Aserbaidschan im Überblick
Mit dem aserbaidschanischen Generalthema Erdöl ist eine viel ältere Geschichte verbunden als man gemeinhin annimmt, denn schon in der Antike waren seine Vorkommen bekannt und auch sein Nutzen, sei es als Konservierungsmittel und Brennstoff oder als Nahrung für die Flammen in den zoroastrischen Feuertempeln, wo der Zarathustra-Kult der reinigenden Wirkung des Feuers huldigte.
Apsheron, die Halbinsel vor Baku, war der sprudelnde Fundort und er blieb es bis ins 20. Jahrhundert, als dort 1907 eine der weltweit ersten Ölpipelines gebaut wurde, als die Rockefellers und Rothschilds gemeinsam mit einheimischen Magnaten wie Hadji Musa Taghiyev und Seid Mirbabayev die Sache in die Hand nahmen, das gesichtslose Baku sich in eine kosmopolitische, glitzernde Metropole verwandelte, in der sich leben ließ, wenn man nur über die elenden Schattenseiten hinwegsah.
Altstadt von Baku © TravelPhotography - Fotolia.com
Was sich damals unter der Ägide der Ölbarone tat, nimmt sich geradezu harmlos aus angesichts des anonymen Gigantismus, der heute regiert, da sich nicht weniger als zwanzig internationale Konsortien um die (vermuteten) Öl- und Gasfelder im aserbaidschanischen Sektor des Kaspischen Meeres balgen. Dass sie wie einst die Ölmagnaten wenigstens stilvolle Paläste, Konzerthäuser, prachtvolle Villen hinterlassen werden, ist eher unwahrscheinlich. Schon zeichnet sich ab, dass auch in den neuen Zeiten, genauso wie damals, die Bevölkerung vom Ölboom wenig zu erwarten hat. Nur das Umweltdesaster wird sich vergrößern. Jedem Besucher von verschlägt es die Sprache, wenn er der Verwüstungen auf den On-shore-Feldern vor der Stadt gewahr wird. Doch die Stadtoberen sähen lieber die Fremden durch das fein herausgeputzte Altstadtviertel „Icheri Sheher“ streifen.
Tor zur Altstadt von Baku
Und tatsächlich begegnet Besuchern hinter den Doppelmauern der mittelalterlichen Stadtbefestigung eine ganz andere Welt. Orientalisches Flair liegt über den Gassen und Plätzen dieses Quartiers, wo die Mohammed Ibn Abubekir-Moschee und das fast 1.000 Jahre alte Synyk Kala-Minarett das Bild prägen, die gewaltige Palastanlage des Shirvan-Shahs durchwandert werden will und der festungsartige Jungfrauen-Turm noch immer sein Geheimnis bewahrt. Zwei sorgfältig restaurierte Karawansereien aus dem 14. Jahrhundert laden in ihre Spezialitätenrestaurants ein, Teppichgeschäfte erwarten Freunde orientalischer Knüpfkunst und dann sind da noch die türkischen Bäder wie das Mashdie-Hamam, wo man für gerade mal einen halben Euro unter überwiegend einheimischen Badegästen stundenlang genüsslich schwitzen und relaxen kann. Bei einer Stadtrundfahrt sollte ein Besuch des üppig ausgestatteten Teppich-Museums auf dem Programm stehen, unbedingt auch ein längerer nostalgischer Blick auf die prächtigen Stadtpalais der Ölbarone geworfen werden und zum Ausklang locken Geschäfte, Restaurants und Cafés zu einem Bummel über den Neftciler-Boulevard.
Im Hinterland von Baku, auf der Halbinsel Apsheron, lohnen die Burgen von Mardakan und der Tempel der Feueranbeter des Zarathustra-Kults einen Besuch, vor allem aber die eigenartige Vulkanlandschaft von Gobustan am Kaspischen Ufer, wo fast 4.000 Felsgravuren aus neolithischer Zeit von uralter Siedlungsgeschichte künden. Weiter die Küste hinab erstreckt sich eines der interessantesten Gebiete Aserbaidschans: die Region Lenkoran, bekannt wegen ihres feucht-subtropischen Klimas. Hier gedeihen Orangen und Zitronen, selbst Tee und Reis und die Vielfalt von Fauna und Flora ließ großartige Nationalparks entstehen wie den „Gizilagach“, der allein über 220 Vogelarten beherbergt oder den „Gircan“ mit seinen seltenen Baumarten und wer nach Unsterblichkeit strebt, sollte im nahegelegenen Lerik die vielen Hundert-, ja Hundertzwanzigjährigen nach den Geheimnissen ihrer Lebensführung befragen.
