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Settlers Creek

Die Nachricht trifft Box Saxton wie ein Hammerschlag: Sein Sohn Mark ist tot. Dabei hatte „Box“ schon genug Problemen am Hals: Die neuseeländische Finanzkrise hatte ihn schwer getroffen, seine Baufirma musste Insolvenz anmelden, er musste sein Haus verkaufen, in ein heruntergekommenes Wohnviertel ziehen, seine Kinder von der Privatschule nehmen und sich als Tagelöhner auf Baustellen verdingen.

Geradezu paralysiert nimmt er das nächste Flugzeug und macht sich auf den Weg nach Hause zu seiner Frau und seiner Tochter Heather. Box betrinkt sich am Flughafen und gibt sich den Erinnerungen an die gemeinsamen Jahre hin. Das einzige, so glaubt er, was er für seinen toten Sohn noch tun kann, ist, ihm ein würdevolles, „schönes“ Begräbnis auszurichten.

Carl Nixon: Settlers Creek

Mitfühlend schildert der neuseeländische Autor Carl Nixon den Kummer des Vaters, der Mark als Zweijährigen adoptierte, als er sich in seine Mutter Liz verliebte. Man ahnt nur, warum sich der 19-jährige das Leben genommen hat, doch diese Frage tritt schnell in den Hintergrund, als Stephen Tipene, der leibliche Vater Marks, die Bühne betritt und die Frage, wo Mark seine letzte Ruhestätte finden soll, zum Motor des Romans wird.

Tipene, der sich (vermeintlich?) nie um ihn gekümmert hat, fordert den Leichnam seines Sohns „Maaka", um ihn auf traditionelle Weise bei seinen Ahnen bestatten zu können. Box lehnt das ab, denn zum einen hat er trotz seiner Geldsorgen schon einen Begräbnisplatz auf seinem Lieblingsfriedhof gekauft und zum anderen ist er davon überzeugt, dass nur er und seine Frau darüber entscheiden dürfen.

Als Box erfährt, dass Tipene und sein Clan – sich auf neuseeländisches Recht stützend – die Leiche kurzerhand in ihrem Auto mitgenommen haben, verliert Box jeden Halt. Er wendet sich vergeblich an die Polizei: "Wir haben es hier mit einer äußerst delikaten Situation zu tun. Es gilt, eine Reihe von kulturellen Faktoren zu berücksichtigen“, bringt es ein mit dem Fall beauftragter Sergeant auf den Punkt.

Doch Box will sich mit der Situation nicht abfinden, wie besessen fährt er Tipenes Clan mit seinem alten Pickup hinterher, um den Leichnam schließlich in einem Akt von Selbstjustiz aus einem mit ehrwürdigen Schnitzereien verzierten Versammlungshaus der Maori zu stehlen und sich mit ihm auf den Rückweg zu machen. Fortan verwandelt sich „Settlers Creek“ in ein düster-archaisches Roadmovie, dem man anmerkt, dass Nixon bereits einen Krimi geschrieben hat.

Carl Nixon, der zu den talentiertesten Schriftstellern Neuseelands gehört, hat mit „Settlers Creek“ ein lesenswertes Buch über Schmerz und Trauer, über die Diskrepanzen moderner und traditioneller Kulturkreise geschrieben. Keineswegs verherrlicht er die Maori-Kultur, sondern zeigt, dass es im neuseeländischen Alltag immer wieder zu Spannungen zwischen den Maori und den westlichen „Pakeha“ kommt.

Wie schon Nixons erster Roman „Rocking Horse Road“, so ist auch dieses Buch im Bonner Weidle Verlag erschienen, der sich für die bibliophile Ausstattung des Buches verantwortlich zeichnet. Den flüssig zu lesenden Text hat der Verleger Stefan Weidle selbst aus dem Englischen übertragen. Ein Glossar, das Maori-Begriffe erklärt, gehört lobenswerterweise zum Anhang.

Ralf Nestmeyer

Carl Nixon: Settlers Creek, Weidle Verlag 2013. 344 Seiten, 23,- Euro




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