Musik aus den USA

Verschiedene Interpreten: „Roots Of Rhythm And Blues - A Tribute To The Robert Johnson Era”
CD: SPV 306 722

Der Sänger und Gitarrist Robert Johnson (1911–1938) gilt als Stil-Ikone des Delta-Blues - benannt nach dem Mississippi-Delta, wo diese Musik ihren Ursprung hat. 1992 erinnerten Blues- und Gospel-Künstler beim Folklife Festival, das alljährlich in Washington D.C. stattfindet, an diesen Wegbereiter der heutigen Blues- und Rock-Musik. Die Ergebnisse seiner relativ kurzen Schaffensperiode passten seinerzeit auf zwölf Schellack-Singles. Fünf dieser Dreiminuten-Meisterwerke sind als Neu-Interpretationen auf der vorliegenden CD zu hören. Die 20 übrigen Songs stammen von seinen Zeitgenossen, die den Akustik-Gitarristen Robert Johnson beeinflussten, bevor der Rhythm-and-Blues elektrifiziert wurde und sich in den Fifities zum Rock’n’Roll mauserte. wd@saw

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Van Morrison: „Astral Weeks – Live At The Hollywood Bowl“
CD: Listen To The Lion 69342325 / EMI 

Van Morrison: „Astral Weeks“
CD: Warner Brothers 246 024

http://www.harpertaxitours.co.nr
http://www.belfastmusic.org/article.aspx?art_id=2381


  “Down on cyprus avenue / With a childlike vision leaping into view …”  – diese Textzeile aus der Feder des Celtic-Soul-Sängers Van Morrison verhalf einer Straße in Belfast zu nachhaltiger Berühmtheit.
   Wer einmal selbst durch die von Morrison besungene Cyprus Avenue schlendern möchte, kann mit Belfast Music Tours diese und andere Popmusik-historischen Sehenswürdigkeiten der nordirischen Metropole besuchen. Der BBC-Radiomoderator Stuart Baillie stellte diese Tour zusammen, die unter anderem auch zu den alten Wirkungsstätten von U2 führt.  
   Für kleinere Morrison-Fangruppen empfiehlt sich ein Anruf beim Taxifahrer Ken Harper. Er nimmt Fahrgäste mit auf seine Van Morrison Taxi Tour, die zu den Schauplätzen der „Astral Weeks“ führt.


   1968 spielte Van Morrison in New York sein Folkjazz-Meisterwerk „Astral Weeks“ ein. Das Album war einerseits das lyrische Ausloten von mystischen Grenzbereichen. Gleichzeitig gelang Morrison damit eine erdverbunden klingende Hommage an die Cyprus Avenue und die damalige Bohème-Szene von Belfast.
   Renommierte Jazz-Studiomusiker wie Richard Davis (Bass) und der Drummer Connie Kay wirkten mit bei den Aufnahmen für diese Kult-LP. Als 2003 das US-Magazin „Rolling Stone“ 273 Musiker, Kritiker und andere Branchen-Insider nach deren Lieblings-Longplayer fragte, belegte „Astral Weeks“ den 19. Platz. In einem Jahrhundert-Poll der Londoner Times belegte dieses Album sogar den dritten Platz.
   Trotzdem bekamen die Morrison-Fans 40 Jahre lang bei Konzerten höchstens mal einen der acht „Astral Weeks“-Songs zu hören. Erst 2008 wurde der Liederzyklus live uraufgeführt – und zwar in der Hollywood Bowl, einem der größten natürlichen Amphitheater der Welt in der Nähe von Los Angeles.


