Baskenland - La Rioja – Navarra - Burgos

Ein Rundkurs durch Spaniens Norden

Text und Fotos: Judith Weibrecht

La Rioja hat nichts mit der Farbe rot zu tun, wie oft fälschlicherweise angenommen wird. Oder doch: Hier wachsen Spaniens beste Rotweine. Der Name stammt aber vom Río Oja her, weshalb man ihm natürlich als Radfahrer die Reverenz erweisen muss und die Vía Verde del Río Oja in die Route mit einbauen sollte. Aber der Reihe nach.

Nordspanien - Guggenheim-Museum, Bilbao

Guggenheim-Museum in Bilbao

Es scheppert. Es kracht. Es knallt. Dickrandige Gläser werden auf den Marmortresen gestellt, kleine Teller mit Tapas in die Vitrine geschoben. Über allem hallt Stimmengewirr in dem kunstvoll gefliesten hohen Raum. In Café und Bar Iruña in Bilbao herrscht immer Hochbetrieb. Drei Señores mit akkurat gebügelten Hemden schütten einen Schluck Txakolin, baskischen Weißwein, in sich hinein. Einer zahlt. Man zieht ca. 10 Meter weiter. In die nächste Bar, wo sich das Ritual wiederholt. In den Siete Calles der Altstadt und den Gassen der Innenstadt frönt man dem Txikiteo, dem Schlendern von Bar zu Bar, von Weißwein zu Weißwein. Dazu gibt es Tapas.

Nordspanien - Blick von der Station der Zahnradbahn auf Bilbao

Blick von der Station der Zahnradbahn auf Bilbao

Bilbao ist heutzutage keineswegs mehr die düstere verseuchte Industriestadt, sondern modern und quicklebendig. Das titan-verkleidete Guggenheim-Museum mit seinen dauernden und wechselnden Ausstellungen, 1997 erbaut von Stararchitekt Frank O. Gehry, ist auf dem städtischen Radweg erreichbar und lockt um eine Million Besucher jährlich an. Futuristische Kunst ist in und um die ganze Metropole der Provinz Biskaia sichtbar. Mit der Seilbahn geht es hinauf auf den Artxanda-Hügel, von wo aus sich ein grandioser Blick auf die im Tal des Río Nervión eingezwängte Stadt und ihre Brücken eröffnet. Eine besondere gibt es auch etwas außerhalb in Portugalete. Die angeblich älteste Hängebrücke der Welt ist seit 1893 in Betrieb. Mit ihr geht es hinüber nach Getxo, wo städtische Leihräder für zwei Euro pro Tag und neu angelegte Radwege warten. Sie führen direkt an den Strand und in die Bars. Zum Txikiteo.

Nordspanien - die Hängebrücke von Portugalete (bei Bilbao)

Die Hängebrücke von Portugalete (bei Bilbao)

Ausgangspunkt Vitoria Gasteiz

Es tut sich was in Puncto Fahrrad. Problemlos lässt es sich in den Linienbus nach Vitoria Gasteiz verladen, wo unser Rundkurs beginnt. Vitoria Gasteiz ist die Hauptstadt des Baskenlandes und Baskisch, Euskera, heißt die Sprache, die Forschern immer noch Rätsel aufgibt. Auch hier gibt es städtische Leihräder. Wir nehmen die eigenen und radeln zunächst auf der Via Verde (V. V.) del Ferrocarril Vasco Navarro 1 (Grüner Weg der Baskisch- Navarrischen Eisenbahn) und auf Straßen bis nach Urturi im Izki-Naturpark. Vías Verdes, Grüne Wege, sind still gelegte Bahntrassen, die teilweise aufwändig restauriert, aufgeschüttet und so Wanderern, Reitern und Radfahrern zugänglich gemacht werden. Dabei geht es vorbei an alten Bahnhöfen, durch Dörfer, über Brücken und durch Tunnels. Auf der V. V. FC Vasco Navarro II z. B. durch den 1.415 m langen Tunnel von Arquijas, der angenehm kühl ist. Schilder am Wegesrand erklären die Bauten auf Spanisch. Der letzte Rest des Wegs ist nicht so schattig, und wir erreichen Estella erhitzt.

