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Auf Pilgerfahrt in Pakistan

Auf Pilgerfahrt in PakistanDer Ethnologe und Islamwissenschaftler Jürgen Wasim Frembgen ist Leiter der Orientabteilung am Staatlichen Museum für Völkerkunde in München. Jedes Jahr hält er sich zu Forschungszwecken in Pakistan auf, und häufig verbindet er damit den Besuch eines religiösen Festes. In Pakistan (wie auch in Indien) pilgern zigtausende Menschen zu solchen Festen, gleich von welcher religiösen Gruppe sie veranstaltet werden. Viele wollen vor allem Geschäfte machen, andere suchen religiöse Erfüllung oder Erleuchtung, und die meisten geben sich einfach dem Feiern und Ausschweifungen aller Art hin, als Abwechslung vom sonst recht kargen Leben in den ländlichen Gebieten jener Region.

Schon der Weg ist beschwerlich: überfüllte Züge und Busse allenthalben, in denen sich Frembgen von Lahore im Osten Pakistans zunächst nach Hyderabad in der südlichen Küstenprovinz Sindh aufmacht und dann in die Kleinstadt Sehwan etwas weiter nördlich. Dort befindet sich das Mausoleum des Lal Schahbas Qalandar, eines von Geschichten und Mythen umrankten Heiligen, der im 13. Jh. gelebt haben soll. Er wird vor allem von Schiiten verehrt, die jedes Jahr im September oder Oktober die sonst verschlafene Stadt in einen See aus Menschen verwandeln.

Der zum Islam konvertierte Autor beschreibt, teilweise in großer Genauigkeit, was er fünf Tage und Nächte lang erlebt, wie er sich durch die Straßen quetscht, wie er an Erfrischungsständen Tee trinkt, was er isst, wo er schläft und was er beobachtet. Er erlebt die Menschen dort wie eine große Familie, in der man sich gegenseitig hilft und respektiert und deren Teil er werden möchte und kann, denn er spricht Urdu, trifft eine Reihe von Freunden und Helfern und kennt sich in den religiösen Gepflogenheiten aus.

Vor allem zieht es Frembgen immer wieder zu den Derwischen, die im Glossar definiert werden als frei und ungebunden lebende Mystiker und Asketen, die einer organisierten Bruderschaft angehören können oder auch nicht. Und wenn man dem Autor glauben kann, dann konsumieren sie bei solchen Festen Unmengen an berauschenden Drogen, und auch die Tänze dienen der Ekstase und Trance. Hier wird ein sehr lebensfroher Islam gezeigt, der immer wieder mit dem strengen Islam der Buchgelehrten, Moscheevorsteher und religiösen Eiferer kontrastiert wird. Und wenn man die Mythen und Geschichten liest, die dort erzählt werden, wenn man die vielen Heiligen und Wundertäter des Volksislam Revue passieren lässt, dann bieten sich vielerlei Parallelen zu anderen Religionen an, nicht zuletzt zum Katholizismus, in dem oft dieselben Legenden mit anderen Namen verbreitet werden.

Hier wird auch ein Defizit des Buches deutlich. Zum Schluss bekennt Frembgen, dass er mehr mit dem Herzen und weniger mit dem Verstand sehen will. Das mag für ihn persönlich erfüllend sein, wie Religion die Privatangelegenheit eines jeden ist. Für den Leser ist dies aber weniger von Interesse, er hätte lieber etwas mehr kritische Distanz zu solchen die Sinne berauschenden Festen, die ja auch dazu dienen, genau den Verstand der Menschen auszuschalten und sie in ihrer Abhängigkeits- und Leidenssituation zu belassen. Gern hätten wir in diesem Buch mehr an den Kenntnissen des Ethnologen und Islamwissenschaftlers partizipiert.

fjk@saw

Jürgen Wasim Frembgen: Am Schrein des roten Sufi: Fünf Tage und Nächte auf Pilgerfahrt in Pakistan. Frauenfeld: Waldgut 2008. ISBN 978-3-03740-389-1. 16,00 Euro.

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