   Der Mitschnitt dieser verspäteten Premiere zeigt einen gereiften und noch eindringlicher wirkenden Sänger. Und als Rhythmus-Gitarrist setzt Van The Man seine Akzente ebenfalls effektiver als vor vier Jahrzehnten. Das 1968er Opus bezog Spannung aus einer kontrastreich spröden Kammermusik-Instrumentierung, das Remake klingt popmusikalisch deftiger.
   Morrisons kraftstrotzende Soul-Stimme schwebt immer noch traumwandlerisch über den Rhythmen und Harmonien. Aber 1968 klang er wie ein hypnotisierter Blues-Talker auf der Psychoanalytiker-Couch. 40 Jahre später scheint er selbst ein Seelenforscher und Hypnotiseur geworden zu sein.
   Dank der 40-jährigen Reifezeit klingen seine frei schwingenden Assoziationsketten jetzt viel anheimelnder. Und die teilweise in veränderter Reihenfolge zusammen gefügten und mit neuen Text-Fragmenten angereicherten Songs laden ein zum Mitreisen – hin zu verjüngt wirkenden Traumfiguren. Zur „Ballerina“. Zu „Madame George“. Und natürlich wieder einmal hin zur „Cyprus Avenue“.
   Mit dem kommerziellen Erfolg des Live-Remakes von „Astral Weeks –Live“ kommt auf die städtischen Verwaltungsbeamten von Belfast nun wohl ein Problem zu, dass deren Kollegen in Liverpool bereits kennen. John Lennon und Paul McCartney hatten 1967 einer Straße ihres Geburtsortes ein klingendes Denkmal erbaut. Seitdem ließen durchreisende Beatles-Fans in der Penny Lane immer wieder mal ein Straßenschild als Souvenir mitgehen.


   Inzwischen lässt die Liverpooler Stadtverwaltung den Straßennamen dort auf Häuserwände pinseln, um das Entfernen von Hinweistafeln zu verhindern. Wer seinen Lieben daheim beweisen will „I was in Penny Lane“, kann sich vor einem dieser aufgemalten Wegweiser fotografieren lassen.
   Als Nachweis für einen Besuch in der Belfaster Cyprus Avenue genügt die Taxi-Quittung von Ken Harper.   
wd@saw

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Leonard Bernstein: „Mass“
Mitwirkende: Randall Scarlata (Bariton), Company of Music; Tölzer Knabenchor, Chorus sine nomine, Absolute Ensemble, Tonkünstler-Orchester Niederösterreich - Kristjan Jarvi            
Doppel-CD: Chandos CHSA5070 (2)

www.chandos.net


Leonard Bernstein (1918-90) schuf dieses akustische Mosaik zeitgenössischer US-Musikkultur zum Gedenken an den 1963 ermordeten John F. Kennedy. JFKs Witwe blieb der Uraufführung im September 1971 fern, vermutlich hatte sie von der Partitur nur die erschreckend neutönerisch klingenden Anfangstakte gelesen. Jackie Kennedy – damals bereits Jacqueline Onassis – verpasste dadurch eine überaus weltliche („weltlich“ im Sinne von „erdverbunden“ wie auch „global“) musikalische Darbietung.


Und „Mass“ ist hier zu übersetzen mit „Masse von vielen Sängern, Musikern und Tänzern“ wie auch mit „Messe, entsprechend jener Konstitution über die heilige Liturgie, wie sie 1963 von der römisch-katholischen Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil festgelegt wurde“. In Bernsteins Ausdeutung dieser Liturgie-Reform wechseln sich persiflierte Militärmarsch-Rhythmen ab mit tief empfundenen Gospel-Gebeten, opulente Kammerchor-Gesänge mit fetzigen Pop-Tanzweisen.
Als jüdischer Weltbürger zeichnete der Komponist hier das Portrait eines Schmelztiegels der Kulturen, wie ihn die Amerikaner und die übrige Welt vielleicht erst heute zu würdigen wissen. Immer wieder lugt zwischen den Melodien der charmante Musical-Komponist hervor – wobei Bernstein sich weniger an seiner eigenen „West Side Story“, sondern mehr an der damals aktuellen Hippie-Operette „Hair“ zu orientieren schien.


Die vorliegende Einspielung mit dem Niederösterreichischen Tonkünstler-Orchester lässt die vom Komponisten gewollten Schroffheiten wirkungsvoll aufeinander prallen. Die Gesangssolisten sorgen immer wieder dafür, dass sich die Momente höchster Spannung künstlerisch überzeugend und spirituell glaubwürdig abwechseln mit stimmungsvoll einschmeichelnden Passagen. wd@saw

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“The Famous Lippmann + Rau Festivals”  (3 DVDs - auch einzeln erhältlich)
DVD 1: “Legends of ‘Folklore Argentino’, ‘Flamenco’ and ‘Música do Brasil’”
Tropical Music 68.362
DVD 2: „Legends of ‚Spiritual & Gospel’ and ‚Folk & Country’“
Tropical Music 68.363
DVD 3: „Legends of the ‚American Folk Blues Festivals’“
Tropical Music 68.364
www.tropical-music.com

 

Horst Lippmann und Fritz Rau gründeten Mitte der 50er Jahre eine Konzertagentur. Viele kulturell ausgehungerte Nachkriegs-Deutsche verdanken den Lippmann+Rau-Konzerten ihre ersten Begegnungen mit authentischer „Negermusik“ und internationalen Folklore-Künstlern, die zehn Jahre zuvor noch als „entartet“ galten.