Nordspanien - Vía Verde del Ferrocarril Vasco Navarro II

Vía Verde del Ferrocarril Vasco Navarro II

Der Weinbrunnen von Estella

Estella, la bella, wurde die Stadt auch genannt. Mehrere Kirchen, Pilgerherbergen und ein Pilgerhospital liegen in den Gassen verstreut, und man merkt: Hier befindet man sich auf dem Jakobsweg. Die ultimativen Tipps bekommen wir vom Kellner der Bar Yerri. Er lehnt sich über den Tresen: „Befüllt morgen früh eure Wasserflaschen erst mal nicht. Am Kloster Irache gibt es nämlich einen Weinbrunnen. Einfach den Hahn aufdrehen und schon sprudelt’s!“. Schon, aber wir brauchen auch Wasser. Doch auch dafür gibt es eine Lösung: Nach dem Weingenuss kann man seine Flasche am Wasserbrunnen auffüllen. Gesagt, getan. An der „Weinquelle“ treffen mehrere Pilger ein aus Korea, Brasilien, Spanien, Frankreich. Erkennbar sind sie an der Jakobsmuschel, dem Zeichen u. a. dafür, dass man nach Santiago de Compostela pilgert. Ein drahtiger Rennradfahrer ruft: „Wo ist denn hier die Weinprobe?“, und wir weisen ihm den Weg zum roten Nass. Man hält ein Pläuschchen und wünscht sich dann: „Buen camino!“ Einen guten Weg! Auf dem Jakobs-Wanderweg sollte man aber nicht Rad fahren. Das mögen die Pilger, die zu Fuß unterwegs sind, verständlicherweise nicht, und man sollte dies respektieren. Ausweichen auf die kleinen Landstraßen heißt die Devise. So geht es durch welliges Land auf und ab, über grüne Hügel, die auf und ab wogen wie das Meer. Immer wieder blitzen Kirchtürme dahinter hervor. Weinreben ziehen sich rechts und links die Hänge hinauf. Bodegas, Kirchen und Klöster säumen den Weg. In Torres del Río erwartet Pilger und Kunstinteressierte die geheimnisvolle achteckige Kirche San Sepulcro aus dem 12. Jahrhundert, um deren Entstehung sich viele Legenden ranken. Im romanischen Stil erbaut, wie die meisten Bau- und Kunstwerke am Jakobsweg, zeigt sie auch maurische Elemente, denn Erbauer und Bildhauer waren Mauren, die in christlichen Diensten standen.

Nordspanien - Estella - Kloster Irache mit Weinbrunnen

Kloster Irache mit Weinbrunnen

Die autonome Provinz La Rioja

Das Weinland ist spätestens in Logroño, Hauptstadt der autonomen Region La Rioja, endgültig erreicht. La Rioja ist die kleinste autonome Region des spanischen Festlandes. Wer die Weinprobe nicht per Rad erfahren will, nimmt den Vinobus, der die Bodegas abklappert. Doch alles über Wein erfährt man auch im örtlichen Weinmuseum, und probieren lässt er sich bequemst in der Calle Laurel. Dort geht es feuchtfröhlich zu. Die ganze Nacht wabern Menschengrüppchen auf und ab. Eine Band zieht von Bar zu Bar, einer feiert seinen Junggesellenabschied im Tütü mit gelber Perücke. Elefantenpfad wird die Barmeile auch genannt. Auch die Plaza del Mercado um die barocke Konkathedrale Santa María de la Redonda wird von Cafés gesäumt. Etwas Besonderes ist das Café und Bar Moderno um die Ecke. Es wirkt herrlich antik mit Messingstangen um die marmorne Theke. Alte schwarz-weiß - Fotos zieren die Wände. In der Mitte hängt eine Bahnhofsuhr. Ein Stierkampf wird im Fernsehen übertragen und von den anwesenden Herren kommentiert. Die Auswahl an Pintxos, wie die Tapas hier in Nordspanien genannt werden, ist immens: Thunfisch mit Oliven, Tortilla in allen Variationen, Fischkroketten.

