DAS PORTAL DEUTSCHSPRACHIGER REISEJOURNALISTEN


Silkeborg
Museum Jorn



Jorns Welten bis 30.12.2023

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Asger Jorns Welten

Asger Jorn (1914-1973) war einer der einflussreichsten und international anerkanntesten Künstler Skandinaviens. Zugleich ist er bekannt für seine Mitgliedschaft in der Künstlergruppe CoBrA. Sie bestand als Vereinigung avantgardistischer Künstler von 1948 bis 1951. Zu dieser gehörten neben den Initiatoren Jorn und Constant der Niederländer Karel Appel ebenso wie Christian Dotremont, Joseph Noiret, Carl-Henning Pedersen und Corneille. Weitere Mitglieder waren Pierre Alechinsky, Eugène Brands, Karl Otto Götz, Jan Nieuwenhuys, Lucebert und Anton Rooskens. Übrigens, großformatige Werke von Alechinsky sind an der Außenhaut des Museums zu finden. Das Museum Jorn besitzt heute die weltweit größte Sammlung von Asger Jorns Werken, und die Ausstellung zeigt anhand einer großen und vielfältigen Auswahl die Geschichte des weltberühmten Künstlers aus Silkeborg.

jorn1



Jorn war äußerst produktiv und experimentierte mehr als 40 Jahre lang mit Zeichnungen, Grafiken, Gemälden, Keramiken, Skulpturen und Webarbeiten bis hin zu Texten über Kunst und Philosophie. Jorn arbeitete in einer persönlichen und leicht zugänglichen volkstümlichen Bildsprache und bestand darauf, dass Kunst für jedermann sein sollte. Von Jorn stammt auch ein Gemälde, dessen Titel „Am Anfang stand das Bild“ (Statens Museum Kopenhagen) lautet. Das Wort war ja anfänglich nur der Priesterkaste in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen und Zeiten geläufig. Die Masse vertraute auf das Bild, dessen Sprache bis zu den Moritaten- und Bänkelsängern der Neuzeit zu finden ist. Jorn bediente in all seinen Werke das erzählerische Bildhafte, selten das Abstrakte. Teilweise findet sich Naives, teilweise finden sich Kobolde und die Geschöpfe der nächtlichen Alpträume in seinem Werk.

jorn15

foto fdp2023

Die Ausstellung lässt uns als Besucher Schritt für Schritt an der künstlerischen Karriere Jorns teilhaben. So sehen wir das Porträt, das Jorn von seiner Tante gemalt hat, ebenso wie einen Pfadfinder, der Akkordeon spielt, und Sitting Bull. Alle Gemälde entstanden um 1930. Das gilt auch für die beiden maritimen Ansichten, die gezeigt werden. Zu sehen sind dabei Großsegler, zum einen bei bewölktem Himmel, zum anderen über die spiegelglatte See gleitend.

jorn12

foto fdp2023

Sehr kleinformatig sind die Linoldrucke aus der Zeit 1933/34 ausgefallen, die zu sehen sind. Ins Auge springt der Marsch von Arbeitern mit wehender Fahne, auf der Hammer und Sichel zu finden sind Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Marschierenden Kommunisten sind. Nur wogegen wendet sich der Marsch? Bezieht sich Jorn auf ein bestimmtes Ereignis wie den 1. Mai 1933? Wir wissen es nicht, denn eine entsprechende Information – eine Bildbeschreibung oder einen Saaltext – suchen wir vergebens. Einer Karikatur gleicht das Porträt eines hageren, ziegenbärtigen Pastors. Und um welchen Würdenträger handelt es sich eigentlich, der in ein Gespräch mit einer Schwangeren (?) verstrickt ist? Sehr politisch konnotiert erscheint die Darstellung eines skelettierten Toten, auf dessen Stahlhelm ein Hakenkreuz schimmert. Ist das Jorns Kommentierung der dänischen Besetzung durch die deutsche Wehrmacht? Nein, zeitlich kann das nicht der Fall sein, da Dänemark erst am 9. April 1940 in deutsche Hände fiel. So ist naheliegender eine Vorahnung auf das, was da ab 1939 in Europa an Elend zu verzeichnen sein wird?