Felsgravuren in Gobustan Foto: © catcha - Fotolia.com
Am Fuße des Kleinen Kaukasus, im Nordwesten des Landes, sinnt Gandsha, nach Baku zweitgrößte Stadt, seiner großen Vergangenheit als transkaukasisches Handelszentrum an der alten Handelsroute Tiflis – Baku nach. Ganz nahe liegt Khanlar, von Flüchtlingen aus Württemberg 1816 als „Helenendorf“ neu gegründet, wie auch Shamkir, das frühere „Annenfeld“ mit der Ruinenstätte des mittelalterlichen Alt-Shamkir.
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Auch am Südhang des Großen Kaukasus reihen sich Städte mit großer Vergangenheit auf, beginnend mit dem 800 m hoch gelegenen Shamakhi, einem einst bedeutenden Handelsposten an der Seidenstraße mit sehenswerter Moschee aus dem 10. Jahrhundert, der Gulistan-Festung (11./12. Jahrh.) und dem Mausoleum (Anfang 15. Jahrh.), gefolgt von Oghuz mit einem beeindruckenden Stadttor und hinter dichten Wäldern Sheki. Das einstige Zentrum der Seidenraupenzucht beschäftigte vor nicht langer Zeit noch 8.000 Arbeitskräfte in der Seidenindustrie, heute sind es vielleicht noch 300. Seine mittelalterliche Karawanserei wurde liebevoll restauriert und dient jetzt als stimmungsvolles Hotel. Sehenswert der Palast der Khane (Fürsten) von Sheki und andere Bauten des Herrscherhauses. Noch weiter im Nordwesten liegt Zagatala 540 m hoch in eine urtümliche Landschaft eingebettet. Stadt und reizvolle Umgebung, einige Hotels und die hier ihren Anfang nehmenden Hochgebirgstouren sowie Jagd- und Angelausflüge lassen in Zagatala zarte touristische Hoffnungen keimen.
Auf eine Zukunft im Tourismusgeschäft hofft man auch in der aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan zwischen Armenien und dem Iran. Der Inlandsflug von Baku in „Noah`s Land“, wo der Ararat von türkischem Boden herübergrüßt, wird zu einer aufregenden Reise in einen Landstrich, den Kunst und Kultur der Seldschuken nachhaltig geprägt haben, wo grandiose Naturschönheiten zu entdecken sind. Wintertourismus wäre hier möglich, heißt es. Angesichts vieler Mineralwasserquellen (es sollen über 200 sein!) liebäugelt man auch mit der Errichtung von Kurbädern und eine unglaubliche Kräutervielfalt (an die tausend Arten gedeihen hier) lässt an Kräuterkuren denken.
Vom äußersten Westen in den Osten an das Kaspische Meer. Dieses größte binnenländische Wasserreservoir der Welt bedeckt etwa 370.000 km² (etwas größer als die Bundesrepublik Deutschland). Wolga, Kura, Gorgan und Atrek sind die bedeutendsten Zuflüsse. Einen Abfluss hat das Meer nicht. Starke Verdunstung und übermäßige Wasserentnahme zur Bewässerung von Feldern ließen die Wasserfläche schrumpfen, in jüngerer Zeit scheint aber eine Wende eingeleitet. Abgesehen von Erdöl- und Erdgaslagerstätten, die zu den größten der Welt gehören, sind es die reichen, den begehrten Kaviar liefernden Störbestände, die zu den anderen Schätzen des Kaspischen Meeres zählen (80 % des weltweiten Störvorkommens). Badefreunden sind die Kaspischen Gewässer weitab der Erdölgewinnungszonen zu empfehlen, z.B. 180 km nördlich von Baku nahe dem Städtchen Khudat die Nabran-Strände mit Wäldern im Rücken und schneebedeckten Bergspitzen im fernen Hintergrund, durchzogen von Flüssen und bestückt mit Wasserfällen, Thermal- und Mineralquellen.
Eckart Fiene
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