Auf dem Vulkan

Auf den Azoren unterwegs

Text und Fotos: Beate Schümann

 

Azoren - Blick auf den Vulkan Pico

Selbst wenn man ihn nicht sieht, ist der Pico allgegenwärtig. Er kann sich tagelang hinter Wolken oder Nebel verbergen. Und plötzlich steht der Vulkan vor einem, in voller Größe und Präsenz. Schön, bedrohlich, unwiderstehlich. Unter Aktivsportlern gilt der Berg noch als Geheimtipp. Doch das könnte sich ändern.

Die Besteigung beginnt im Naturpark auf 1.200m Seehöhe. Erst spaziert der Wanderer an zarten Bodenblühern und mannshohen Besenheiden vorbei. Dann arbeitet er sich auf rutschigem Basaltsplitt in Schlangenlinien steil aufwärts. Auch Renato Goulart ist wieder unterwegs. Ihn treibt ein brennender Ehrgeiz auf den Giganten. Über 1800 Mal ist der Bergführer schon auf die Kraterspitze gerannt und will die 2351 noch voll machen – so hoch ist der der Gipfel. Wofür der normale Wander sechs Stunden benötigt, dafür braucht „Stahlwade“ nur anderthalb. Er trainiert für den Azores Trail Run, den Zwei-Insel-Marathon mit Vulkanroute, der im Mai stattfindet.

Azoren - Flamínio Alberto Costa auf dem Vulkan Pico

Der Pico ist der höchste Berg Portugals und liegt mitten im Atlantik. Die zweitgrößte Azoreninsel heißt nicht umsonst wie er. „Er ist die Insel“, sagt Flamínio Alberto Costa. Der mächtige Kegel macht sich so breit, dass er den Menschen nur den schmalen Küstenstreifen zum Leben lässt. Gespuckt habe er seit Ewigkeiten nicht, erzählt der gebürtige Picaroto. „Aber er lebt, er schläft nur“, ist der Vulkanologe überzeugt.

An der Küste hat der Vulkan deutliche Spuren hinterlassen. Als der Feuerberg vor fast 300 Jahren zuletzt ausbrach, machte er über Nacht Lebenswerke zunichte. Die entstandenen Lavafelder, für die die Bewohner keine Erklärung fanden, nannten sie Mistérios, Rätsel. Mehrmals walzten glühende Basaltmassen über den Boden. Zurück blieben seltsame Formationen wie Schlauch-, Wulst- und Stricklava bei São João, Prainha und Lajido de Santa Luzia.

Azoren - Insel Pico - Haus aus Basaltgestein

„Basalt ist unser Leben“, sagt Costa. Die Picarotos nutzen ihn als Baustoff für ihre Häuser und die raffinierten Mauern, mit denen sie ihre Reben bis heute vor dem scharfen Seewind schützen. Wie ein engmaschiges Spinnennetz überziehen hüfthohe Einfriedungen am westlichen Küstensaum das Land. Die ungewöhnliche Weinlandschaft gehört seit 2004 zum Unesco-Welterbe, ein Qualitätsweingebiet ist Pico aber bereits seit 1994. Der wärmespeichernden Lava verdankt der weiße Verdelho seinen guten Ruf, der Süßwein von Lajido ist eine Spezialität.

Wer nicht genug vom Vulkan bekommen kann, darf sogar in seine Eingeweide vordringen. Durch ein zugewuchertes Einsturzloch steigt der Besucher mit Schutzhelm und Stirnlampe in die Gruta das Torres zu einem 45 minütiger Rundgang in völlige Dunkelheit. „Auf Pico sind 130 Höhlen identifiziert“, sagt Luís Freitas, Geologe und Höhlenguide. Diese sei mit fünf Kilometern die längste.

Auf den neun Azoreninseln kommt man überall mit unterschiedlichen vulkanischen Phänomenen in Berührung, am Intensivsten auf den Zentralinseln Pico, São Jorge und Faial, dem sogenannten Triângulo. Die Inseln verdanken ihre Existenz vulkanischer Kraft. Die Landtupfer über dem glitzernden Ozean sind nur die Spitzen einer submarinen Gebirgswelt. Tief unten treffen drei tektonische Kontinentalplatten aufeinander, die an den dünnen Stellen aufbrechen und glühendes Magma emporschleudern können. Das geschah vor mehr als vier Millionen Jahren. Plötzlich gab es im Atlantik 2346 Quadratkilometer mehr Land.

Azoren - Insel Pico

Mit der Fähre sind es nur dreißig Minuten von Pico nach São Jorge. Auch dort hat der Aufruhr der Elemente eine eigene Anatomie hinterlassen, die Fajãs, Lavazungen, die sich an den Rändern der Steilküste gebildet haben. Über vierzig wurden damals nach Eruptionen auf dem Wege ins kalte Meer gestoppt und später von Pflanzen herrlich grün überwachsen – heute sind es einsame Plätze für Philosophen, Träumer oder auch Kaffeesträucher. Das Gefühl für Zeitlosigkeit lernt man auf den kleinen Inseln schnell kennen - diese hat keine 250 Quadratkilometer.

Die besten Grundstücke auf São Jorge gehören den Rindern. Wo andernorts Siedlungen dicht an dicht liegen, grast hier das Vieh. Tausende Kühe sorgen so für den Rohstoff des berühmten Käses Queijo de São Jorge. Während auf Faial kilometerlange Hortensienmauern die Weideflächen einfassen, trennt hier die Besenheide die Koppeln ab. Die knorrige, bis zu drei, vier Meter hohe Erica Azorica gibt der ohnehin rauen, grünen Landschaft einen noch grüneren Anstrich.