1962 organisierten L+R ihr erstes American Folk Blues Festival (AFBF), das sich im Laufe der Jahre zu einer Konzertserie entwickelte, die europaweit viele junge Pop- und Jazz-Musiker inspirierte – vor allem in Großbritannien und Skandinavien. Mick Jagger und Eric Clapton schwärmen heute noch davon, dass sie bei L+R’s AFBF-Konzerten endlich einmal jene schwarzen US-Idole live erleben durften, die sie zuvor nur von Import-Schallplatten her kannten.


Zum Glück nutzten der WDR Köln und der Südwestfunk Baden-Baden die Gelegenheit, solche - auch in den USA weitgehend unbekannten – Blues-Archetypen wie John Lee Hooker, Bukka White oder Jimmy Reed  der Nachwelt zu erhalten. Die jetzt auf DVD vorgelegten Aufzeichnungen aus den Jahren 1967-69 sind wertvolle Zeitdokumente – und zwar im doppelten Sinne.


Erstens zeigen sie Blues-Sänger und -Musiker, die ohne übertriebenen technischen Aufwand ein Kulturgut produzieren, für das die deutsche Sprache nur ein einziges Wort kennt: Blues-Feeling. Zweitens offenbaren diese Dokumente aus der TV-Steinzeit schonungslos jene – oft an peinliche Überheblichkeit grenzende - Hilflosigkeit, mit der die gut meinenden Moderatoren damals diesen Musikern begegneten. Trotzdem – oder gerade deswegen – wurde es vielen Blues-Künstlern erst in Europa so richtig bewusst, welche kulturelle Wertschätzung ihre Südstaaten-„Kneipenmusik“ verdient hat.


Der AFBF-Erfolg ermutigte L+R zu ähnlichen Projekten mit anderen US-Musikern. Die zweite der drei vorliegenden DVDs zeigt Künstler aus völlig unterschiedlichen Welten der US-Gesellschaft, die damals noch unvereinbar zu sein schienen. Zunächst präsentieren sich hier überschäumend temperamentvolle afroamerikanische Gospel-Solisten und –Chöre, die Aufnahmen stammen von 1965 und 1966. Anschließend pflegen weiße „Hillbiellies“ das Erbe der frühen weißen US-Siedler; ihre Interpretationen aus dem Jahre 1996  klingen heute vielleicht ein wenig altmodisch, aber grundehrlich und verdammt authentisch, und sind damit eine Pflichtlektüre für jeden ambitionierten Countrymusic-Fan.

Die DVD 1 präsentiert die – auch nach heutigen Maßstäben - virtuosesten Meisterleistungen dieses Dreierpakets. 1965 tanzte sich unter anderem die Flamenco-Legende La Singla die Seele aus dem Leib. 1966 zeigten brasilianische Folklore- und Jazz-Musiker dem deutschen Publikum auf allerhöchstem Instrumentalisten-Niveau, wer wirklich die Schuld am Boss Nova hatte. Mercedes Sosa und andere argentinische Musiker demonstrierten 1967 eindrucksvoll, mit welcher Ernsthaftigkeit – beinahe schon Würde – sie die volksmusikalischen Wurzeln ihrer Heimat pflegen.  wd@saw

 

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Brian Eno: „Music For Airports“
Performed by Bang On A Can All Stars
DVD: Medici Arts 307 7558

