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Weiße Plantagen

Weiße PlantagenEs gibt wohl kaum mehr einen Teil der Welt, den die Globalisierung in den letzten Jahrzehnten nicht erfasst hat. Als Konsumenten sind wir uns den Verstrickungen oft gar nicht bewusst, denen wir bereits unterliegen, wenn wir nach dem Aufstehen ein sauberes Paar Socken aus dem Schrank holen: Denn der größte Teil der weltweit verkauften Baumwollsocken wird im chinesischen Datang in Heimarbeit gefertigt.
"Hinter Datangs stillen Fassaden und seinen breiten ruhigen Strassen", so lässt uns Érik Orsenna in Weiße Plantagen wissen, "befinden sich mehrere tausend Firmen. Hinzu kommen viele Tausende mehr in den etwa zwanzig umliegenden Dörfern. Insgesamt kümmern sich zwölf- oder dreizehntausend Familienbetriebe ausschließlich um Socken. Man arbeitet nach Auftragslage. Und da es nie an Aufträgen mangelt, arbeitet man unaufhörlich. Häufig sieben Tage pro Woche und zwölf Stunden am Tag. Für ein Einheitsgehalt: tausend Yuan pro Monat (hundert Euro). Kost und Logis (in Schlafsälen) frei. Ein guter Chef gewährt einmal pro Jahr eine Woche Urlaub, damit man seine Verwandten am anderen Ende Chinas besuchen kann."

Schon der Untertitel "Eine Reise durch die globalisierte Welt" deutet an, dass sich der Autor Érik Orsenna mehr vorgenommen hat, als ein trockenes Sachbuch über die Baumwolle zu schreiben, die er lustvoll als "Hausschwein der Botanik" bezeichnet.

Auf den Spuren der Baumwolle, die ganze Länder prägt und mehrere hundert Millionen Menschen mit ihren weichen Samenhaaren ernährt, reist Orsenna zu den Baumwollpflückern nach Mali und Burkina Faso, besucht brasilianische Plantagenbesitzer und chinesische Textilfabriken, diskutiert mit texanischen Lobbyisten und usbekischen Umweltschützern. Das Ergebnis seiner Recherchen ist eine eigenwillige Reportage, die Reiseimpressionen, Wirtschaftsanalysen und botanische Exkurse geschickt miteinander verknüpft. Anspruchsvoll in Ton und Aufbau und verspielt in der Sprache hat das Buch auch die Jury des Lettre Ulysses Award begeistert, die "Weiße Plantagen" vor wenigen Monaten mit dem Preis für die Kunst der literarischen Reportage auszeichnete.

Érik Orsenna ist in Frankreich als politisch engagierter Autor bekannt, der schon für François Mitterrand als Kulturberater und Redenschreiber gearbeitet hat. Und so verwundert es nicht, dass Orsenna seinen Blick auch auf die Schattenseiten der Baumwollwirtschaft richtet, Wasserverschwendung, Zerstörung der Artenvielfalt und genetische Manipulationen anprangert und allenthalben mit Subventionen, Gigantismus und Ausbeutung hadert.

Orsenna spart auch nicht mit Gesellschaftskritik, wenn er den Chinesen zugesteht: "Bei ihnen gibt es so etwas wie einen Kult der Arbeit, bei uns einen Kult der Freizeit. Dabei wird es keinen Fortschritt geben ohne mehr Arbeit. Eine Zivilisation der Freizeit ist eine Zivilisation, die zum Untergang verurteilt ist."

Zurück in Europa, besichtigte er zwei Textilfabriken in den Vogesen, die noch immer der übermächtigen asiatischen Konkurrenz trotzen. Doch inzwischen sieht er die wirtschaftlichen Zusammenhänge in einem anderen Licht: "Wir leben in einer Zwischenzeit, kommen aus einer Welt der kleinteiligen Politik und Wirtschaft und steuern auf eine völlig globale Welt zu. Ich prognostiziere, die nächsten Jahre werden kein Zuckerschlecken. Ich bin mir sicher, sie werden extrem chaotisch, so chaotisch, wie es immer in Zeiten großer Umbrüche auf der Welt zuging."

ran@saw

Érik Orsenna: Weiße Plantagen. dtv. ISBN: 3423345330. 9,90 Euro

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