In 80 Wagen um die Welt

Das Erwin Hymer Museum

Text und Fotos: Dagmar Krappe

 

Das Erwin Hymer Museum im oberschwäbischen Bad Waldsee präsentiert die Welt des mobilen Reisens mit Caravan und Wohnmobil von den Anfängen in den 1930er Jahren bis in die Zukunft.

Bad Waldsee - Opel Kadett von 1938 zieht einen Kleinen Strolch der Firma Schweikert von 1938

Opel Kadett von 1938 zieht einen Kleinen Strolch der Firma Schweikert von 1938

Schon lange vor der Corona-Pandemie setzte der Trend zum naturnahen Urlaub ein. In den letzten zwei Jahren hat sich diese Welle noch verstärkt, denn mit einem Wohnmobil oder Caravan mit eigener Küche und Dusche ist man autark und kann Abstand halten. „Camping auf Rädern“ hat schon seit längerem einen positiven Imagewandel erfahren. Was früher als „spießig“ galt, ist heute angesagt. Das Klischee, dass Wohnwagen und Reisemobile nur was für Ältere und Rentner sind, ist längst widerlegt. Generation Y besinnt sich wieder auf Werte, die in den 1930er Jahren für die Erfinder der ersten Wohnanhänger wichtig waren: selbstbestimmt, flexibel, spontan zu reisen und im Grünen zu sein.

Bad Waldsee - Die Caravan-Pioniere Erich Bachem und Erwin Hymer - rechts

Die Caravan-Pioniere Erich Bachem und Erwin Hymer - rechts

Seit mehr als zehn Jahren zeigt das Erwin Hymer Museum im oberschwäbischen Bad Waldsee die Entwicklung des mobilen Reisens anhand verschiedener Reiseziele und historischer Fahrzeuge unterschiedlichster Hersteller. Erwin Hymer wurde in Bad Waldsee als Sohn eines Karosseriebauers geboren. Sein erster Wohnwagen, der „Eriba Puck“, ging 1958 in Serie. Drei Jahre später konzipierte er das Reisemobil „Caravano“. Irgendwann kam ihm die Idee, ein interaktives Familienmuseum aufzubauen. Er gründete eine gemeinnützige Stiftung zur Förderung von Kunst und Kultur. 2011 öffnete der gläserne Gebäudekomplex, dessen Formen einem stehenden und einem liegenden Caravanfenster nachempfunden sind, seine Pforten.

Bad Waldsee - Eriba Puck Luxus von 1958, erster serienmäßig gebauter Wohnwagen aus dem Hause Hymer

Eriba Puck Luxus von 1958, erster serienmäßig gebauter Wohnwagen aus dem Hause Hymer

Nur 18 Monate später verstarb der Ingenieur, Tüftler und leidenschaftliche Sammler von Freizeitfahrzeugen. „Diese Wohnwagen, Reisemobile, Faltanhänger, Motorräder und Oldtimer-PKW bilden den Grundstock unseres Hauses“, erzählt Museumsdirektorin Susanne Hinzen: „Über 80 Gefährte stehen entlang einer Traumroute, die zu acht Sehnsuchtsorten führt.“ In den Entwicklerstationen Konstruktion und Design sind die Regale mit Modellen, Zubehör, Dokumenten und Zeichnungen gefüllt. An interaktiven Stationen kann man sein technisches Geschick ausprobieren.

Bad Waldsee - Mikafa Reisemobil De Luxe von 1959, Preis damals über 42.000 DM

Mikafa Reisemobil De Luxe von 1959, Preis damals über 42.000 DM

Im multimedialen Aufbruch-Tunnel schauen Besucher zunächst in die Wohnungen unterschiedlicher Menschen, die für ihren Urlaub packen. Vom Reisefieber angesteckt, betreten sie kurz darauf die Traumstraße, die sie durch verschiedenfarbige Markierungen zu weltweiten Urlaubszielen leitet. Wie die Caravane und Wohnmobile sind diese Orte Stahlkonstruktionen, die mit weichen und elastischen Stoffen bespannt sind. Licht-, Audio- und Videoinstallationen geben jedem Platz ein Ambiente von Ferne, Exotik oder Abenteuer.

