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Das Mittelmeer. Eine Biographie

David Abulafia: Das Mittelmeer. Eine BiographieEine Biographie über das Mittelmeer schreiben zu wollen, erscheint auf den ersten Blick als ein vermessenes Unterfangen. Das Sujet mutet allzu umfänglich und vielschichtig an, als dass man seine Historie zwischen zwei Buchdeckel pressen könnte.

Mit David Abulafia – er ist an der Universität von Cambridge Lehrstuhlinhaber für die Geschichte des Mittelmeerraumes – hat sich nun ein ausgewiesener Fachmann der Herkulesaufgabe angenommen. Auf nahezu 1000 Seiten breitet Abulafia seinen Forschungsgegenstand aus, wobei er einen Bogen über die letzten 24.000 Jahre bis hin zur Gegenwart spannt und seinen Blick von den ersten Siedlern auf Sizilien bis zum modernen Massentourismus an den spanischen Küsten schweifen lässt.

In fünf großen Kapiteln, die den historischen Hauptepochen des Mittelmeers entsprechen sollen, schildert Abulafia die Geschichte der Menschen, die dieses Meer befuhren und in den Hafenstädten an seinen Küsten und auf seinen Inseln lebten, und er ist sich sicher: „In der Geschichte der menschlichen Zivilisation spielte das Mittelmeer eine größere Rolle als jedes andere Meer.“

Die Wirtschafts- und Machtzentren wechselten sich im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende stetig ab. Egal, ob Korinth, Athen und Rom in der Antike oder Venedig, Genua und Barcelona im Mittelalter – sie alle haben die mediterrane Kultur entscheidend geprägt. Nicht zu vergessen: Inseln wie Kreta, Malta und Sizilien, denen stets eine Schlüsselfunktion zukam. Wer die wichtigsten Inseln und Häfen kontrollierte, der beherrschte stets das Meer und die Handelsrouten. Nur in der Glanzzeit des Römischen Reiches bildete das Mittelmeer über zwei Jahrhunderte hinweg einen einheitlichen Politik- und Wirtschaftsraum.

Das Mittelmeer war stets ein Treffpunkt von Menschen mit unterschiedlichster Herkunft und verschiedenen Interessen. Fischer trafen auf Kaufleute, Pilger auf Seeräuber. Der Reichtum und die strategische Bedeutung des Mittelmeers weckten Begehrlichkeiten, sogar die Perser, Engländer und Russen streckten ihre Fühler aus und versuchten sich einen Teil von dem begehrten Meereskuchen zu sichern.

Abulafia beschreibt die Schiffe, die das Meer beherrschten ebenso wie die Lebensverhältnisse auf den Galeeren, er widmet sich dem Sklavenhandel und der Christianisierung des Mittelmeerraums, doch letztlich steht die Ereignisgeschichte zu sehr im Vordergrund.

Der historisch nur mäßig beschlagene Laie wird bei der Lektüre allzu schnell den Überblick über alle Gefechte und Hafenblockaden verlieren. Über manche Ereignisse geht Abulafia oberflächlich hinweg, andererseits räumt er manchen unbedeutenden Vorfällen unverständlicherweise sehr viel Platz ein. So ist die Hinrichtung des englischen Admirals Byngs aufgrund von Feigheit eigentlich nur eine Marginalie, was Abulafia allerdings nicht davon abhält, die Hintergründe auf drei Seiten auszubreiten.

Statt den Schwerpunkt auf eine wechselnde Folge von Seeschlachten und Eroberungen zu legen, wäre es interessanter gewesen, Abulafia hätte sich in stärkerem Maße auf die großen Kontinuitäten sowie den kulturellen und geistigen Wandel der mediterranen Welt konzentriert.

Nicht zuletzt muss sich Abulafias „Biographie des Mittelmeers“ mit Fernand Braudels „Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II“ aus dem Jahre 1949 messen lassen. Dabei werden dann auch die Mängel offensichtlich: Verglichen mit Braudels dreibändigem Werk, das in einzigartiger Weise aufgezeigt hat, wie die mediterrane Landschaft mit den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen verbunden ist und zu den Klassikern der Historiographie gehört, erscheint Abulafias „Mittelmeer“ nur als eine beachtliche Fleißarbeit. Ralf Nestmeyer

David Abulafia: Das Mittelmeer. Eine Biographie, S. Fischer Verlag 2013. 960 Seiten, 34.- Euro




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