Die Todesbahn am River Kwai

Eine Reise in Thailands Dschungel

Text und Fotos: Werner Skrentny

Der Zug Nr.171 fährt pünktlich, 7.50 Uhr morgens ab Thonburi-Station in Bangkok, der thailändischen Hauptstadt. Bis zum Zielort wird der Diesel Rail Car 210 Kilometer zurücklegen. 9.27 Uhr halten wir in Nakhon Pathom, wo die größte Pagode des Landes errichtet wurde. 10.55 Uhr erreichen wir Kanchanaburi, die Provinzstadt im Westen. Sieben Minuten später rollt der Zug über einen der berühmtesten Flußübergänge der Welt, die Brücke am Kwai.

Einer der berühmtesten Flußübergänge der Welt: Die River Kwai Bridge in Thailand

Um 13 Uhr ist die Endstation erreicht, Nam Tok. Wir haben genau 15 Minuten Aufenthalt, denn der einzige Zug an diesem Tag zurück nach Bangkok ist der, mit dem wir gekommen sind. Zwei Kilometer von hier rauscht der Kao Phang Wasserfall, doch zu knapp die Zeit, um ihn zu erreichen. Andererseits: Man könnte auch bleiben, denn es gibt etliche schwimmende Hotels auf dem River Kwai,Bungalows auf Flößen, wohin man u.a. in gecharterten Booten gelangt. Aber wir haben uns nun einmal für diese 15 Minuten in Nam Tok entschieden.

Nam Tok, das ist mitten im Dschungel Thailands: Es gibt nur ein kleines Häuschen hier und das ist der Bahnhof. Es ist die Zeit der Mittagshitze, die Luft flimmert, man hört nur einige Geräusche vom Fluß. Die wenigen Leute, die mit uns gereist sind, sind längst weggeeilt. Wir gehen den Gleisen nach, die irgendwann aufhören. Noch ein, zwei Kilometer weiter, dann hat der Dschungel alles, was einmal die Thailand-Burma-Bahn gewesen war, zurückerobert. 163 Kilometer weiter liegt der Drei-Pagoden-Paß zwischen Thailand und Burma. Es heißt, dort sei heute ein Dorado der Schmuggler und Schwarzmarkt-Händler. Manches, was auf dem Markt von Rangun in Burma/Myanmar angeboten wird, kommt von dort. Ursprünglich waren es von der Abzweigung Nong Pladuk bei Bangkok bis nach Moulmein in Birma 471 Kilometer Schienen. Von dort bestand dann die Bahnverbindung nach Rangun, in Burmas Hauptstadt.

Ein Häuschen als Bahnhof und sonst nur Dschungel: Nam Tok ist Endstation der ehemaligen "Todesbahn" und einstmaligen Thailand-Burma-Railway.

Aber heute ist Nam Tok der Endpunkt und der Schaffner, der unterwegs unsere ellenlange Fahrkarte wenigstens dreimal kontrolliert hat, winkt auch schon wieder.

Mit uns in Richtung Stadt fahren wollen nicht viele. Aus dem Palmenwald kommt ein braungebrannter Thai, einen Schutzhelm auf dem Kopf. Er muß einer von denen sein, die im Bor-Ploiy-Gebiet nach Saphiren schürfen. Maschinelle Hilfsmittel dürfen dabei nicht verwendet werden, weshalb die Bauern Schächte ausheben, um den großen Fund zu machen, der Millionen Baht wert sein kann.

Der Zug fährt an und der Schaffner weist uns wieder auf jene Stellen hin, an denen wir den Kopf aus dem Fenster strecken sollen: "Take a photograph! It's nice!" Aber "nice" ist gar kein Ausdruck für diese Bahnreise durch den Dschungel Thailands. Wenn die Berge, deren Gipfel oftmals ganz nahe sind, abfallen, breitet sich der dicke grüne Teppich aus. Mittendrin fließt der von Löß und Lehm gelb gefärbte träge Kwai Yai ("der große Kwai"), der hier die Straße ersetzt.

Die Eisenbahn und der Kwai Yai sind die beiden einzigen Verkehrswege im Dschungel

Nur dem Strom und der Bahntrasse hat der Dschungel hier Raum gelassen. Am sandigen Flußufer laufen die Wasserbüffel umher und vor den Hausbooten spielen kleine Kinder. Ab und an erkennen wir auch ein Langboot auf dem Kwai Yai.

