NEU IN DER BÜCHERECKE / BÜCHER UNSERER AUTOREN / BIOGRAFIEN / FOTOBÄNDE / HÖRBÜCHER
KINDER- u. JUGENDBÜCHER / LIFESTYLE / REISEBERICHTE / REISEFÜHRER / ROMANE / SACHBÜCHER

Von Ötzi und Apfelmus

Südtirol erfreut sich bei deutschen Touristen zunehmender Beliebtheit. Kein Wunder, man spricht Deutsch, man hat sich in Hotels und Restaurants dem Geschmack des zahlenden Publikums angepasst, man baut Verkehr und Infrastruktur aus. Dies geht zwar erheblich zu Lasten der Natur, und die sucht der Besucher natürlich in erster Linie in Südtirol, doch wer will im Millionengeschäft des Tourismus schon an morgen denken?

Das Land ist vielfältig. Es bietet Berge zum Klettern, Wandern und Skifahren, Täler und Ebenen zum Anbau von Weintrauben, Äpfeln und Birnen, Dörfer mit idyllischen Aussichten, alten Kapellen und einsamen Höfen, Städte mit Geschäften, Museen und Cafés. Vor einigen Jahren noch zeigte sich Südtirol altmodisch, kulturell zwischen deutsch/österreichisch und italienisch schwankend, seine wenig respektablen Abschnitte der Geschichte ignorierend und Auswärtigen gegenüber charmant grantelnd. Das hat sich geändert. Alles schick und modern jetzt, Hotels neu und voller Wellness, die Leute zweisprachig und freundlich, der Wein modern etikettiert und überteuert, die Äpfel groß und glänzend und rund. Kaum eine Region in Europa betreibt so aufwendiges und geschicktes Marketing.

Und das ist genau das Problem: Die Region verliert nicht allein ihre nostalgische Idylle, sondern ihren Charakter. An der Oberfläche glänzt alles wie die Äpfel, doch im Kern sind sie chemisch verseucht wie sonst nirgendwo. Der Wein mag jetzt in Flaschen mit modernen Etiketten abgefüllt werden, doch im Durchschnitt ist er nicht besser, sondern nur teurer geworden. Überall wächst der Beton in Form von Hotels und Ferienhäusern aus dem Boden, verschandelt die Landschaft und hinterlässt überforderte Hoteliers.

Im „Reisetaschenbuch Südtirol“ erfährt man nichts davon. Nun gut, den Reiseführerautoren wurde längst jede kritische Bemerkung ausgetrieben, doch dieser hier fällt in der eigentlich ganz guten Reihe nach unten durch. In schlichter Sprache beschreibt er was man sowieso sieht, stellt er sich bemerkenswert oberflächlich dar, kaum Hintergründe, wenig Geschichte, die sonst oft interessanten Kästen sind hier lediglich einigen Promis aus Gegenwart und Vergangenheit gewidmet. Stilistisch steht die Worthülse wunderschön im Vordergrund. Outdoor verdrängt Kultur, doch für Outdoor bräuchte man präzise Informationen, statt dessen verweisen die Autoren auf andere, eigene Bücher. Dafür wird die Geschichte von 500 Jahre alten Burgen in zehn Zeilen abgehandelt. Schade.

Südtirol ist als Urlaubsland aus dem Lot geraten, und das Reisetaschenbuch folgt diesem „Vorbild“.

fjk@saw

Reinhard Kuntzke, Christiane Hauch: DuMont Reisetaschenbuch Südtirol, Köln: DuMont Verlag 2009, 288 S., 14,95 Euro.

Dieses Buch bei Amazon kaufen:

zurück zur Übersicht "Reiseführer"