Antigua und Barbuda im Überblick

Man ist mächtig stolz in St. John`s auf das moderne Kreuzfahrtterminal, das Antigua auf eine Stufe stellt mit anderen karibischen Top-Destinationen. Wenn die zahllosen amerikanischen und europäischen Kreuzfahrtreedereien ihre monströsen Vergnügungsdampfer in den westindischen Gewässern kreuzen lassen, muss schon mal mangels Anlegestelle auf Reede geankert werden und oft genug wird es eng in den Häfen.

Längst hat man sich an den Anblick von gleich drei Riesenschiffen gewöhnt, die wie Wolkenkratzer die Pier von St. John`s überragen. Tausende drängen dann die Gangways hinunter – das  turtelnde Pärchen aus Philadelphia ist dabei, auch die immer fidelen Alten aus den Rentnerparadiesen Floridas und der übergewichtige Autohändler aus Pittsburgh, die nun ihr gebuchtes Landprogramm absolvieren werden. Lassen sich die einen in Taxi- oder  Buskarawanen zu den Stränden verfrachten, wird die Mehrzahl durch die unzähligen Shops geschleust, die eigens für sie aus dem Boden gestampft wurden.

Antigua

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Nach ein paar Stunden ist der Spuk vorbei. Die lärmenden „Tagesgäste“ haben sich an Bord ihrer schwimmenden Freizeitparks davon gemacht. Einheimische und Dauergäste atmen auf. Man geht wieder seinen gewohnten Tätigkeiten nach oder bricht zu einer Inseltour auf und beginnt damit in St. John`s, der Hauptstadt, die man am besten zu Fuß durchstreift. Das historische Viertel Redcliffe Quay könnte ein erstes Ziel sein. Früher waren hier der Sklavenmarkt und das Zentrum des Kaffee- und Zuckerhandels untergebracht. Heute lockt das Viertel mit schattigen Plätzen und schönen Ausblicken aufs Meer und mit seinen von Grund auf restaurierten Lagerhäusern, in denen sich Restaurants, Cafés und Läden eingerichtet haben. Nördlich des historischen Reviers liegt an der Long Street das altehrwürdige Gerichtsgebäude, das so granitgrau, massiv und unnahbar in jede englische Stadt passen würde. Der 1747 errichtete Bau beherbergt heute das Museum of Antigua and Barbuda, das einen Besuch lohnt, allein um etwas über die Geschichte des kleinen Inselstaats zu erfahren. Auch die Kathedrale der Stadt könnte nicht englischer aussehen. Ursprünglich um 1683 aus Holz errichtet, wurde sie 1843 komplett aus Stein nach einem Erdbeben neu gebaut. Ihre Innenauskleidung ist vollständig aus dem flexiblen Holz der Amerikanischen Rot-Kiefer gefertigt, um künftigen Erdbeben und Hurrikans zu widerstehen. Und zum Schluss des kleinen Rundgangs noch ein vergnüglicher Abstecher in das bunte Gewusel des Marktes, dessen Stände von tropischen Früchten überquellen.

Wer Ende Juli/Anfang August nach Antigua kommt, wird in den Trubel des „Mid Summer Carnival“ hineingezogen, wenn farbenprächtige Umzüge, angeheizt von Calypso-, Reggae- und Steelbands, die Straßen von St. John`s brodeln lassen.

Unterwegs auf Antigua

Will man den Einstieg in das Inselabenteuer geruhsam angehen lassen und erst mal ein wenig Karibikflair schnuppern, empfiehlt sich ein Ausflug zu den in der Nähe von St. John`s. Besonders Fort Bay, Runaway Bay und Dickenson Bay bieten sich an. Fort und Dickenson sind viel besuchte Strände mit allen Einrichtungen wie Hotels, Restaurants, Bars und diversen Sportangeboten, etwas ruhiger geht es dagegen am Runaway mit seinem schönen feinsandigen, flach abfallenden Strand unter Schatten spendenden Palmen zu.

