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Die sterblich Verliebten

Javier Marías: Die sterblich VerliebtenDer Spanier Javier Marías zählt seit dem Erfolg seiner Romane „Mein Herz so weiß“ und „Morgen in der Schlacht denk an mich“ zu den bekanntesten Autoren seines Landes. Marías gilt als grandioser Erzähler, der mit seiner eindringlichen Sprache, seinen philosophisch-tiefgründigen Abschweifungen und seinen unerwarteten Wendungen den Leser in den Bann zu ziehen weiß. Einzig seine zuletzt veröffentlichte 1400-seitige Romantriologie "Dein Gesicht morgen" war so verschraubt und handlungsarm, dass sie selbst von eingefleischten Marías-Fans nicht gewürdigt wurde.

Doch jetzt hat sich Javier Marías mit einem Paukenschlag zurückgemeldet: Der Roman „Die sterblich Verliebten“ knüpft an das Erzählschema seiner beiden Bestseller an. Nicht zufällig bedient sich Marías seinem bewährten Handlungsmuster, indem er erneut einen mysteriösen Todesfall ins Zentrum rückt.

Jeden Morgen beobachtet die Ich-Erzählerin María ein Paar, das sich zum Frühstücken in einem Innenstadtcafé trifft. María ist fasziniert von der tiefen Vertrautheit und der zärtlichen Aufmerksamkeit, die Luisa und Miguel verbindet. In ihren Augen sind die beiden das perfekte Liebespaar.

Als Luisa und Miguel eines Tages nicht mehr im Café auftauchen und auch noch Wochen später ausbleiben, beginnt María nachzuforschen und erfährt, dass Miguel just an seinem 50. Geburtstag einem anscheinend völlig sinnlosen Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist.

Durch Zufall trifft María die Witwe und spricht sie an, um ihr Mitgefühl auszudrücken. Luisa lädt María zu sich ein, die dadurch Javier, Miguels besten Freund, kennenlernt. Javier und María beginnen eine Affäre und so wird María wird immer tiefer in ein Gespinst aus Lüge und Wahrheit, Erfindung und Wirklichkeit hineingezogen.

Der aus einer Madrider Gelehrtenfamilie stammende Marías spielt auf Szenen aus Balzacs „Oberst Chabert“ und Dumas „Drei Musketiere“ an und fasziniert immer wieder mit eindringlichen Reflexionen. Vergessen und Erinnern, Verrat und Treue sowie Liebe und Leidenschaft sind die großen Koordinaten dieses Romans.

Schon bald deutet sich an, dass Javier eigentlich Luisa begehrt, sich danach sehnt, an Miguels Stelle zu treten. Von Eifersucht geplagt, wünscht sich María den Tod ihrer Nebenbuhlerin herbei: „Keinen sollte es kränken, dass jemand sich mit uns begnügt, mangels des anderen, Besseren.“

Schließlich macht ein Geständnis hinter einer angelehnten Zimmertür María als Lauschende zur Mitwisserin und nährt die Zweifel an den Umständen von Miguels Tod. Hat sich Javier einen perfiden Mordplan ausgedacht? Einerseits sucht María Gewissheit, anderseits wagt sie nicht Luisa zu informieren, die sich schließlich Javiers anhaltenden Avancen hingibt. „Wenn wir nicht sofortige Leidenschaft erwecken, glauben wir, dass Treue und Präsenz am Ende belohnt werden und dauerhafter, stärker sind als jede Verzückung der Laune.“

Munter fabuliert Marías von den Täuschungen und Selbsttäuschungen der Liebe und ermöglicht tiefe Einblicke in die Abgründe des menschlichen Seins. Ihm gelingt das Kunststück, den Leser zu fesseln, obgleich die Protagonisten kühl bleiben, weder Sympathien noch Ablehnung wecken. Gerade wegen seines ruhigen Erzähltons entfaltet „Die sterblich Verliebten“ einen immer stärker werdenden Sog, dem man sich nur schwerlich entziehen kann. Ralf Nestmeyer

Javier Marías: Die sterblich Verliebten, S. Fischer Verlag, Frankfurt 2012, 430 S., 19,99 Euro




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