Nordspanien - Logrono - Konkathedrale Santa María la Redonda

Konkathedrale Santa María la Redonda

Am Morgen kann man in der Art-Déco-Markthalle San Blas Verpflegung aufstocken für den Weg nach El Cortijo und weiter ein Stück am Río Ebro entlang. Störche schwingen ihre Flügel über den Auen, Familien grillen am Wegesrand. Durch das Töpferstädtchen Navarrete radeln wir bis Nájera, wo wir vom Jakobsweg abbiegen Richtung Süden und Berge. Wer will, macht einen Abstecher zu den geschichtsträchtigen Klöstern Suso und Yuso. Die besten Caparrones rojos jedoch, rote Bohnen, gebe es in Aguianao, erzählt Bernardo, den wir am Wegesrand treffen. „Dazu gibt’s Chorizo, Paprikawurst, gutes Brot und guten Wein, und du fühlst dich wie im Himmel.“ Stimmt. Und es stärkt Radfahrer ungemein. „Delicioso!“ Ab hier wird die Straße enger, kurvenreicher und auch voller Schlaglöcher. Keine Menschenseele ist zu sehen oder zu hören, nur Tierseelen: rotbraune Kühe, fahlgelbe Schafe, klappernde Störche, ein Kuckuck ruft. Die Bergwelten scheinen wild und einsam, fast muten sie schottisch an. Am Stausee Mansilla schlängelt sich das Sträßchen weiter durch die Sierra de la Demanda, auf deren höchsten Gipfel im Winter Skisport betrieben wird (San Lorenzo, 2.270 m). Sie ist auch Namensgeberin für den Grünen Weg, der in Monterrubio beginnt: Vía Verde de la Sierra de la Demanda.

An der Vía Verde, in Riocavado de la Sierra, hatten wir bei Magdalena übernachtet. Magdalena betreibt das Landhaus „La Antigua Olma“. Die Fahrräder werden wie selbstverständlich in den Hausgang geschoben, im Kamin brennt ein Feuer, und wir werden auf 1.174 m hervorragend bekocht. Nach dem Mahl serviert die Hausherrin selbst hergestellten Pacharán, eine Art Anis-Schlehen-Likör mit verschiedenen geheimen Kräuterzusätzen. Nicht einmal ein Hahn weckt uns am Morgen. Ruhe. Das Herz der Sierra ist stumm. In der Dorfkneipe werden wir wie Eindringlinge argwöhnisch beäugt. Magdalena zeigt uns noch eine aufgelassene Mine mit Lore am Dorfrand und den schönsten Blick auf den Ort. Dann geht es durch 100 Jahre Einsamkeit: Kühle Wälder, feuchte Schluchten, rotbraune Erde überall. Nur langsam dringen die Sonnenstrahlen durch das Blätter- und Wolkendach. Eine Weile radelt man auf den 1.400m hohen Puerto Manquillo, dann nur noch abwärts. Die Vía Verde ist perfekt ausgeschildert, sogar Kilometer- und Zeitangaben und Rastplätze mit Fahrradständern aus Holz gibt es. Einige Jungs scheinen am anderen Ende des Stausees zu fischen, doch ansonsten treffen wir auf 45 km ganze vier Leute. Und im einzigen Dorf am Wegesrand, Pineda de la Sierra, scheinen alle kollektiv verstecken zu spielen. Das Ende des Wegs ist in Arlanzón erreicht, wo wir wieder auf eine kleine Landstraße einbiegen. Und auch dort, am Uzquiza-Stausee, ist es wild und einsam. Die Blumen und Kräuter, die man am Wegesrand findet, entdecken wir auch in einer Ausstellung in der Dorfbar von Alarcia. Eine Monster-Tortilla im Brötchen geht über den Tresen, denn vor Ezcaray muss noch ein Pass überwunden werden.

Nordspanien - im pittoresken Ezcaray

Im pittoresken Ezcaray

Ezcaray ist nach der Einsamkeit der Sierra ein wahrhaft hübsches und lebendiges Städtchen. In den kleinen Geschäften in den Arkadengängen gibt es die Spezialitäten der Rioja zu kaufen: Wein natürlich, aber auch Honig, Käsekuchen und Pacharán. Die Hijos Cecilio Valgañon weben und verkaufen farbenfrohe Schals und Decken aus Mohair und Babyalpaka. Scheinbar fungiert die Plaza als Kinderspielplatz. Mamas, Papas, Omas und Opas sitzen drumherum in den Cafés und lassen die Kleinen toben.