Die Thai im Zug erheben sich und verneigen sich nach links, wo wir eine Höhle mit einem Buddha passieren. Ein kleiner uniformierter Junge schrubbt derweil den Boden der Waggons. Auch der alte Mann von der Hinfahrt ist wieder da, der Fische im Plastikbeutel verkauft - unser Mittagessen. Ein anderer Verkäufer hat Singha-Bier im Eiskübel im Angebot. Unterwegs an den Haltepunkten hatten Frauen ja schon alles mögliche angeboten: Fleischspießchen, Fischbällchen und irgend etwas Getrocknetes; wir hielten es für Fledermaus-Reste.

Wir fahren nun auf das berühmte hölzerne Viadukt der Bahnlinie zu, das regelrecht am Fels klebt, eine waghalsige Passage. Der Zug passiert Zuckerrohr-Felder, Bananenstauden, Pinien, Reisfelder. Den Dschungel haben wir nun hinter uns gelassen, wir sind wieder unten am Fluß, überqueren langsam - die Lok tutet, damit die Fußgänger Platz machen - die berühmte Brücke am Kwai. Und dort steigen wir aus.

Nur zweimal pro Tag fährt hier ein Zug Richtung Dschungel, weshalb die River Kwai Bridge meist von Fußgängern genutzt wird

Pierre Boulle hatte 1952 den Roman "Le Pont de la Rivière Kwai" veröffentlicht. 1956 nahm sich Hollywood des Stoffes an. Sam Spiegel, jüdischer Emigrant aus Berlin, produzierte für die Columbia den 161 Minuten-Spielfilm "Die Brücke am Kwai", die englische Kriegsgefangene im 2.Weltkrieg für die Japaner im thailändischen Dschungel bauen mußten, ehe sie US-Saboteure in die Luft sprengten (womit die Story sehr verkürzt erzählt ist).

Ein Roman, ein Filmerfolg und heute Touristen-Attraktion rund drei Bahnstunden von Bangkok: Die Brücke am Kwai

"Ein Film ohne Liebe? Sozusagen die Liebesgeschichte zwischen dem britischen Colonel Nicholson (Anm. den Alec Guinness spielte) und einer Brücke? Alle glaubten, ich sei wahnsinnig", hat Produzent Spiegel später berichtet. Der Film aber wurde ein Welterfolg, erhielt 1957 sieben Oscars, u.a. für die Filmmusik: Den "Colonel Bogey March", in Deutschland bekannt als "River Kwai Marsch", konnte auch dort jedes Kind auf der Straße pfeifen.

Die Brücke am Kwai hat Hollywood in Ceylon gebaut, wofür 500 Bäume gefällt wurden. Die tatsächliche Brücke am Kwai aber ist keine Holzbrücke, sondern besteht aus Stahl.

River Kwai Bridge im Original: Im Hollywood-Film wurde sie aus Bambus erbaut

Erst ein Stück stromabwärts verlief über den Fluß ein hölzerne Übergang, von dem bei Niedrigwasser des Kwai Yai noch das eine oder andere Teil zu erkennen ist. Am Brückenposten von Ban Tha Ma Karm berichten heute Informationstafeln von der "Thailand-Burma-Railway", die für viele allerdings unter einem ganz anderen Namen bekannt ist: "Death Railway", "Todesbahn".

Der 2.Weltkrieg in Asien ist, abgesehen von Orten wie Pearl Harbor, Hiroshima, Nagasaki, ins europäische Bewußtsein so recht nie vorgedrungen. Japan hatte am 7.Dezember 1941 mit dem Überfall auf Pearl Harbor den Krieg an fast allen Fronten eröffnet. Bangkok wurde am 8.Dezember besetzt und gezwungen, als japanischer Verbündeter dem Krieg gegen die USA und Großbritannien beizutreten. Für die Japaner war das damalige Siam vor allem als Zugang nach Burma wichtig. Im Januar marschierten sie in das Nachbarland Siams ein, am 7.März 1942 wurde dessen Hauptstadt Rangun besetzt.

Japans Imperialisten wollten noch weiter, über Thailand und Burma nach Indien. Weil der Seeweg von Singapur über die Straße von Malakka nach Rangun und Moulmein durch die Alliierten blockiert war, suchten die Eroberer die Alternative auf dem Landweg: Per Eisenbahn von Singapur via Bangkok nach Moulmein und Rangun. Teile der Strecke existierten schon; was fehlte, war das Verbindungsstück zwischen dem erwähnten Nong Pladuk in Thailand und Moulmein in Burma. So entstand auch die Brücke am Kwai, die heute allerdings nur noch in Teilen original ist, denn im Oktober 1945 wurde sie von der US Air Force zerstört.Der Bau der Dschungelbahn ab Juni 1942, der gleichzeitig in beiden Ländern begann, wurde zu einem weiteren Kapitel grauenhafter japanischer Kriegsverbrechen.

