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Wasserschildkröten, Windmühlen und Rum-Shops

Barbados ist weit mehr als nur eine Badeinsel

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Barbados - Strand an der Ostküste

Kristallklares Wasser, weiße Sandstrände mit sanften Wellen, faszinierende Tauch– und Schnorchelspots und eine grandiose Unterwasserwelt – daran denken viele, wenn sie in die Karibik reisen – und all das ist dort durchaus auch anzutreffen. Doch wer nach Barbados fährt, auf die östlichste Insel der kleinen Antillen, der ist gut beraten, nicht nur Sonne und Strand zu genießen – sondern die Insel und ihre Umgebung auch aktiv zu entdecken. Sei es bei einer Inselsafari im Landrover, einer geführten Wanderung von Chalky Mount zum Barclays Park im Osten der Insel - oder bei einer Katamaranfahrt, bei der die Besucher an einem der Haltepunkte gemeinsam mit grünen Meeresschildkröten durchs Wasser schwimmen können.

„Hello Honey“ begrüßt Jeepfahrer und Island-Safari-Guide Ruel Stanford jede zweite Passantin, die er von seinem Fahrersitz aus am Straßenrand sieht - und meist erhält er ein fröhliches „Hello sugar“ zur Antwort. Dass die Geschichte der Karibikinsel Barbados eng mit dem Thema Zucker verknüpft ist, zeigt sich während der Jeepfahrt durchs Inselinnere schnell – dort wächst vielerorts noch immer das Zuckerrohr, eine Pflanze, die den britischen Siedlern auf Barbados einst zu immensem Wohlstand verholfen hat. Und in mehreren Destillerien brennen die Insulaner noch immer hervorragenden Rum, eine Tradition, mit der auf der Insel bereits im Jahr 1703 begonnen wurde.

Mit dem Jeep über die Insel

Barbados - Morgan Lewins-Windmühle im Inselbezirk St. Andrew

Doch auf der Island-Safari im Jeep lässt sich weit mehr entdecken, etwa der fast menschenleere Norddistrikt St. Lucy, die malerische Little Bay im Nordwesten der Insel, in der schwarze Felsen und Klippen mehrere kleine Naturpools formen oder die an Holland anmutende Morgan Lewins-Windmühle im Inselbezirk St. Andrew, eine ehemalige Zuckermühle, die bis 1947 in Betrieb war. Die elf Bezirke der knapp 34 Kilometer langen und 22,5 km breiten Insel, die zu den kleinen Antillen gehört, sind allesamt nach Heiligen benannt, und so gerät die Jeepsafari mit Ruel Stanford zu einer Rundfahrt durch den Heiligenkalender: wir starten in St. James, in Holetown an der so genannten Platinküste, wo sich am Anfang 1626 die ersten britischen Siedler niederließen, fahren weiter nach St. Peter, genießen die Aussicht in St. Lucy und besuchen den Distrikt St. Andrew im Norden der Insel, einen hügligen und bergigen Bezirk, der die britischen Siedler an die schottischen Highlands erinnerte – und der deshalb noch heute der Scotland-Distrikt genannt wird. Auch das Schicksal der Wälder erinnert an die abgeholzten und kahlen Bergrücken in Schottland – allerdings wurden die Bäume hier nicht gefällt, um das Holz für den Schiffsbau nutzen zu können, sondern um Land zu gewinnen für den Zuckerrohranbau.

