Huhn in Handschellen. Das Knast-Kochbuch

Schon der Titel macht neugierig. Na ja, wer im Knast sitzt, scheint auch beim Kochen einen ganz eigenen Humor zu entwickeln. Schmalhans ist Küchenmeister muss man nach dem Lesen der zahlreichen Rezepte konstatieren. Doch wie und dass man aus wenig mehr machen kann, das erfährt der Leser auf alle Fälle und vor allem bekommt er Tipps zum Nachkochen. Ob Christa Mälzers Kommentare und Anregungen gar so notwendig waren, kann man dahingestellt sein lassen. Es kommt ja im Kern darauf an, was man hinter „schwedischen Gardinen“ mit begrenzten Einkaufsmöglichkeiten Leckeres kochen kann, wenn die Anstaltsküche nicht gerade den Geschmack des einzelnen Häftlings getroffen hat. Dass man teilen muss, um überhaupt kochen zu können, ist keine Frage, denn Schmalhans ist ja Küchenmeister. Für den eigenen Speiseplan kann der Leser sich aussuchen, ob er lieber den „süßen Trost“ bevorzugt oder die „mildernden Umstände“. Was bereits im Titel mit leichter Ironie und Humor anklingt, setzt sich auch in den Rubrizierungen der Rezepte fort. Wie wäre es denn mit „Kollege Backstein“? Noch nie gehört? Hinter dem „Kollegen Backstein“ verbirgt sich das Rezept für Quarkteigbrötchen mit Speisequark, Mehl, Zucker, Ei, Eigelb und eventuell Rosinen. Mama Mälzer, Mutter vom Hamburger „Starkoch“ Tim Mälzer, empfiehlt übrigens Kräuter statt Rosinen. Nun ja, kann man, muss man aber nicht machen. Zum Nachtisch gibt es dann vielleicht die „Kann-Rolle“. Na, dahinter verbirgt sich ein Pfannkuchen, den sich die Mitglieder der „Kreativen Zellen“ aus Hamburgs berüchtigtem Knast Santa Fu ausgedacht habe. Ja, Knackis sind die kreativen Köpfe, denen das Kochbuch zu verdanken ist. Doch beim Kochbuch ist es nicht geblieben, sondern es werden über www.santa-fu.de von den „Kreativen Zellen“ auch Memory-Spiele mit Häftlingstätowierungen und T-Shirts mit dem Aufdruck „Auf Bewährung“ oder das Pflege-Set „Bleib sauber“ vertrieben, wie man aus dem „Anhang“ des witzig geschriebenen und von Sven Brauner ansprechend illustrierten Kochbuchs erfährt. Wer hinter den „Kreativen Zellen“ steckt, wird nicht verschwiegen, wenn auch die Justizbehörde Strafvollzug offiziell als Herausgeber genannt wird.

Doch noch einmal zurück zu den einfachen, aber kreativen Gerichten: Mögen Sie Auberginen, dann ist das Rezept „Violetten“ genau das Richtige für Sie. Und wenn es denn, wie Christa Mälzer vorschlägt, zu den goldgelb gebratenen Auberginenscheiben – sie wurde zuvor in Eigelb und Brötchenbrösel gewälzt – noch ein Yoghurt-Dip gibt, wird dieses Gericht zu einem wahren Gaumenschmaus! Schaumschläger als „Vor Gericht“ soll es sein? Kein Problem. Wer sechs Eier hat und geriebenen Käse, vorzugsweise Parmesan, und Semmelbrösel kann mittels Knackirezept loslegen, um luftige Eierfrikadellen zu zaubern. Zamboso, afghanische Teigtaschen, stehen im Kochbuch, weil auch ein afghanischer Gefangener zu den „Kreativen Zellen“ gehört. Und zum Jahrestag der Verurteilung gibt es für die Insassen einen Festschmaus: Huhn in Handschellen. Serviert wird die mit Lauchzwiebeln und Champignons gefüllte Poularde mit einer „Mauer aus Kartoffelecken“. Mehr ausgefallene Rezepte erwünscht, na dann einfach mal in „Huhn in Handschellen“ blättern und fix nachkochen. Viel Spaß dabei!

Justizbehörde Hamburg, Strafvollzugsamt: Huhn in Handschellen. Das Knast-Kochbuch mit Rezepten, die auch in Freiheit schmecken. Mit Tipps von Christa Mälzer, 96 Seiten, 61 farbige Abb., Bremen 2013, ISBN 978-3-86108-899-8, Preis 16,90 Euro



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