Antigua

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Am besten folgt man der Valley Road in südlicher Richtung, wenn man zu den Highlights der Insel aufbricht. Kleine Dörfer werden passiert, dann kurvt die Straße an die Küste heran zu schönen Badestränden wie Ffryes Bay, Darkwood Beach oder Crab Hill Bay mit pulverfeinen Sandstränden und kristallklarem Wasser, in dem es sich phantastisch schnorcheln lässt. Landeinwärts zur Linken erstrecken sich die Shekerley Mountains, Antiguas einziger Bergzug oder mehr eine Kette von dicht bewachsenen Hügeln, die über 15 km die Südküste begleiten. Ihre höchste Erhebung ist mit 402 m auch Antiguas höchster Punkt, der ursprünglich Boggy Peak hieß und zu Ehren des amerikanischen Präsidenten 2009 in Mount Obama umbenannt wurde.
In Höhe der Carlisle Bay wendet sich die Straße, die sich nun Fig Tree Drive nennt, den Bergen zu. Dichte tropische Vegetation streift fast die Wagenfenster. Teils wild wachsend, teils in Pflanzungen gebändigt, schimmern Mangos, Brotfrüchte, Guaven, Bananen, Avocados, Orangen durch das satte Grün. Dann geht es wieder hinunter Richtung Küste, auf das große Dorf Liberta zu, das 1834 von freigelassenen Sklaven gegründet wurde. Nur ein Jeep schafft den Aufstieg zum Monk`s Hill mit den Überresten des Fort George, einer der vierzig (!) Verteidigungsanlagen, die im 17./18. Jahrhundert von den Engländern aus Furcht vor französischen Übergriffen auf der Insel errichtet wurden. 1689 begann der Bau und erst 16 Jahre später war er vollendet.
Das heute dicht überwachsene Gelände bietet einen atemberaubenden Blick auf das 200 Meter tiefer gelegene Küstenterrain, wo sich mit Falmouth Harbour, English Harbour, Nelson`s Dockyard und Shirley Heights Antiguas bedeutendste Sehenswürdigkeiten zu einem großartigen Landschaftsbild vereinen. Der hufeisenförmige, weit ins Landesinnere reichende Falmouth Harbour ist eine natürliche Bucht, die Schutz vor Hurrikans bietet und daher von Yachteignern gern als Liegeplatz genutzt wird. Sie ist traditionell der Ausgangspunkt für die großen Rennen internationaler Yachtcrews in den Gewässern Antiguas. Auch English Harbour ist eine von Yachten stark frequentierte natürliche Bucht nahebei, deren geschützte Lage schon 1725 die britische Marine dazu bewog, sie nach Port Royal auf Jamaica zu ihrem zweitwichtigsten Flottenstützpunkt in der Karibik auszubauen. Noch vor dem Höhepunkt seiner Karriere diente der spätere Admiral Horatio Nelson als Kommandant der Fregatte „Boreas“ den britischen Interessen in dieser Weltgegend. Seine Aufgabe bestand darin, den Handel zwischen den abtrünnigen amerikanischen Provinzen und den britischen Besitzungen in der Karibik zu unterbinden – sehr zum Leidwesen beider Seiten, die gut daran verdient hatten. Englands Nationalheld ist auch der Namensgeber für Nelson`s Dockyard, einer um 1725 errichtete Werft am English Harbour. Hier wurden Schiffe repariert und für die Überfahrt nach England ausgerüstet. Um die Anlagen zu schützen und zu unterhalten, entstanden Befestigungen, auch auf den umgebenden Hügeln, Lazarette und Kasernen, Lagerhäuser und Werkstätten, Offiziersquartiere – kurzum ein militärischer Komplex georgianischen Zuschnitts, der erst 1889 aufgegeben wurde und noch heute Besuchern einen interessanten Einblick in die britische Kolonialgeschichte gewährt.

Auch Shirley Heights war Teil der Sicherungsanlagen rund um English Harbour, energisch vorangetrieben von Gouverneur Sir Thomas Shirley, als England nach seinen nordamerikanischen auch etliche karibische Kolonien verloren hatte. Es galt die Werft zu schützen und den Handel mit dem hohe Gewinne abwerfenden Rohrzucker zu sichern. Von den ehemaligen Verteidigungswerken ist nicht sehr viel erhalten. Ohnehin kommen die meisten Besucher wegen des phantastischen Panoramas. Dieses zu genießen ist ein „must to do event“, wie auch die sonntägliche Sundowner-Party hier oben bei Barbecue, Rum und Reggae-Rhythmen.
Weiter östlich liegt die Half Moon Bay, unter Kennern geschätzt wegen ihres pinkfarbenen feinen Sandes, der kühlenden Brise und rauschenden Brandung. 