Grasgrün ist für São Jorge die charakteristische Farbe, für Pico Basaltschwarz, für Faial Aschegrau, jedenfalls im Inselwesten. Vor der Pfarrkirche des Hauptortes Horta bietet sich Taxifahrer Tony Carvalho, der eigentlich António heißt, aus dem offenen Fenster für eine Inseltour an. Tony spricht gutes Englisch, weil er lange in Kalifornien lebte. Am Rückspiegel baumeln ein Kreuz und eine Christusfigur. „Nur für den Notfall ...“, sagt er.

Azoren - Insel Pico - Leuchtturm von Capelinhos

Zu Tonys Programm gehört immer der Inselwesten, wo man einem besonderen Bild der Naturgewalten begegnet. „Die Erde bebte und zitterte wochenlang wie ein Mehlsieb“, erinnert sich Senhor Tomás Matos, der den Vulkanausbruch vom Ort Capelos aus als junger Mann beobachtet hatte. „Aschefontänen von 2000 Metern Höhe schossen aus dem Meer“, berichtet er fasziniert vom spektakulären Schauspiel, das sich am 27. September 1957 ereignete. Ein Jahr lang spuckte der Vulkan. Dann erlosch er. Der Leuchtturm von Capelinhos versank in Asche. 2008 wurde der Turm freigeschaufelt, so dass man ihn besteigen kann. Im Untergrund dokumentiert ein modernes Besucherzentrum den Vulkanausbruch und das schwere Erdbeben von 1998. Den Ausbruch in seinen zehn Phasen macht eine Hologramm-Show eindrucksvoll sicht- und hörbar. „Schlimmer als die Zerstörung der Häuser war, dass der Boden durch die Asche auf Jahre unfruchtbar wurde“, sagt die Geologin Salome Menezes im Museum. Angst vor den Vulkanen hat Menezes nicht. Sie meint vielmehr: „Wären sie nicht, wären die Inseln nicht.“

Azoren - Insel Pico - Marina in Horta

Zurück in Horta rät Tony, unbedingt zur Marina zu gehen. Elegant und gischtweiß dümpeln hier schnittige Jachten. Für Atlantiküberquerer ist Faial eine Pflichthaltestelle. Nach Tagen auf hoher See betreten Segler und Weltenbummler erstmals wieder festen Boden. „Wir füllen unsere Kombüsen auf, erledigen Reparaturen“, sagen zwei Schiffseigner aus Belgien.

Später trifft man sich in Peter‘s Café Sport wieder, wo sonst. Nur hier gibt es Live-Musik, dazu den obligatorischen Gin Tonic. Unten an der Mole, wo Skipper vor dem Auslaufen ein Graffiti auf der Kaimauer hinterlassen, um für eine gute Fahrt zu erbitten, blickt man noch einmal übers Wasser und auf den ebenmäßig geformten Vulkan auf der gegenüberliegenden Insel. Hoheitsvoll und mächtig ragt der Pico aus dem Meer, als wäre wirklich nur er die Insel.

Azoren - Peter‘s Café Sport in der Marina von Herta auf der Insel Pico

 

Reiseinformationen

Anreise

Mit der TAP Air Portugal nach Lissabon, www.flytap.com, mit der SATA von Lissabon nach Pico, www.sata.pt.

Fährverbindung zwischen Faial, Pico nach São Jorge: Linha Verde (Green Line), www.atlanticoline.pt.

Über Nacht

Das Portal www.casasacorianas.com bietet individuelle Quartiere, meist restaurierte Herrenhäuser im ländlichen Raum, ua. für Pico, São Jorge und Faial.

Casa do Comendador, São Roque do Pico, Pico, www.casadocomendador.com. Ein gemütliches, ländliches Quartier, ohne auf Komfort zu verzichten.

A Casa do Lado, Rua D. Pedro IV., Horta, Faial, www.acasadolado.com. Freundliche Pension in der Altstadt, die auf regionale Akzente setzt.

Essen & Trinken

O Ancadouro, Areia Larga, Rua João L.W.Terra, Madalena, Pico, Tel. 00351-292-623 490. Szenig, exzellente Küche, wohl eines der besten Restaurants der Azoren.

Velense, Rua Dr. José Pereiro 5, Velas, São Jorge, Te. 00351 295 412 160. Gutes Fischrestaurant in einem alten Stadthaus.

Peter’s Café Sport, Rua José Azevedo 9, Horta, Faial, www.petercafesport.com.

Genuíno, Areinha Velha, Horta, Faial, Tel. 00351-292- 701542. Souvenirs eines Weltenbummlers als Deko, Fisch als Spezialität.

Ansehen

Centro de Interpretação da Gruta das Torres, Criação Velha, Pico, http://parquesnaturais.azores.gov.pt/pt/pico/, Höhlenbesichtigung: 7 Euro.

Centro de Interpretação do Vulcão dos Capelinhos, Faial, http://parquesnaturais.azores.gov.pt/pt/faial/, Eintritt 10 Euro, mit Turmbesteigung.

Aktivitäten

Pico-Besteigung: z.B. Bergführer Flamínio Alberto Costa, Tel. 00351-965 418 418. Azores Trail Run, Marathon-Lauf auf Pico und Faial, www.azorestrailrun.com.

Reiseveranstalter

z.B. Reisen mit Sinnen, www.reisenmitsinnen.de/atlantik/azoren/reisen.

 

Website der Autorin: www.beate-schuemann.de

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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