Barbados - Strand im Osten der Insel

Nach einem Aussichtstopp steuert Ruel Stanford den Jeep, auf dessen Ladefläche zehn Besucher sitzen, hinunter zur Ostküste – zuerst zur Walkers Beach und anschließend zur Cattle Wash Beach. „Die Walkers Beach heißt so, weil man an diesem Strand, so wie an vielen Stränden an der Ostküste, nur laufen kann, aber nicht schwimmen, und bei Cattle Wash wurden früher die Kühe zum Waschen ans Meer gebracht“, erläutert Ruel Stanford. Eine Namensgebung nach einfachen Regeln. Das gilt auch für den originellsten Rum-Shop im Bezirk St. Andrew, die Nigel Benn Auntie Bar. Sein Name ist Programm – denn der Rumshop gehört der Tante des ehemaligen britischen Mittelgewichts-Boxchampions Nigel Benn. „Drink Rum and keep it simple“, dieses Prinzip, so versichert Ruel Stanford, gilt auf Barbados, einer Insel, die weit mehr ist als nur eine Badedestination, nicht nur bei der Namensvergabe. Kurz darauf hält er in der Nähe des Roundhouses im Ostküstenort Bathsheba im Inselbezirk St. Joseph zum Picknick an – und öffnet eine Kühlbox, in der sich zwei große weiße Plastikkanister befinden. Einer von ihnen ist gefüllt mit Fruit Punch, der nächste enthält Rum Punch, einem Mixgetränk, das auf Barbados auch Jungle Juice genannt wird. „Wenn ihr beim Weiterfahren Wasser oder Saft verschüttet, ist das okay, wenn ihr jedoch Rum verschüttet, wäre das Alkohol-Missbrauch“, mahnt Ruel Stanford, bevor er zum sportlichsten Abschnitt der Inselsafari antritt und den Jeep auf einem matschigen Waldweg den Hügel entlang durch den Wald jagt – so dass sämtliche Mitfahrer etliche Lehmspritzer abbekommen.

Babados - Jeep

Wandern auf Barbados

Die Island Safari ist jedoch nur eine Möglichkeit, Barbados jenseits der Badestrände an der Süd- und an der Westküste kennen zu lernen. Wer sich nicht im offenen Geländewagen über holprige Pisten schaukeln lassen will, für den empfiehlt sich eine geführte Hiking-Tour von Chalky Mountain nach Barclays Park. Diese Wanderung führt durch den landschaftlich faszinierendsten Teil der Insel, den Scotland Distrikt. Sie beginnt im Bergdorf Chalky Mount, einem Zentrum des Töpfereigewerbes. Die kalkhaltige Erde in der Umgebung liefert den Töpfern ideales Rohmaterial. Doch die Bedeutung der Handarbeit schwindet auch in der Karibik. Früher, so erläutert der erfahrene Töpfer John Springer, gab es im Ort zwölf Betriebe, heute jedoch sind nur noch drei davon übrig. Eine Spezialität des Tonkünstlers, der auch an der Töpfereischule unterrichtet, ist ein speziell geformter Tonkrug, der seinen Inhalt beachtlich lang kühl hält. Auf Barbados trägt dieser traditionelle Krug, der in der Zeit, in der es noch keinen elektrischen Strom gab, äußerst populär war, den Spitznamen „monkey“.

Barbados - Landschaft zwischen Chalky Mountain und Barclays Park

Nicht weit von John Springers Töpferwerkstatt entfernt, zeigt uns Victor Cooke, ein erfahrener Wanderführer und Tourist-Guide, ein so genanntes Chattel House, ein Haus in einfacher Holzbauweise, das typisch ist für Barbados. Denn nach der Sklavenbefreiung im Jahr 1838 hatte die aus der Sklaverei entlassenen Schwarzen in der Regel kein Geld, um sich Land zu kaufen. Irgendwo jedoch mussten sie wohnen – und so erlaubte ihnen der Plantagenbesitzer, bei dem sie beschäftigt waren, meist, auf seinem Land ein kleines Häuschen aufzustellen. Dieses wurde jedoch ohne Fundament errichtet, damit es zerlegt und per Ochsenkarren weitertransportiert werden konnte, falls der Besitzer seinen Arbeitgeber wechseln wollte. Heute sind die einfachen Häuser, die häufig direkt nebeneinander gebaut wurden und die an ihrer Vorderfront meist nur eine Tür und zwei Fenster haben, noch immer in vielen Orten anzutreffen – wenngleich die Holzbauweise zunehmend durch Steinbauten ersetzt wird.