Pop-Fans kennen diesen Engländer als Ex-Keyboarder von Roxy Music oder als Produzenten von U2 und anderen Top-Acts. In die Musik-Geschichte wird Brian Eno seinen Platz finden als Wegbereiter der Ambient Music – was oft immer noch mit „Hintergrundmusik“ verwechselt wird und im Sinne ihrer Erfinder eher mit „musikalische Innenarchitektur“ übersetzt werden sollte. Ein Beispiel gebendes Frühwerk dieses Genres war Brian Enos „Music For Airports“. Der hier verwendete Soundtrack wurde vom New Yorker Avantgarde-Ensemble Bang On A Can All Star für das Holland Festival 1999 eingespielt. Die damit korrespondierenden Bilder wurden auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol aufgenommen und von dem Video-Künstler FrankScheffer bearbeitet. Außerdem präsentiert Scheffer auf dieser DVD sein „In The Ocean“; in diesem Feature verwendet er unter anderem Interview- und Musik-Zitate von John Cage, Steve Reich und anderen Gründervätern der einstmals schockierend „Neuen“ Musik vom Ende des 20. Jahrhunderts. wd@saw

Verschiedene Interpreten: "The Diaspora For Africa - Vol.1"
CD: Culture Taxi Records / h’Art  
www. Koolwave.net
www.diaspora-for-africa.net

Die meisten Sänger und Musiker, die hier zu hören sind, leben im Exil und arbeiten außerhalb ihrer jeweiligen Heimatländer. Dieses ist auch die einzige Gemeinsamkeit dieser 20 höchst unterschiedlichen Aufnahmen. Stilistisch reicht die Spanne vom simplen afrikanischen Volkslied bis zum perfekt durcharrangierten Jazz- oder Pop-Song. Einige Tracks wurden eingespielt von weißen Musikern, die das Anliegen dieses Benefiz-Samplers unterstützen wollten: Mit der CD-Serie „Diaspora for Africa“ unterstützt Culture Taxi Records den Kampf gegen Unterernährung und Armut in Afrika. wd@saw

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Bonsai Garden Orchestra: „Take One“
CD: Extraplatte EX 835-2
www.extraplatte.at

 

Gitarrist Ken Emerson wurde 2005 mit einem Grammy für die beste Platte mit hawaiianischer Musik ausgezeichnet, im April 2008 ging er mit prominenten Vertretern der österreichischen Worldmusic-Szene ins Studio. Das Ergebnis: Alpenländische und irische Melodien, gespielt auf Ukulele, Hawaii-Gitarre, Geigen, dazu kommen noch Bierflaschen und andere Percussion-Instrumente. Oder: Gypsy-Swing und Rhythm-and-Blues treffen afrokubanische Rhythmen und Reggae-Grooves. Oder: Weltmusik mit Heimatmusik-Feeling – oder umgekehrt. Oder: Elektrisierende Klänge ohne elektronische Sound-Mätzchen. Oder: Einfach mal keine Gedanken machen über stilistische Einordnungen und an den schönsten Stellen dieser CD ungeniert mitjodeln oder auf dem Küchentisch tanzen! wd@saw

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Chanticler: „Mission Road“
CD & DVD: 8122-79910-1
www.missionsofcalifornia.org
www.chanticleer.org

 

200 Jahre lang war diese Mischung aus europäischer Liturgie-Chormusik und folkloristischen Klängen der Neuen Welt nicht mehr zu hören. 2007 absolvierte das US-amerikanische Vokal-Ensemble Chanticler mehrere Konzerte in den Kirchen entlang der kalifornischen Mission Road (Straße der Missionskirchen) und öffnete die Augen und Ohren für ein vergessenes Kapitel der abendländischen Musikgeschichte. Die 16 Sänger präsentierten bei ihrer Tournee jene Musik, die einst von spanischen Missionaren an die amerikanische Westküste gebracht oder an ihrem Bestimmungsort komponiert worden war. Die nun vorliegende CD trifft genau den richtigen Tonfall zwischen mediterraner Heiterkeit und besinnlicher Andacht. Die dazu gehörende DVD zeigt Kirchen und Klöster, in denen Chanticleer dem Geist dieser Musik nachspürte. Und diese Mission Road könnte sich durchaus als amerikanisches Gegenstück zu den europäischen Jakobswegen etablieren. wd@saw

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Pete Seeger: “At 89”
CD: Appleseed Recordings APR 1113 / in-akustik
www.AppleseedMusic.com
www.in-akustik.com

