Buchbespechung

Mit dem Wohnmobil durch BENELUX

Von Reisen träumen die meisten, denn angesichts von Pandemiewellen und Lockdowns ist das Alltagsleben weniger von Mobilität als von sozialer Distanz geprägt. So scheinen die nunmehr veröffentlichten Reiseführer auch ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein, oder? Man könnte in der zweibändigen Veröffentlichung jedoch einen Mutmacher sehen, macht sie doch Lust u. a. auf das Erkunden der belgischen Küste, von Brügge, Gent und Antwerpen, aber auch der Wallonie, die für viele Reisende eher „Terra Nullius“ ist, sprich ein weißer Fleck, sieht man von Lüttich einmal ab. Im weiteren geht es im Übrigen ausschließlich um den ersten Band des Wohnmobilreiseführers.

Michael Moll: MIT DEM WOHNMOBIL DURCH BENELUX - Band 1 - Unterwegs in Belgien und Luxemburg

Wichtig für Wohnmobilreisende sind die zusammengestellten Camping- und Stellplätze, einschließlich GPS-Daten, aber auch mit den Hinweisen auf Grauwasser- und Chemie-WC-Entsorgung. So ist der Adressenteil für die jeweilige Übernachtung sehr umfänglich. Das geht allerdings zulasten der touristischen Highlights, die bisweilen nur kurz und knapp abgehandelt werden. Manchmal ersetzen Namedropping und eine Adresse im Netz eine Beschreibung dessen, was den Reisenden im Museum xy oder am Ort z erwartet.

Dass bei den Tipps für Süßmäuler neben den Brüsseler Waffeln lediglich auf Chocolatier Godiva (Brüssel) eingegangen wird – und das bereits in der Einleitung -, befremdet schon. Was ist mit Leonidas, Marcolini oder Neuhaus? Gleichfalls in der Einleitung wird auf die RAVel in der Wallonie hingewiesen, ein ausgewiesenes System von Überlandradwegen und -wanderwegen. Doch auf das Knotenpunktsystem für Radwanderer in den Provinzen Limburg und Antwerpen erfährt man nichts. Ähnliches gilt auch für das Knotenpunktsystem bei den Wanderwegen im Hinterland der belgischen Küste. Nun ja, wenn man in einem Band Belgien und Luxemburg abhandeln möchte, kommt man schon in den Zwang der Auswahl und muss Mut zur Lücke haben.

Dass nicht allein die klassischen Städtereiseziele angerissen werden, sondern bei der Erkundung der Küstenregion auch der Naturpark Het Zwin als lohnenswertes Ziel aufgeführt wird, muss als Plus des Reiseführers herausgestellt werden. Gleiches gilt für die sogenannte Sahara von Lommel und den Nationalpark Hoge Kempen mit unterschiedlichen Zugängen, so auch bei Maasmechelen. Für viele Besucher von Maasmechelen steht aber – und das erwähnt der Autor auch – das Naturerlebnis nicht im Vordergrund, sondern das Shoppingerlebnis in den zahlreichen Boutiquen im Schatten der stillgelegten Fördertürme des einstigen limburgischen Kohlereviers. Dass auf der Reise durch Flandern die Beginenhöfe und die Glockentürme sehenswerte Ziele sind, ist keine Frage, handelt es sich doch um Stätten des Weltkulturerbes der UNESCO. Ausgesprochen ausführlich und für einen Reiseführer doch recht ungewöhnlich ist das Kapitel zur dunklen Geschichte des 20. Jahrhunderts angelegt. Dazu gehört nicht nur der Besuch des interaktiven Museums „In Flanders Fields“ in Ypern, sondern auch die Kurzbeschreibung zahlreicher Soldatenfriedhöfe. Darunter ist auch der, auf dem der Sohn der bildenden Künstlerin Käthe Kollwitz bestattet wurde. Für diesen hat Käthe Kollwitz eine Skulpturengruppe eines trauernden Elternpaars konzipiert.

So kursorisch die sehenswerten Städte in Flandern behandelt wurden, so wurden auch die Sehenswürdigkeiten in der Wallonie nur angerissen. Gewiss die Kathedrale von Tournai und auch der Belfried finden Aufnahme in der Beschreibung, doch das TAMAT (Musée de la Tapisserie) kommt in dem Abschnitt zu Tournai gar nicht vor und das, obwohl die Stadt einst Hochburg der Wandteppichweberei war. Dass sich der Autor mit der industriellen Siedlung Grand Hornu und den historischen Schiffshebewerken am Canal du Centre befasst, ist lobenswert, denn Industriekultur gilt ja nun nicht gerade als Hochkultur! Noch etwas sticht im Kapitel zur Wallonie heraus: Mit der Erwähnung des Mardasson-Denkmals bei Bastogne setzt der Autor einen weiteren historischen Stolperstein, erinnert dieses Denkmal doch an die Gräueltaten während der Ardennen-Schlacht, ist also Teil der gern verdrängten jüngeren Geschichte!

Am Schluss des ersten Bandes des Reiseführers geht es per Wohnmobil ins Großherzogtum Luxemburg. Dabei bekommt der Leser eher den Eindruck, man könne das Land sozusagen mit Siebenmeilenstiefeln schnell durchqueren, um mal hier und da ein Schloss wie das von Vianden oder Beaufort zu besuchen oder die Kasematten von Luxemburg-Stadt in Augenschein zu nehmen. Insgesamt scheint dieser Buchabschnitt wirklich wie ein Appendix, der entbehrlich ist, oder?

© ferdinand dupuis-panther

 

Michael Moll: MIT DEM WOHNMOBIL DURCH BENELUX - Band 1 - Unterwegs in Belgien und Luxemburg, 192 Seiten, ISBN 978-3-86712-163-7, 15 Euro

 

Reisemagazin schwarzaufweiss