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La Grotte

Hannover, ansonsten eher als konservativ bekannt, hegt dennoch eine überhaupt nicht heimliche Liebe zu den Werken Niki de Saint Phalles. Und das schon seit jenen Jahren, als die schreiend-bunten Skulpturen der am 22. Mai 2002 verstorbenen Künstlerin andernorts noch als obszön, pervers sogar verschrien waren. Dem zum Trotz außerdem im Gegenwind deutlicher Bürgerproteste blieb die niedersächsische Metropole ihrer de Saint Phalle –Affinität treu, dem Himmel sei Dank, möchte man hinzufügen.

Sein einigen Wochen nun hat Hannover eine neue Attraktion in den Herrenhäuser Gärten: die von Niki de Saint Phalle gestaltete Grotte. Zehntausende haben dieses Kunstwerk bereits besucht. Und rechtzeitig zur Eröffnung des achteckigen Mittelraums und der beiden links und rechts anschließenden Räume der Grotte, die nun durch Mosaike aus buntem Glas und Spiegeln sowie mit zahlreichen plastischen Figuren geschmückt sind, hat der Hatje Crantz Verlag einen bemerkenswerten Text- und Bildband zu Nikis letztem Werk herausgegeben.
La Grotte.

Daint Phalle

Neben Hans-Georg Preissels Beitrag „Der Große Garten zu Herrenhausen mit seiner historischen Grotte“ sind Ulrich Krempels Ausführungen unter dem Titel „Grotten, Höhlen, begehbare Skulpturen im Werk der Niki de Saint Phalle“ und Pierre Marie Lejeunes „Wo das Magische greifbar wird“ besonders hervorzuhebende Beiträge zur Geschichte der Gartenkultur in Hannover und zur künstlerischen Karriere der Niki de Saint Phalle. Preissel gibt in seinem Beitrag einen umfassenden Überblick über die Geschichte des Herrenhäuser Gärten, die ohne die Übersiedlung der Herzöge des Hauses Braunschweig-Lüneburg und die Hofgärtner Henry Perronet und Martin Charbonnier nie geschaffen worden wären. „Nur mit dem Herrenhäuser Garten können wir prunken, der in der That schön und wohl gehalten ist.“, schrieb Kurfürstin Sophie. Unter ihrer Ägide begann die umfangreiche Ausweitung der Herrenhäuser Gärten.

Über die Jahrzehnte der Geschichte – Zerstörung und Restaurierung folgten einander in steter Reihenfolge – skizziert Preissel Wohl und Wehe eines der Juwelen der einstigen Residenzstadt Hannover. Auch die Geschichte der Grotte findet in dem Aufsatz Preissels breiten Raum, so dass wir als Leser auch erfahren, wie die Grotte einst ausgeschmückt war: Michael Riggus stattete sie im Inneren mit Schneckengehäusen, Muschelwerk, Erzen, Kristallen aus, die in schwarzem Kalkputz verlegt waren. Nun aber funkeln die Mosaike der Niki de Saint Phalle an ihrer Stelle. Und welche Farbenpracht heute zu sehen ist, dokumentieren die zahlreichen brillante Farbaufnahmen der Eingangshalle, der Blauen und der Silbernen Grotte.

Ulrich Krempel, dem Direktor des Sprengel Museums, ist zu verdanken, dass die künstlerische Entwicklung Niki de Saint Phalles hier nach zu vollziehen ist. Dass diese aus Frankreich stammende und zuletzt in San Diego beheimatete Künstlerin nicht nur durch Schießbilder für Furore sorgte, sondern auch durch ihre vollbrüstigen, rundhüftigen Nanas – dies unterstreicht Krempel in seinem Beitrag explizit. Auch geht er auf die begehbaren plastischen Arbeiten de Saint Phalles ein, sei es die liegende „Sie“, die 1966 im Moderna Museet in Stockholm die Massen anzog, oder der 1990 erstmals konzipierte Meditationsraum „Tête de mort“. Auch Kunst im öffentlichen Raum bestimmte Nikis Schaffen, so die Arche Noah, ein großer Spielplatz mit Tierskulpturen in Jerusalem, oder der Tarot-Garten in der Toskana. Für Krempel ist daher die Ausgestaltung der Grotte nur ein Mosaiksteinchen auf dem künstlerischen Lebensweg Niki de Saint Phalles.

Intimer noch, beinah hautnah kann der Leser die Arbeit Niki de Saint Phalles an der Grotte durch die Erläuterungen Pierre Marie Lejeunes nachvollziehen. Lejeune, ein enger Vertrauter der Künstlerin, war es nämlich, der für die praktische Umsetzungvon „La Grotte“ verantwortlich war.

Bild- und Textteile der vorliegenden Veröffentlichung stehen in einem ausgewogenen Verhältnis zu einander und machen Lust, nach Hannover zu kommen, um in die kühlen „Glitzerwelten“ der Niki de Saint Phalle abzutauchen, und das beileibe nicht nur als angenehme Abwechslung an heißen Sommertagen.

fdp@saw

Niki de Saint Phalle: La Grotte (Hrsg. Landeshauptstadt Hannover, Sprengel Museum), Hatje Crantz Verlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-7757-1308-5, Preis: 16,80 Euro

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