Bad Waldsee - Ein historischer Motor-Caravan vor Alpenkulisse

Ein historischer Motor-Caravan vor Alpenkulisse

Die Reise beginnt in den 1930er Jahren Richtung Ötztaler Alpen. Gespanne aus der Frühzeit des Caravanings schlängeln sich einen steilen Pass hinauf. Das erste deutsche Wohnauto entwickelte der Allgäuer Peitschen- und Skistockfabrikant Arist Dethleffs 1931. Dieses ist nicht mehr erhalten, aber in der Ausstellung befindet sich ein originalgetreuer Nachbau von 1974. Dethleffs war beruflich viel auf Reisen, was seiner Frau, einer Landschaftsmalerin, nicht gefiel. Sie wünschte sich ein fahrbares Wohnauto, das sie gleichzeitig als Künstleratelier nutzen konnte. Also entwarf ihr Mann einen Anhänger mit Hubdach, damit seine Gattin genug Licht zum Malen hatte. Die windschnittigen und eleganten Nachfolgemodelle verkaufte der Caravan-Pionier unter dem Markennamen „Tourist“. Anfangs wurden Camper noch als „fahrendes Volk“ verspottet, das mit einem Häuschen auf Rädern durch die Lande zog.

Bad Waldsee - Wohnwagen Dethleffs Tourist von 1939 mit Hubdach, bis 1973 im Einsatz

Wohnwagen Dethleffs Tourist von 1939 mit Hubdach, bis 1973 im Einsatz

Der meist verbreitete Caravan Deutschlands war vor über 85 Jahren die „Karawane“ der Firma Sportberger. Aufgrund ihrer Form „Wanderniere“ genannt. „Der Begriff Camping war damals noch nicht gebräuchlich“, sagt Susanne Hinzen: „Campen hieß schlicht Wohnwagenwandern.“ Eines dieser Vehikel schaffte es sogar von Berlin bis in die Libysche Wüste und wieder zurück. Der Zweite Weltkrieg beendete den Erfolg. Später konstruierte Firmenchef Hans Berger einen Hänger, mit dem man wochentags Waren transportieren und am Wochenende in der Natur übernachten konnte. Das brachte dem Gefährt den Namen „Schäferkarren“ ein.

Bad Waldsee - VW-Käfer von 1952 zieht einen Schäferkarren Sportberger G2 von 1946

VW-Käfer von 1952 zieht einen Schäferkarren Sportberger G2 von 1946

Richtig los ging es in der Zeit des Wirtschaftswunders. Mit einem Kleinwagen wie dem VW-Käfer und einem Wohnanhänger im Schlepptau fuhr man mit Kind und Kegel ab Ende der 1950er Jahre in den Süden nach Bella Italia. An der „Adria“ steht ein beigefarbenes Wellblechmodell aus dem Hause Westfalia. Hier können Besucher unter gelben Sonnenschirmen relaxen, und das Hörkino lässt eine vergangene Epoche wieder aufleben.

Bad Waldsee - Wohnwagen Westfalia Camping 2 von 1956 an der Adria

Wohnwagen Westfalia Camping 2 von 1956 an der Adria

Ein orangefarbener Turban repräsentiert den nächsten Sehnsuchtsort: Asien. Abenteurer und Sinnsuchende zog es in den 1960er Jahren mit einem bunt bemalten VW-Bulli auf dem Hippie-Trail bis nach Goa in Indien. „Die „Blumenkinder“ wollten aus den Zwängen der bürgerlichen Wohlstandsgesellschaft ausbrechen, zur Erleuchtung kommen oder eine neue Art zu leben ausprobieren“, erklärt die Museumsdirektorin. Es riecht nach exotischen Gewürzen. Man hört die Klänge des Urwalds und taucht in eine unbekannte Tempel- und Götterwelt ein.

Bad Waldsee - DDR-Eigenbau Bogasch aus Sachsen von 1986, Spitzname Flunder

DDR-Eigenbau Bogasch aus Sachsen von 1986, Spitzname Flunder

Auch in der ehemaligen DDR war Camping beliebt. Auf diese Weise konnten einige Familien dem organisierten Kollektivurlaub in einem Ferienheim entgehen. Ostseeküste und Müritz standen ganz oben auf der Wunschliste eines jeden ostdeutschen Campers. Die meisten in der DDR produzierte Wohnwagen der Marken Friedel, Nagetusch oder das „Dübener Ei“ von Würdig waren jedoch für den Export bestimmt. Wegen der langen Lieferzeiten gingen viele Bürger deshalb zum Selbstbau über, wovon einige außergewöhnliche Modelle in den „Dünen“ ausgestellt sind. Natürlich ist auch ein Trabi mit Autodachzelt dabei.

