Die Gartenstadt Atlantic und Berlin
In der vorliegenden Veröffentlichung ist dankenswerter Weise vom beschämenden Prozess der Rückübertragung des Besitzes im Adenauer-Deutschland die Rede, nachzulesen im Beitrag „Karl Wolffsohn: Skizze einer Figur im Halblicht“. Der gleiche Autor widmet sich in seinem einleitenden Beitrag des Buches der kühnen Architektur Fränkels, der es verstand, die Tradition nicht gänzlich über Bord zu werfen und die Moderne nicht gar so radikal-funktional wie andere Zeitgenossen in die Tat umzusetzen. Insbesondere die von Fränkel konzipierte „„Lichtburg““, ein Kino für 2000 Menschen und in der Architektur „herausgezogen aus der Zeile und zu einem turmartigen Volumen gefasst“, vergleicht der Autor mit der Architektur der 1920er Jahre, die mit Namen wie Erich Mendelsohn verbunden ist. Das Universum am Lehniner Platz, nach der behutsamen „Erneuerung“ von der Schaubühne genutzt, wird in diesem Zusammenhang erwähnt. Betont wird von Zohlen außerdem die städtebaulich geschlossene Anlage der „Gartenstadt Atlantic“, ausgeführt als klassische Blockrandbebauung, die den Straßenraum betont und ihn nicht im Sinne von Le Corbusier durch Solitäre demontiert. Fränkel, so resümiert Zohlen, ist in einem Atemzug mit Behrens, Muthesius, Alfons Ancker und den Gebrüdern Luckhardt zu nennen, die alle maßgeblich die Architektur der 1920er Jahre bestimmt haben. Die Geschichte der „Gartenstadt Atlantic“, so erfährt der Leser, ist aber auch eine Geschichte des Abrisses – diesem fiel 1970 die „Lichtburg“ zum Opfer, nachdem sie über Jahre als Senatslager missbraucht wurde. Zudem steht die Weddinger Gartsenstadt auch für die soziale Schieflage und die Verslumung im Arbeiterbezirk Wedding. Auf diesen Aspekt gehen Benita Braun-Feldweg und Matthias Muffert in ihrem Beitrag ein, der zugleich ausführlich den Prozess der Modernisierung und Sanierung zwischen 2001 und 2005 behandelt. Ohne die Erben Rita und Michael Wolffsohn, den Enkel von Karl Wolffsohn , und deren finanzielles Engagement, wäre diese Sanierung nie zustande gekommen, wie die Autoren betonen. Aus welchen Beweggründen dieses Engagement der Erben entstanden ist, beschreiben diese in einem eigenen Statement. Wenn auch die „Gartenstadt Atlantic“ im Focus steht, so wird ein Blick auch auf Fränkels Schaffen in Berlin und Bukarest gerichtet. In zwei Beiträgen von Christina Thomson und Gerado Brown-Manrique wird diesem Schaffen nachgegangen. Wer sich für den Wohnungsbau der 1920er Jahre und für die Geschichte Berlins interessiert, sollte sich den vorliegenden Band, der aus Anlass einer Ausstellung über die „Gartenstadt Atlantic“ entstanden ist, unbedingt zulegen. Praktisch nutzbar ist er auch für das Aufspüren des Architekturerbes, das uns Fränkel in Schöneberg, am Wannsee, in Berlin Reinickendorf und am Schlosspark Berlin-Pankow hinterlassen hat. Leider fehlt dem Band ein Stichwort- bzw. Orts- und Personenregister, was die gezielte Suche des Lesers erleichtern würde. fdp@saw Rudolf Fränkel: Die Gartenstadt Atlantic und Berlin. Verlag Niggli. ISBN 10: 3-7212-0605-3, ISBN 13: 978-3-7212-0605-0. 36,00 Euro. |