jorn4

Zu sehen sind zudem Landschaftsgemälde und Stadtansichten wie „Straße zur Stadt“, teilweise in pastösen Farben und mit dem Sinn für das Licht des Nordens. Entstanden sind diese etwa zeitgleich zu den Linoldrucken. Kleinteilig sind diese Werke in Öl gleichfalls. In einem der Gemälde meint man im Übrigen, Cézannsche Farbsetzungen zu entdecken. In kubistischer Anmutung entstand ein unbetiteltes Porträt, das man als janusköpfig beschreiben könnte, da Jorn Seitenansicht mit Frontalansicht vereint und so gleichsam zwei Köpfe bzw. Gesichter dem Betrachter präsentiert.

In den späteren 1930er Jahren entstanden auch Arbeiten, die durchaus als figurativ-abstrakt anzusehen sind. Zudem stehen wir seinem Gemälde „Der grüne Bart“ gegenüber, ganz abgesehen von den „Lichtzeichnungen“ (1953-1971), die so erscheinen als wären sie als Photogramme konzipiert worden. Da scheint mit einem Stift auf dem Malgrund bzw. dem belichteten Photopapier ein Gewirr von Linien gezogen worden zu sein, oder?

jornseasons

foto fdp2023

Über viele Jahre hat Jorn an dem Gemälde „Stalingrad“ gearbeitet. Dieses Werk trägt den Untertitel „Niemandsland oder das irre Gelächter der Courage“. Ist dieses Werk mit „Guernica“ zu vergleichen? Wohl eher nicht, mal abgesehen davon, dass sich die Frage stellt, ob Jorn das als ein Schlüsselwerk seines Schaffens angesehen hat. Stilistisch ist es gewiss nicht vergleichbar, da es eher dem Kanon des Informel zu entsprechen scheint. Der Irrsinn des Krieges, das Gemetzel und die Opfer scheinen sich nicht in dem Gemälde wiederzufinden. Da gibt es keine blutigen Spuren, keine Leichenberge, keine verbrannte Erde, keine explodierenden Geschütze aus der sog. Stalinsorgel abgefeuert, sondern ein fleckiges Weiss, von schwarz-braunen Spuren und etwas Himmelsblau durchzogen. Die Gedanken des Betrachters dürfen sich frei entfalten. Die Suche nach Versatzstücken von Kriegsdarstellungen in der Geschichte der Kunst wird vergebens sein. Spannend wäre es einen O-Ton Jorns zu diesem Werk zu hören, an dem er 15 Jahre lang gearbeitet hat, ausgelöst durch ein Gespräch mit einem Freund, der an der Schlacht um Stalingrad teilgenommen hatte.

jorn66

foto fdp2023

Auf unserem Rundgang begegnen wir aber einem Gemälde in lichten Farben und einer Glasmalerei bwz. -mosaik gleichend: „Der Troll und die Vögel“. Hinzuweisen ist auch auf eine zweiteilige Keramikarbeit in erdigen Farben, die den Titel „Jütlands Linien“ trägt. Sehr beeindruckend ist schließlich der Jahreszeitenzyklus, den wir sehen. Er besteht aus sechs Arbeiten, die aus welchem Grund auch immer nicht entsprechend der Nummerierung der Gemälde gehängt sind und teilweise der abstrakten Formensprache entsprechen.

Dies ist nur ein kleiner Einblick in die Welt des Asger Jorn, die es bei einem Besuch zu entdecken gilt, vor allem auch bezüglich der Skulpturen, wie eingangs erwähnt.

jorn77

© Ferdinand Dupuis-Panther Text und Fotos wie bezeichnet ; Fotos: © Pressefoto Museum Jorn

Die Onlinerechte von Asger Jorn nimmt in Deutschland die VG BildKunst wahr.

Info
Museum Jorn
https://museumjorn.dk/en/exhibitions/

 

zur Gesamtübersicht Ausstellungen