Bad Waldsee - VEB-Sachsenring Trabant 601 von 1982 mit Müller-Audodachzelt von 1980

VEB-Sachsenring Trabant 601 von 1982 mit Müller-Audodachzelt von 1980

Nachdem die marokkanische Sahara mit einem geländetauglichen Reisemobil durchquert ist, geht es weiter gen Westen auf die Route 66. Nordamerika ist ein Paradies für Wohnmobiltouristen. Fast alle im Museum ausgestellten Fahrzeuge sind weit gereist. Man kann in sie hineinschauen und viele von ihnen betreten wie den zehn Meter langen silbrigen „Airstream“ von 1969 aus genieteten Aluminium-Blechen. Den Namen wählte sein Erfinder Wally Byam, da sich die Hänger wie ein „Luftzug“ auf der Straße bewegen sollten. Winzig wirkt dagegen der „Western Caravan“, der mit seiner orangefarbenen Dachbespannung an einen Planwagen erinnert.

Bad Waldsee - Western Caravan von Western Wagenbau von 1975 erinnert an einen Planwagen

Western Caravan von Western Wagenbau von 1975 erinnert an einen Planwagen

Eine überdimensionale eisblaue Pudelmütze ist das Symbol für Wintercamping in Skandinavien. Dank verbesserter Isolierung und Heizungskonzepte mutierte die Region seit den 1990er Jahren selbst im Winter zum Reisemobil-Hotspot. Von der „mobilen Skihütte“ aus lassen sich jenseits des Polarkreises bei klirrender Kälte Nordlichter beobachten. Im Museum blickt man ebenfalls durch ein vereistes Caravan-Fenster hinaus in die weiße Polarlandschaft mit wehenden Lichtern und Sternenhimmel.

Der Rundgang endet auf der Zukunftsroute. Im „Panorama der Zukunft“ präsentieren Wissenschaftler, Ingenieure und Designer ihre Visionen vom Wohnen, Reisen und von der Mobilität von Morgen. Im nachtblauen Globusraum schweben drei Weltkugeln, die sich per Touchscreen in Bewegung setzen lassen und Anregungen für die nächste eigene Reise generieren.

Bad Waldsee - FIAT 500 von 1972 mit dem Wohnwagen LAIKA 500 von 1964

FIAT 500 von 1972 mit dem Wohnwagen LAIKA 500 von 1964

 

Informationen

Informationen

Erwin Hymer Museum
Robert-Bosch-Str. 7
88339 Bad Waldsee
Tel. 07524 976676-00
www.erwin-hymer-museum.de
Entdeckungstour durch Geschichte, Gegenwart und Zukunft des mobilen Reisens.
Das Erwin Hymer Museum befindet sich direkt an der B30 in Bad Waldsee.

Unterkunft

Stadthotels Bad Waldsee „Grüner Baum“
Hauptstr. 34
88339 Bad Waldsee
Tel. 07524 9790-0
E-Mail: info@baum-leben.de
www.baum-leben.de
Hotel „Grüner Baum“ und Gästehaus „Altes Tor“ mitten in der mittelalterlichen Altstadt. Große Terrasse. Restaurant mit schwäbischer Küche.

Parkhotel Bad Waldsee
Badstr. 30
88339 Bad Waldsee
Tel. 07524 97070
E-Mail: info@parkhotel-bw.de
www.parkhotel-bw.de
Hotel am Waldrand, sodass Wander- und Radwege direkt vor der Haustür beginnen. Wellnessabteilung. Die Waldsee-Therme liegt fünf Gehminuten entfernt.

Allgemeine Informationen
Tourist-Information Bad Waldsee
Ravensburger Str. 3
88339 Bad Waldsee
Tel. 07524 941342
E-Mail: touristinfo@bad-waldsee.de
www.bad-waldsee.de

 

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Reiseführer Berlin

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