Antigua: Bettys Hope

Betty's Hope
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Auf der geruhsamen Fahrt zurück nach St. John`s lohnt Betty`s Hope einen längeren Halt, handelt es sich doch um die älteste Zuckerrohrplantage unter den einst 150 Betrieben auf Antigua. Sie entstand um die Mitte des 17. Jahrhunderts, wurde 1674 von Christopher Codrington übernommen und 1944 aufgegeben. Der rasch einsetzende Verfall wurde in den späten 80er Jahren gestoppt, als sich einsichtige Bürger für den Erhalt und die Restaurierung einsetzten, um das kulturelle und industrielle Erbe der jüngeren Inselgeschichte für die nachfolgenden Generationen zu bewahren. Die das Zuckerrohr zermalmende Windmühle ist nun wieder funktionsfähig und in einem Besucherzentrum wird das harte Leben und Arbeiten auf der Plantage an Hand von  Werkzeugen, Dokumenten und Fotos eindrucksvoll dargestellt.

Draußen auf See, gegenüber dem kleinen Nest Parham, der ersten Siedlung der Briten auf Antigua, liegen an die zwanzig winzige Inseln zwischen Korallenriffen und Mangrovendickicht. Nur eine, Long Island, ist bewohnt. Bird Island, Heimat der harmlosen  Antigua-Schlanknatter, der wohl seltensten Schlange der Welt mit z. Zt. vielleicht 100 Exemplaren, Guiana Island und Rabbit Island, wo die Pelikane nisten oder Hell`s Gate Island mit seiner natürlichen Korallenkalkbrücke sind einige der bekannteren Inselchen.

Antigua

Dickenson Bay
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Etwa ganz besonderes ist Redonda, das dritte Standbein des Drei-Insel-Staates, rund 56 km südwestlich der Hauptinsel. Dass es sich dabei um ein von keinem Staat der Welt anerkanntes Königreich handelt, wissen die allerwenigsten...
Columbus hatte während seiner zweiten Reise 1493 die Insel gesichtet und gab ihr, dem vermeintlich runden Felskoloss, den Namen Santa Maria della Redonda (die Runde). Tatsächlich ist sie eher länglich – etwa 1,6 km – bei einer Breite von einem knappen halben Kilometer und einer Höhe von 295 Metern. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde auf der nunmehr britischen Besitzung Guano abgebaut. Nach dem 1. Weltkrieg war damit Schluss, die Insel war wieder menschenleer. Die Nachkommen zurückgelassener Ziegen, unzählige Echsen und noch mehr Seevögel sind heute die einzigen Bewohner.

Unbeeindruckt von den damaligen englischen Aktivitäten auf der Insel, beanspruchte ein auf der in Sichtweite liegenden Insel Montserrat tätiger irischer Unternehmer namens Matthew D. Shiel die Insel als Königreich und erklärte sich zum King Matthew I. - wie es heißt „with certain influence of the abundance of alcohol“. 1880 verzichtete er zu Gunsten seines Sohnes Matthew P., der als 15jähriger vom anglikanischen Bischof Antiguas als Felipe I., King of Redonda, inthronisiert wurde. Den jungen König hielt es nicht lange vor Ort, er ging nach London, erwarb dort eine gewisse Bekanntheit als Autor von Short Stories, zankte sich ausgiebig mit den feixenden Beamten des britischen Colonial Office und führte die verrückte königliche Melange aus Jux, Literatenfreundschaften und Strömen von Alkohol zu neuen Höhen. Nach Felipes 67 Jahren als Oberhaupt über verwilderte Ziegen und Echsen trat das Mitglied der Royal Society of Literature, John Gawsworth, als Juan I. 1947 die Nachfolge an. Der neue Monarch festigte seine „Herrschaft“, indem er befreundete Literaten in den Adelsstand erhob. So konnte sich Henry Miller ab sofort „Herzog“ nennen und Lawrence Durrell Duke of Cervantes Pequeňa. Nach Gawsworth` Abdankung und seinem ziemlich elenden Lebensende gab es viel Gezänk um die Thronfolge. Gleich mehrere Thronprätendenten meldeten ihre Ansprüche an. Darunter war auch der Schriftsteller John Wynne-Tyson und ein Geschichtslehrer, der in der Londoner Fitzroy Tavern Hof hielt, auch Dominic Behan, Bruder des irischen Säufer-Poeten Brendan Behan wollte mitmischen. Schließlich übernahm der spanische Novellist Javier Marias 1997 als Xavier I. den Thron und sorgte als erstes für eine Aufstockung der „intellectual aristocracy“ des Königreichs, indem er Francis Ford Coppola zum Duke of Megalopolis erhob, Pedro Almodóvar zum Duke of Trémula und den deutschen Novellisten und Literaturwissenschaftler W. G. Sebald zum Duke of Vertigo.
Wie es aussieht, wird das Königreich Redonda noch mit so manchen Überraschungen aufwarten.


