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Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu träumen

Es gibt Konzeptkneipen, Konzepthotels und es gibt Konzeptromane. Einen letzteren hat Thomas von Steinaecker unter dem Bandwurmtitel „Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu träumen“ geschrieben.

Steinaecker (Jahrgang 1977), der trotz seines jugendlichen Alters bereits drei Romane veröffentlicht hat, gehört zu den hoffnungsvollsten deutschen Nachwuchsschriftstellern und war mit seinem jüngsten Werk für den Leipziger Buchpreis 2013 nominiert.

Thomas von Steinaecker: Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu träumen

„Ich habe mir vorgenommen, ein Konzept für die nächsten Wochen zu erstellen“ – resümiert Renate Meißner auf der letzten Textseite des Buches und beschließt eben jenen Roman zu schreiben, den man zuvor gelesen hat.

Aus der Position seiner Ich-Erzählerin berichtet Steinaecker von einem turbulenten Jahr, in dem die Karrierefrau in ihrer Versicherungsgesellschaft erst befördert wurde, ihr dann aber, als sie einen großen Auftrag an Land ziehen will, Stück für Stück alle Sicherheiten abhanden kommen, bis sie schließlich vor die Tür gesetzt wird.

Für Renate Meißner ist die Niederschrift ihrer Geschichte ein Befreiungsschlag, eine Abrechnung mit der materialistischen Designwelt, ihrem Vorgesetzten, der sich für seine Familie entschieden und sie als seine Geliebte nach München fortgelobt hat.

Kenntnisreich erzählt Steinaecker von den tragisch-komischen Ausprägungen der modernen Geschäftswelt, die sonst nur wenig in der Gegenwartsliteratur Beachtung finden: Büroalltag zwischen ständiger Erreichbarkeit und Burnout-Gefahr. Doch dann hebt die Finanzkrise die Versicherungswirtschaft aus den Angeln und im Roman vermischen sich allmählich die Grenzen zwischen Realität und Phantasie, Gefühle ersetzen Statistiken.

Steinaecker flechtet noch eine weitere Ebene in den Roman ein, indem er seinen Text immer wieder durch Fotos von Prominenten, pseudodokumentarische Schnapsschüsse oder Stillleben, aber auch durch Aufnahmen von handschriftlichen Texten oder Grafiken unterbricht. Diese Vorgehensweise ist nicht neu und Steinaecker wohlvertraut, schließlich hat er „Zur Funktion der Fotografien in den Texten Rolf Dieter Brinkmanns, Alexander Kluges und W. G. Sebalds“ promoviert.

Doch die Auswahl der Bilder in „Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu träumen“ scheint manchmal beliebig, manchmal überflüssig und ist in den meisten Fällen nichtssagend. Bei einigen Bildern, wie das mit „Rapid eye movement“ betitelte, rätselt man, was sie eigentlich im Text verloren haben? Nun, wahrscheinlich sind die Bildstrecken Teil des Konzeptes gewesen. Auch sprachlich kann der Roman oft nicht überzeugen, die „Hände sind kalt“, das „Herz rast“ und den Leser beschleicht das Gefühl, Steinaecker habe mehr gewollt, als er einlösen konnte.

Ralf Nestmeyer

Thomas von Steinaecker: Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu träumen, S. Fischer Verlag, Frankfurt 2012, 389 S., 19,99 Euro




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