Von Marlene Dietrich ("Sag mir wo die Blumen sind") bis Bruce Springsteen reicht die Liste jener Interpreten, die einen Song von Pete Seeger weitaus überzeugender sangen als der Songwriter selbst es tun konnte. Aber die eigentliche Lebensleistung dieses Vorsängers ("We Shall overcome") der US-Folkies besteht nicht in seinen Hit-Erfolgen. Pete Seeger befreite - zusammen mit Woody Guthrie und anderen Gleichgesinnten - die Volkmusik seiner Heimat vom Mief des Ewiggestrigen und Hinterwäldlerischen. Und diese Arbeit fand nicht nur in den USA viele Nachahmer. Als 89-Jähriger legt der Sänger, Gitarrist und Banjospieler jetzt dieses angenehm durchhörbare Album vor. Seine Stimme, die auf früheren Platten oft ein wenig schnarrend wirkte, klingt nun angenehm einschmeichelnd. Und es ist dieser CD anzumerken, dass Pete Seeger dafür jenes Repertoire ausgewählt hat, das er auch privat in gemütlicher Runde mit Freunden gerne singt. wd@saw

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Tine Kindermann: „schamlos schön“
CD: Oriente RIENCD 67 (Fenn Music Service)
www.oriente.de

Überall auf der Welt drücken Menschen ihre Gefühle aus in Liedern, die sie von ihren Vorfahren gelernt haben. Nur nicht in Deutschland. Till Schumann, Ex-Pädagoge und heutiger Chef des Berliner Worldmusic-Labels Oriente, begründet es damit: „Wir Deutschen haben beim Singen von Volksliedern die Angst, uns in einen politisch wie ästhetisch belasteten Raum zu begeben. Wir fürchten, mit Kitsch und Nazi-Gegröle und Musikantenstadl-Mitklatschen in einen Topf geworfen zu werden.“ Als weiteres Defizit sieht der Oriente-Chef: „Wir leiden an einer Scheu vor elementaren Gefühlen, vor der bedingungslosen Liebe und vor dem Tod.“ – Die 1962 geborene Tine Kindermann war einst in der Berliner Szene als Jazz-Sängerin unterwegs und lebt nun in New York. Mit dem dortigen Abstand entwickelte sie ein Bauchgefühl für ihre musikalischen Wurzeln: „Es waren zwei Königskinder“ und zwölf andere Volksweisen, die auf dieser Oriente-CD zu hören sind. Ihr Gesang klingt nicht unbedingt „schamlos schön“, sondern zurückgenommen und manchmal vielleicht ein wenig zu artig. Greg Cohen (ansonsten als Bassist mit Tom Waits unterwegs) und andere New Yorker Kollegen sind würzende Beigaben. wd@saw

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The Klezmatics: „Tuml = Leben / The Best Of The First 20 Years“
CD: Piranha PIR 2233 (Indigo)
www.klezmatics.com
www.piranha.de

Als bei „Sex In The City“ eine der Protagonistinnen nach jüdischem Ritus heiratete, wurde die Rolle der Hochzeitskapelle gespielt von The Klezmatics. Aber schon vorher rümpften die Klezmer-Puristen die Nase, wenn das 1986 in New York gegründete Sextett in seinen jiddischen Liedern den Alkoholgenuss und andere weltliche Freuden verherrlichte. Für die musikalische Reibungshitze sorgten diese Gegenpole: Geigerin Alicia Svigals war musikalisch in der chassidisch-jüdischen Tradition Osteuropas verwurzelt; Frank London nutzt als Trompeter die Möglichkeiten des Free Jazz; Drummer David Licht reichert die vertrauten Klezmer-Melodien mit Reggae-Grooves, orientalisch-sephardischen Rhythmen und Spuren von psychodelischem Pop an. Im Gegensatz zu vielen anderen Wiederbelebern der osteuropäisch-jüdischen Popularmusik-Kultur klingt diese Combo weder akademisch staubtrocken noch versunken in Nostalgie, sondern einfach nur verdammt glut- und blutvoll. Das Repertoire der vorliegenden Werkschau aus den ersten 20 Klezmatics-Jahren reicht von heiteren Tanz-Hopsassa über Kampflieder der jüdischen Arbeiter-Bewegung bis hin zu augenzwinkernd wehmütigen Chansons. Mehr Klezmer-Feeling passt auf keine CD.  wd@saw

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Verschiedene Interpreten: „Native America“
Think Global 108 CD / harmonia mundi)
www.worldmusic.net/wmn/news/item/native-america

 


