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Demokratie jetzt oder nie! Diktatur - Widerstand - Alltag

Die vorliegende Veröffentlichung soll sie die vorhandenen Wissenslücken über die Zeit zwischen 1949 und 1990 schließen, während der jenseits des Eisernen Vorhangs der Herrschaftswille der SED allumfassend war. Außerdem dient die umfangreiche Publikation als Begleitband zur Dauerausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum dazu, dass der Ostalgie und der Verharmlosung der SED-Diktatur entgegengewirkt wird. In diesem Sinne ist auch das erste Kapitel des vorgelegten Bandes zu verstehen, in dem sich Rainer Eckert mit dem Widerstand in der SBZ und der DDR befasst. Während der sogenannte Vereinigungsprozess von KPD und SPD gefeiert und filmisch inszeniert wurde, setzten sich Tausende von SPDlern dagegen zur Wehr. Zwangsarbeitslager und Zuchthaus war die Antwort auf diesen Widerstand. Erinnert wird in dem oben genannten Kapitel auch an die Bürgerrechtsbewegung im Umfeld der evangelischen Kirche. Dass die DDR aus Ruinen entstand und welche Folgen der Krieg hatte, beleuchtet das Kapitel „Deutschland am Kriegsende“. An dieser Stelle wird wie in der Ausstellung u. a. hervorgehoben, dass 27 Mio. Menschen in der Sowjetunion Opfer der Kriegshandlungen wurden. Diese Opferzahl übertrifft die aller übrigen Kriegsparteien.

Demokratie jetzt oder nie! Diktatur - Widerstand - Alltag

Die wenigsten Nachgeborenen wissen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg der Alliierte Kontrollrat das Sagen hatte, und zwar in „allen Deutschland als Ganzes betreffenden Angelegenheiten“. Während dieser Zeit, und das verschweigt der o. g. Beitrag nicht, war das Leben geprägt von Übergriffen der Besatzungstruppen, vor allem der Roten Armee. Das machte die Kommunisten in der SBZ nicht besonders glaubwürdig und belastete die Beziehungen zwischen Siegern und Besiegten. Was im Moskauer Hotel Lux erdacht wurde, die antifaschistisch-demokratische Umwälzung“, wollten Ulbricht und Co. nun umsetzen. Doch nicht alle Parteigänger waren davon überzeugt, so auch nicht Ulbrichts Vertrauter Wolfgang Leonhard, der 1949 in den Westen floh, wie in dem Abschnitt „Antifaschistisch-demokratische Umwälzung in der SBZ“ zu erfahren ist. Wer aus der Reihe tanzte, so wie Dieter Rieke, verschwand für Jahre im Knast, in Speziallagern oder wurde hingerichtet wie Arno Esch. Aber nicht allein der Dissens in der SBZ-Gesellschaft wird im genannten Beitrag angeschnitten, sondern auch das Thema „Zeremonien und Rituale“, so die Aufmärsche zum 1.Mai oder der Personenkult um Thälmann, ausführlich untersucht. Dem Kalten Krieg ist ein eigenes Kapitel in der lesenswerten Veröffentlichung gewidmet. Gleiches gilt für die Gründung der DDR und der BRD. Sehr interessant zu lesen sind die Passagen, die sich mit der „Instrumentalisierung der Vergangenheit“ befassen, denn obgleich die DDR ein antifaschistisches Gehabe an den Tag legte, fanden auch hier Nazis in hohe Staatsämter, so Kurt Schumann, der erste Präsident des Obersten Gerichts. Stets hieß es „Die Partei, die Partei, die hat immer recht ...“, so dass alles auf sie, die SED, ausgerichtet wurde. Justiz und Staatssicherheit waren die wichtigsten Organe in der DDR, die die Herrschaft der SED-Bonzen sicherte, so nachzulesen in „Die Herrschaftssicherung der SED“. Dass Schüler mit einem selbstgebauten Sender 1949 eine Sendung zu Stalins Geburtstag störten, dass sich der Eisenberger Kreis als eine der Widerstandsgruppen gründete und einige der Widerständler nach Workuta kamen, verschweigt dieser Teil der Abhandlung nicht. Repression war allgegenwärtig. Im Weiteren zeichnen Kapitel wie „Fluchtbewegung und Mauerbau“ sowie „Enttäuschte Hoffnungen“ die Entwicklung in der DDR bis in die späten 1960er Jahre nach. 1968 scheiterte der „Prager Frühling“ und mit ihm auch dessen Unterstützer in der DDR, darunter Bettina Wegner, die Liedermacherin, die sich Jahre später auch für Wolf Biermann engagierte.

Ein ganz wesentlicher Beitrag beschäftigt sich mit dem Alltag im „real existierenden Sozialismus“! „Sozialistisch arbeiten, lernen und leben“ lautete das Motto. Doch der Alltag war vor allem durch eine nicht zu übersehende Spießigkeit und genormtes Handeln bestimmt. Das „kollektive Topfen“ in der Kita ist geradezu ein Musterbeispiel, wie ein normierter Alltag ausschaut. Wohnen im Plattenbau, der Kauf von Bückwaren, der Rückzugsraum der eigenen Datsche oder das Nacktbaden am FKK-Strand waren gleichfalls Facetten dieses Alltags, die ebenso behandelt werden wie auch „Chemie im Heim“ und die zweifelhaften Errungenschaften der DDR-Bekleidungsindustrie – man denke nur an das nicht atmungsaktive „Präsent 20“. Wie in der Dauerausstellung des Zeitgeschichtlichen Museums ist auch im Begleitbuch der Kunst und Jugendkultur Raum gegeben worden. Madonna und Hendrix waren wie Lindenberg und BAP bei der DDR-Jugend beliebt. Hin und wieder gab es Rockkonzerte westlicher Bands, deren Bühnenshows von den DDR-Oberen als Ventil für den aufgestauten Jugendfrust gedacht waren. Die Renft Combo und auch Biermann waren zeitweilig geduldet und wurden in den Westen abgeschoben, als sie unbequem wurden. Die Beschäftigung mit der friedlichen Revolution und mit den letzten zwei Jahrzehnten beschließt die sachkundig verfasste Abhandlung, die all das aufgreift, was auf verschiedenen Ebenen mit Inszenierungen und zahlreichen Exponaten auch in der Dauerausstellung den Besuchern präsentiert wird.

© fdp

Demokratie jetzt oder nie! Diktatur - Widerstand - Alltag. Begleitbuch zur Dauerausstellung des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig. Herausgeber: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland / Zeitgeschichtliches Forum, 256 Seiten, 270 farbige Abbildungen, Edition Leipzig 2008, 2., überarb. u. aktualis. Aufl., ISBN-10: 3361006449, ISBN-13: 9783361006447, Preis 19,90 Euro.



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