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Grauzone zwischen Erster und Dritter Welt -
oder: Links und rechts des Río Grande

Bemerkenswert sind zum Beispiel die Fremdsprachentexte, denn darin wird zeitgenössische Literatur im Original vorgestellt und mit einem handlichen Vokabel-Glossar versehen. Ein besonderes Lesevergnügen bietet ein Bändchen mit mexikanisch-amerikanischen Kurzgeschichten, denn hier treffen gleich zwei Sprachen, Englisch und Spanisch, im Original aufeinander. Ein wenig Englisch sollte man dafür schon verstehen, aber die schwierigen Worte werden erklärt und auch sämtliche spanischen Begriffe und Phrasen sind im Glossar übersetzt. Mit diesem Handwerkszeug kann man sich auf eine tiefgründige, lehrreiche und doch auch unterhaltsame Reise begeben, die links und rechts des Río Grande abläuft. Und das für einen wahrlich bescheidenen Preis von vier Euro achtzig.

Die Geschichten der hier präsentierten Autoren, die selbst „Chicanos“ sind, also Mexikaner in den Vereinigten Staaten, handeln von Saisonarbeitern auf Erdbeerfeldern und in Weinbergen, handeln von genuin Mexikanischem und typisch Amerikanischem, von nostalgischen Erinnerungen an eine verlorene und verlassene Heimat. Es gibt traurige Reminiszenzen an die großen, von den spanischen Konquistadoren zerstörten Hochkulturen Mittelamerikas, und besonders bedrückend erlebt man die interkulturellen Begegnungen, bei denen beide Seiten eigentlich guten Willens sind und sich doch nicht verstehen.

Für die „Chicanos“ gibt es keinen Staat, nicht einmal ein festes Territorium. Sie kommen und gehen und gelten diesseits und jenseits der Grenze deshalb als „floating population“. Sie klammern sich heute in einem kleinen Dorf in der mexikanischen Sierra an eine kümmerliche Existenz und werden morgen ins Großstadtleben von Chicago oder Los Angeles geworfen. Sie haben zwei Heimatländer, die beide keine richtigen sein können, und sind deshalb im Endeffekt heimatlos. Sie bewegen sich in einer Grauzone zwischen Erster und Dritter Welt, die in den Kurzgeschichten der mexikanisch-amerikanischen Autoren eindrucksvoll bebildert wird.

vm@saw

Mexican-American Short Stories, hg. von Marga Munkelt, Reclam Verlag 2004. ISBN 3-15-009124-1, 180 Seiten, 4,80 Euro.

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