Von Thailand über Burma bis nach Indien sollte die Eisenbahn nach den Plänen der Japaner verkehren.

Fast 69 000 Kriegsgefangene, die POWs, Prisoners of War, wurden aus allen Himmelsrichtungen zur Baustrecke gebracht: 30 000 Briten, 18 000 Holländer, 13 000 Australier, 700 US-Amerikaner und Neuseeländer. Als das Projekt nur zögerlich vorankam, begannen die Japaner die "Operation Speedo" (wie die POWs sie nannten): Arbeitshetze um jeden Preis, Menschenleben spielten keine Rolle. Aus den besetzten Gebieten wurden zusätzliche 100 000 Zwangsarbeiter in den Dschungel deportiert: Chinesen, Malaysier, Birmanen, Javanesen, Eurasier.

Die Lebensbedingungen für die Gefangenen waren verheerend. Es gab keine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln. Die Unterbringung in den Bamboo Camps, den Lagern, war unzureichend.

Bamboo Camp: Im JEATH Museum sind die Lagerbaracken der früheren Kriegsgefangenen zu sehen

Medizinische Betreuung existierte kaum, obwohl zeitweise bis zu 80 Prozent der Gefangenen erkrankt waren. Sogar auf Tragbahren ließen die Japaner Kranke zur Arbeit an der Bahntrasse bringen. Malaria, Cholera, Diphterie und Ruhr forderten viele Opfer.

Die japanischen und koreanischen Wachmannschaften sahen mit Verachtung auf die Gefangenen herab, die ihre Niederlage akzeptiert und nicht Harakiri begangen hatten. "Diese Soldaten waren grausam, sadistisch und unmenschlich", erinnerte sich der Gefangene Geoffrey P. Adamas. Sie konnten nach Gutdünken verfahren, denn Japan war der Genfer Konvention nicht beigetreten.

Der Theologe und Gefangene Ernest Gordon im Buch "Miracle on the River Kwai" (1963): "Ein Bewacher, wegen einer Kleinigkeit wütend, fluchte und schleuderte einem der Gefangenen einen Hammer an den Kopf. Ein anderer japanischer Ingenieur instruierte zwei Gefangene sorgfältig, wie sie eine Dynamitsprengung vorbereiten sollten. Während diese seine Anweisungen ausführten, zündete der Japaner die Ladung, die die Männer in Stücke riß. Der weiße Kalkstein war vom Blut der Gefangenen knallrot gefärbt und der Tod war überall. Männer brachen auf ihrem Weg zusammen, verdurstet, erschöpft, krank oder verhungert. Die Japaner halfen dem Tod bei seiner furchtbaren Ernte, indem sie das Arbeitstempo immer schneller vorantrieben."

Schienenveteran der "Todesbahn": 65.000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter kamen beim Bau ums Leben

16 000 alliierte Kriegsgefangene und 49 000 Zwangsarbeiter kamen beim Bau der "Death Railway" ums Leben. Die exakte Zahl der Opfer wird nie festzustellen sein, denn viele wurden dort, wo sie umkamen, verscharrt.

Beide Eisenbahnlinien trafen am 17.Oktober 1943 bei Sangkhla zusammen. Japans Sprung nach Indien aber kam nie mehr zustande, weil der Widerstand gegen die Invasoren an allen Fronten zunahm und Burma 1945 aufgegeben werden mußte. Nach Japans Niederlage konnte man immerhin eines Teils der japanischen Kriegsverbrecher von der "Death Railway" am River Kwai habhaft werden.

Bei der Provinzstadt Kanchanaburi in Thailand besteht heute in der Pak Phraek Road das JEATH War Museum (JEATH steht für Japan, England, Australien, Thailand, Holland), in dem vom Leben in den Gefangenen-Lagern berichtet wird.

Erinnerungen an den japanischen Terror: Das JEATH Museum in Kanchanaburi

Zwei Friedhöfe bestehen nahe der Brücke: Der Kriegsfriedhof südlich der River Kwai Bridge, wo 6982 Gefangene begraben sind. Weitere 1750 Opfer sind auf dem Chong-Kai-Friedhof am Kwai Noi ("der kleine Kwai") bestattet.

6982 Gräber auf dem Kriegsfriedhof bei der Brücke am Kwai: Opfer eines weithin unbekannten Kapitels des 2. Weltkriegs in Asien

Die verbliebene Bahnlinie von Bangkok bis Nam Tok ist erst 1958 wieder vollständig hergestellt worden. Vom Erlös des Verkaufes der Trasse durch die Alliierten an Thailand wurde einiges an jene Männer weitergegeben, die die Bahn gebaut hatten. Pro britischen Kriegsgefangenen waren dies 75 Pfund.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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