Antigua

Blick von Shirley Heights auf English Harbour und Falmouth Bay
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Einsames Barbuda

Das andere Standbein des Inselstaats liegt rund 40 km nördlich der Hauptinsel. 15 – 20 Minuten dauert der Flug und die Schnellfähre braucht rund 90 Minuten und dann ist man in einer anderen Welt. Nur 1.600 Einwohner hat die 161 km² große Insel und die allermeisten von ihnen leben im Hauptort Codrington. Die 60 km Küstenlinie sind fast durchweg von weißen oder pinkfarbenen gesäumt, die durch Korallenriffe gegen die heranrollende See geschützt sind. Ein Abschnitt, der zwischen Palmetto Point und Cedar Tree Point, zieht sich über fast 30 km hin. Das Inselinnere ist nahezu menschenleer und besteht überwiegend aus Buschland. Bis auf zwei Ausnahmen sind die Inselstraßen unbefestigt.

Es herrscht eine friedliche, ruhige Atmosphäre. Wer ausspannen will, ist bei den warmherzigen Barbudians in guten Händen. Abgesehen von den Tagesgästen, die aus Antigua kommen, finden sich nur ein paar Hundert Übernachtungsgäste in den zwei kleinen Hotels und einigen „guest houses“ ein. Sie wissen, dass sie auf keine „events“ hoffen dürfen, hier ist wirklich „nichts los“. Umso vergnüglicher ist das Herumstromern am Strand und auf der Insel. Man trifft nicht nur auf umherwandernde Ziegen, Kühe und Esel, überraschenderweise sind auch Hirsche zu sehen, deren Heimat eigentlich Europa ist. Im 18. Jahrhundert hatten die Pächter der Insel, die Codrington-Familie, das Rotwild zur Jagd eingeführt, das sich rasend schnell vermehrte und das ganze ökologische Gefüge der Insel durcheinander brachte bis seine Zahl durch Abschüsse drastisch reduziert wurde. Man kann Meeresschildkröten beobachten, wenn sie sich zur Eiablage auf die Strände schleppen und wer ins Meer eintaucht, wird die ganze Pracht der karibischen Unterwasserwelt erleben können. Seeschwalben und Sturmvögel unterhalten sich lautstark und Fischadler segeln elegant durch die Lüfte, man scheucht Sumpf- und Perlhühner auf, doch unschlagbarer Höhepunkt ist eine Bootsfahrt zum Schutzgebiet der Fregattvögel, die zu Tausenden in einer Kolonie in den Mangroven der großen Lagune im Nordwesten der Insel zusammenleben. Während der Balzzeit locken die Männchen mit gigantisch aufgeblähtem roten Kehlsack die Weibchen, ansonsten jagen sie weniger gewandten Fliegern die Beute ab, verschwinden dann im Sommer Richtung Galapagos-Inseln und überlassen die Weibchen und Jungen ihrem Schicksal.

Für den lächerlichen Preis von einem Schaf pro Jahr hatte der Codrington-Clan die Insel von Großbritannien gepachtet, allerdings mit der Zusicherung, Londons Interessen wahrzunehmen. Der Clan herrschte nach Gutdünken und entwickelte ziemlich hinterhältige Methoden der Reichtumsmehrung – wie glaubwürdig berichtet wird. Danach lockte man mit Lichtsignalen vorbeifahrende Schiffe an, die sich in den Riffen verfingen, kenterten und anschließend ausgeraubt wurden. Freilich sind nicht alle dreihundert Wracks rund um die Insel Opfer dieser Machenschaften. Die Gewässer sind wegen ihrer kaum sichtbaren Korallenkalkfelsen und sandigen Untiefen riskant zu befahren. Allein zwischen 1813 und 1927 sollen 120 Schiffe gestrandet sein – ein wahrer Schiffsfriedhof also und ein Eldorado für Taucher und Unterwasserarchäologen. 


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