Barbados - Chattel House

Bei einer Wanderung mit Victor Cooke erfährt der Besucher auch, wie der Schottland Distrikt auf Barbados entstanden ist. Die gesamte Insel Barbados hat sich vor rund 600.000 Jahren allmählich aus dem Meer erhoben, sie war durch das Aufeinanderprallen zweier tektonischer Platten regelrecht nach oben gedrückt worden. Das Erdreich im Norden der Insel stammt vor allem aus dem rund 500 Kilometer entfernten Venezuela und besteht aus Sedimenten aus dem Orinoco-Delta, die vom Meer hierher transportiert wurden. „Ich hoffe, dass niemand dem venezolanischen Präsidenten Chavez verrät, dass wir in Barbados eigentlich zum Teil auf venezolanischem Boden stehen“, beteuert Victor Cooke, bevor er seine Gäste – vorbei an mannshohen Kakteen und in Wiesen weidenden Kühen – bergab Richtung Küste führt. Unsere Wandertour endet an einem langen Sandstrand an der rauen Ostküste der Insel. Diese Seite von Barbados ist vor allem ein Eldorado für Surfer, Schwimmen hingegen ist nur eingeschränkt möglich – an den falschen Stellen ist es sogar lebensgefährlich.

Barbados - Strand an der rauhen Ostküste

Tauchen mit den Schildkröten

Die touristischere Seite der Insel, die belebte Westküste mit ihren zahlreichen Badestränden, erkundet man idealerweise vom Meer aus – zum Beispiel bei einer Fahrt auf der „Dream of Barbados“, einem Luxuskatamaran, der täglich von der Shallow-Draught Docking Area in der Nähe der Hauptstadt Bridgetown aus für mehrere Stunden in See sticht – und dabei erst einmal vorbei zieht an der Küste der Reichen und Schönen, an der die Häuser mindestens zwei Millionen US-Dollar kosten und an der sich Stars wie Cliff Richard und der Casting-Show-Pionier Simon Cowel längst eine großzügige Villa als Hideaway und als Fluchtpunkt vor dem schmuddligen britischen Winter gesichert haben. Nach zwei eher unspektakulären Schnorchelstopps wirft die „Dream of Barbados“ ein drittes Mal den Anker. Nun ist es soweit – der 36-jährige Tony steigt ins Wasser, er hat einen Beutel mit Fischresten dabei, die er ins Wasser wirft, um grüne Meeresschildkröten anzulocken. „Ich komme seit sieben Jahren jeden Tag hierher, ich spüre, die Schildkröten kennen mich“, erklärt Tony. Und in der Tat – es vergehen nicht einmal drei Minuten, da schwimmt ein erster Schildkrötenkopf fast direkt auf meine Tauchermaske zu. Tony empfiehlt, den Schildkröten in solchen Fällen keinesfalls die Finger entgegenzustrecken. „Sie können zwar keine Finger abbeißen, aber sie können mit ihren kleinen Zähnen recht ordentlich zubeißen – und wenn man dann den Finger wegzieht, dann tut es ziemlich weh. Erst letzte Woche hat mich eine hier in den Finger bissen, das war sehr schmerzhaft, am liebsten hätte ich geweint, aber ich habe mich zusammengerissen, denn wir hatten ja Gäste an Bord“, berichtet Tony. Etwa fünfzehn Minuten dauert der Stopp bei den zutraulichen Schildkröten, die sich zuweilen in zwei, drei Meter Tiefe, zuweilen aber direkt unter der Wasseroberfläche aufhalten. „Eigentlich leben elf Schildkröten hier in der Bucht, aber manchmal kommen auch mehr“, erläutert Tony, der weiß, dass sich die Seeschildkröten nicht nur hier in der Bucht aufhalten, sondern auch im Norden der Insel, in der Nähe des Ortes Oistins. „Dort gibt es viele Fischrestaurants, die regelmäßig Fischreste ins Wasser werfen – das zieht die Schildkröten an“, verrät Tony.

Barbados

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