Flöten und Trommeln sind die wichtigsten Musik-Instrumente der nordamerikanischen Ureinwohner und bestimmen deshalb überwiegend den Tonfall dieser CD. Zwischendurch lässt ausgerechnet Buffy Sainte-Marie, das große Vorbild aller Indianer-Songwriter, es mit ihrem Rock-Song „Cho Cho Fire“ so richtig krachen. Der Flötist Carlos Nakai lässt sich hier lieber vom sanften Plätschern eines Baches sowie von Blitz und Donner begleiten. Aber überwiegend präsentiert die CD überlieferte authentische Klänge verschiedener Indianer-Stämme. Vom Erntetanz über ein Friedenspfeife-Zeremoniell bis hin zu Gebetsgesängen reicht dieser Einstieg in die klingende Kultur der ersten Amerikaner. Wie gesagt: Nur ein Einstieg – aber ein sehr guter. wd@saw

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Flaco Jimenez: “Ya Volvi De La Guerra (He'll Have To Go)”
Me & My Records 0681833 / in-akustik
www. in-akustik.de

Tex-Mex ist ein Mischwort aus „Texas“ und „Mexiko“, mit dem eine Abart der Country-Music bezeichnet wird. Polka, Walzer, Rumba, irische und mexikanische Volksweisen gehen in dieser Tanzmusik mit Folk-Blues und Rock'n'Roll eine wehmütig ausgelassene Verbindung ein. Die akustischen Wiederkennungs-Merkmale des Texmex-Sound sind das Akkordeon und ein betont knochentrocken klingendes Schlagzeug. Der 1939 geborene Flaco Jimenez gilt als Meister des Texmex-Akkordeons. Auf der vorliegenden CD haucht er unter anderem solchen altvertrauten Country-Schnulzen wie „Crying Time“ überaus temperamentvoll neues Leben ein. Eine behutsam abwägende Aufnahmetechnik sorgte bei dieser CD-Produktion dafür, dass die rhythmische Substanz der Musik zwar jederzeit deftig – aber niemals aufdringlich – in die Beine geht. wd@saw

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Verschiedene Interpreten: “City Of Dreams – A Collection of New Orleans Music”
4-CD-Box: Rounder 11661-2196-2 (deutscher Vertrieb: inakustik)

 

City of DreamsAus New Orleans kamen zahlreiche Spielarten der Pop-, Jazz- und Rock-Musik. Dann kam der Wirbelsturm Katrina – und zerstörte vor allem jene Wohngegenden, in denen bedeutende Brutstätten der afroamerikanischen Kultur standen. Eine Ahnung vom einstmals weltweit inspirierenden Popularmusik-Leben in der Stadt am Misssissippi geben diese, auf vier höchst unterschiedliche CDs aufgeteilten Musikbeispiele.

Die erste CD präsentiert regionale Hitparaden-Klänge aus dem Mississippi-Delta: Gospel-inspirierte Soul-Balladen konkurrieren hier mit leichtgängigem Rock’n’Roll à la New Orleans. Disc Two zeigt swingende Blasmusik aus der Hafenstadt – vom Beerdigungszug-Begleiter bis zum Avantgarde-Karnevalisten marschieren hier sämtliche Stilrichtungen mit. Die nächste CD ist nur bei genauem Hinhören als Souvenir aus „Funky New Orleans“ erkennbar, denn diese Art von Dancefloorfiller-Rhythmen lockt auch in anderen Metropolen der Welt das geschmacklich globalisierte Disco-Publikum auf die Tanzflächen.
   Das vierte Silbertablett präsentiert allerdings regionale Piano-Spezialitäten, die den Appetit anregen können auf weitere Klaviervirtuosen aus New Orleans; Boogie-Woogie-Geklimper mit künstlerischem Tiefgang, low down dirty Blues mit Rumba-Unbeschwertheit und andere Widersprüche werden hier von Champion Jack Dupree, Professor Longhair und deren Nachfolgern virtuos in die Tasten gehauen.
   Ein Kompliment geht bei diesem musikalischen Reiseführer an den Produzenten Scott Billington, der für diese Zusammenstellung sehr viel bislang hierzulande unbekanntes Material verwendete. Und noch ein Sonderapplaus für den Tontechniker Jonathan Wyner, denn er fügte diese 48 höchst unterschiedlich klingenden Mosaiksteine zusammen zu einem abgerundeten Gesamtbild.wd@saw

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