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Mörder im Chat

Die Nachfrage nach Krimis mit Regionalbezug scheint zu boomen. Immer mehr Verlage bringen Kriminalromane heraus, die auf Lokalkolorit nicht verzichten, so auch der Hinstorff-Verlag mit seinen Ostseekrimis. Der vorliegende Roman spielt in Rostock, genauer in Lütten Klein, einer dieser elenden Plattenbauvorstädte, in der eine Reihe von Vorbestraften, Paare mit Kindern, die im Fokus des Jugendamtes stehen, Sozialhilfe-Bezieher, Alkoholiker, Studenten und andere erschwinglichen Wohnraum und somit ihre häusliche Bleibe finden. Das ist das Umfeld, in dem ein Mord geschieht, der zunächst ohne Leiche ist. Eine gewisse Lena Schultz, Mitarbeiterin der Wohnungsbaugesellschaft, in deren Plattenbau sie lebte, kam hier bestialisch um und verschwand spurlos. Die Wohnung von Lena ist über und über mit Blut besudelt. Auch im Fahrstuhl finden die Ermittler Blutspuren. Doch wo ist die tote Lena?

Frank Goyke: Mörder im Chat

Dass überhaupt Ermittlungen zum Verschwinden dieser jungen Frau aufgenommen werden, ist ihrer Schweizer Chat-Bekanntschaft zu verdanken. Während eines der Chats mit Bildübertragung geschah der Mord an Lena, die sich im Chat allerdings Miriam nannte, sich als Studentin ausgab, aber zumindest nicht ihren Wohnort Rostock verschwieg. Augenzeuge des Mordes mit einer Machete wurde ihr Chat-Partner Stephan Hagner , der im Hauptlabor von Novartis seine Brötchen verdient. Der alarmiert die örtliche Polizei in Arlesheim und diese wiederum kontaktiert die Ermittlungsbehörden in Rostock. Dort werden Jonas Uplegger, Witwer mit einem von Testosteron gesteuerten pubertierenden Sohn, und Barbara Riedbiester, genannt Dampframme, mit dem Fall betraut. Barbara ist nicht nur schwergewichtig, sondern hat obendrein ein ausgeprägtes Alkoholproblem. Deswegen muss sie auch von Amts wegen regelmäßig eine Selbsthilfegruppe und den Betriebspsychologen aufsuchen. Bei ihrer täglichen Arbeit allerdings macht sich die Sucht nicht allzu sehr negativ bemerkbar.

Es scheint, als kommen aktuelle Kriminalromane, nicht mehr ohne Ermittler aus, die entweder Beziehungs- oder Suchtprobleme haben, man denke nur an die Klassiker der schwedischen Kriminalromane, ob von Mankell oder Sjöwall/Wahllöö. Immer sind die Herren Ermittler ein wenig von der Rolle, so wie Barbara, aber die ist nun mal weiblich. Schon das ist in Krimis eher selten, eine Frau als Ermittlerin. Dass die auf den Fall angesetzten Polizeibeamten überhaupt auf Lenas Spur kommen, bedarf schon eines erheblichen Aufwands, da die Dame nicht nur ihren Namen für den Chat geändert hatte, sondern auch ihre IP-Adresse verschleierte. Doch wer ist bloß der Mörder? Ist er im Umfeld von Lena zu suchen, die nach Aussage von zwei Hausbewohnern, die sich um sie sorgten, eher schüchtern und kontaktscheu war? Ist es vielleicht ein Alkoholiker, der im gleichen Block wohnt und notgeil ist oder gar der verurteilte Vergewaltiger, den sich die beiden Ermittler vornehmen? Doch die Frage bleibt, wer eigentlich solch ein Blutbad anrichtet, sodass die gesamte Wohnung mit Blutspuren übersät ist? Ist der Mord gar ein Ritualmord? Oder ist der Mörder unter Lenas ehemaligen Klassenkameraden zu suchen? Hat Lenas Klassenfahrt nach Guatemala vielleicht irgendeine Bewandtnis mit dem Mord und, wenn ja, warum? Keine Frage, Uplegger und "Dampframme" finden den Täter und auch die Leiche, allerdings ohne Kopf. Dass der dann doch noch auftaucht, ist dem Eckernförder Kriminalkommissar Torben Gasser zu verdanken, der auch ein Faible für Lokalgeschichte und für Moorleichen hat. Nicht nur der Nachklang der Wende, sondern auch die Lebensbedingungen in den neuen Bundesländern bilden den Humus, auf dem Goyke seinen Roman gedeihen lässt und so scheint hier und da auch ein Stück deutsch-deutsche Gegenwart durch. © fdp

Frank Goyke: Mörder im Chat, 336 Seiten | Taschenbuch, Rostock 2013, ISBN 978-3-356-01574-4, 12,90 Euro



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