öffnen die Wasser- und Windmühlen am alljährlichen Mühlentag ihre Tore, zeigen traditionelles Handwerk und laden zum Schauen und Schmausen ein. Schließlich wartet zu Pfingsten noch weit mehr Traditionelles als nur der Löwe und die Ritter entlang der niedersächsischen Mühlenstraße. Für Knappen und Burgfräulein ein rundum gelungener Pfingstausflug und wem das immer noch nicht reicht, der kann ja noch einen Abstecher in die ehrwürdige Altstadt von Wolfenbüttel machen. Geschichte(n) kann man schließlich nie genug bekommen!

Reiseinformationen zu Braunschweig

Ausflüge, Tagestrips rund um Braunschweig:

www.braunschweig-touren.de

Auskünfte zum Mühlentag an der niedersächsischen Mühlenstraße:

www.deutsche-muehlen.de

Freilicht- und Erlebnismuseum Ostfalen:

http://www.femo-online.de

Aktuelle Programme und Zeiten der Kramer Zunft und Kurzweyl:

www.kzk.de

Gifhorner Mühlenmuseum:

www.muehlenmuseum.de

Stadtauskunft Braunschweig:

www.braunschweig.de

 

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