Nordspanien - Milagros (Wunder), Gebäck in Santo Domingo de la Calzada

Milagros (Wunder), Gebäck in Santo Domingo de la Calzada

Ab Ezcaray geht es auf der Via Verde del Río Oja weiter, die jedoch leider gerade aufgegraben ist, da Rohre verlegt werden. So müssen wir immer wieder auf die Landstraße ausweichen. Trotzdem ist Santo Domingo de la Calzada schnell erreicht. Pilger und Jakobsmuscheln allerorten. Kein Zweifel: Hier kreuzt der Jakobsweg. In den Geschäften gibt es Wanderstöcke und T-Shirts mit Heiligenaufdruck. Wunder, milagros, kann man sich in Gebäckform einverleiben: eine Art Blätterteig mit Marmelade gefüllt. Der Renner jedoch sind die Plüschhühner mit Bewegungsmelder, die anfangen zu gackern, wenn jemand vorbei kommt. Es gibt sie, weil in der Kathedrale des Hl. Domingo gegenüber Hühnerkrähen erschallt. Im gotischen Hühnerkäfig residieren im Weihrauchdunst aufgrund einer Legende Hahn und Henne. Denn einst soll hier ein Hühnerwunder passiert sein, das ein knusprig gebratenes Huhn vom Teller des Richters wieder auffliegen ließ. Huhn, pollo, gibt es heute auch als günstiges Pilgermenü, 3 Gänge für 10 Euro in der Taberna: Kichererbseneintopf, Huhn mit handgeschnitzten Pommes, hausgemachter Kuchen, dazu Rotwein, Brot und danach ein Kaffee. So gestärkt kann es weitergehen, vorbei an knorrigen Rebstöcken in die Weinmetropole Haro. Man radelt durch die Weinherrlichkeiten und das bekannteste Weinbaugebiet Spaniens, La Rioja. Mehr als 2.000 Bodegas soll es hier geben. Im Centro de Interpretación del Vino erfährt mal alles über den Wein, den man in den traditionsreichen umliegenden Bodegas probieren kann. Geschichte zum Trinken und Genießen. „Wein öffnet die Sinne und ist Medizin“, meint der Audioguide auf Deutsch. Nun denn.

Nordspanien - Störche allerorten

Störche allerorten

Auf dem Kirchturm hoch oben erkennen wir wie auf fast allen Türmen der Rioja ein Storchennest. Der Storch klappert unermüdlich. Was will er sagen? Hasta luego, bis bald! Bestimmt. Strand und Massentourismus sind im grünen Spanien weit weg. Und das ist gut so.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Suchen bei schwarzaufweiss

Reiseveranstalter Spanien bei schwarzaufweiss

Reiseveranstalter Kanaren bei schwarzaufweiss

 

Reiseführer Andalusien

Das Gros der Besucher hat in Andalusien ein Ziel: die Buchte und Strände der Mittelmeerküste. Insgesamt sind die Küsten Andalusiens zwar über 800 km lang, von breiten Atlantik-Sandstränden wie z.B. in der Gegend von Conil bis hin zu kleineren Buchten am Mittelmeer. Doch die meisten Touristen zieht es an die Costa del Sol, wo sich drei Viertel des gesamten Bettenangebots konzentriert. So manchem bleibt da verborgen, daß Andalusien weit mehr zu bieten hat als Sonne und Strand.

Reiseführer Andalusien

Mehr lesen ...

Kurzportrait Spanien

"Wäre es nicht besser, statt von Spanien über 'die Spanien' zu sprechen?" hat der bekannte Dichter Juan Goytisolo einmal gefragt. Unterschiedlich wie all die Wirklich- und Befindlichkeiten der Regionen sind ihre landschaftlich-kulturellen Schätze. Da gibt es die grünen Buchten Kantabriens und die Halbwüstengebiete Almerías, die kargen Klippen La Gomeras und die sonnendurchfluteten Strände der Costa del Sol, die maurischen Schätze Andalusiens und die präromanischen Kirchen Asturiens - und natürlich Top-Museumsadressen wie das Guggenheim-Museum von Bilbao.

Kurzportrait Spanien

Mehr lesen ...

 

Im Südwesten Mallorcas. Peguera und Umgebung entdecken

So etwas wie Sprachprobleme kann dem deutschen Touristen in Peguera (kastilisch Paguera) auf der Baleareninsel Mallorca eher selten passieren, denn der rund 24 Kilometer von Palma de Mallorca entfernt im Südwesten gelegene Ort sei der Urlaubsort der Deutschen auf der Insel, ist in manchem Reiseführer zu lesen.

Mallorca - Pagera

Mehr lesen ...

Reiseführer Madrid

Madrid ist ein idealer Ort für Stadtrundgänge zu Fuß: ein räumlich überschaubares Zentrum, imposante Plätze und Häuserfassaden, völlig gegensätzliche Stadtbilder, extrovertiertes Leben auf den Straßen und natürlich jede Menge spanischer Geschichte. Angefangen von der Verlegung der habsburgischen Königsresidenz oder der Blütezeit spanischer Kunst und Literatur im 17. Jahrhundert bis hin zu dem durch Goya verewigten Befreiungskampf gegen Napoleon und der Belagerung Madrids während des Spanischen Bürgerkrieges – alle für Spanien wichtigen Ereignisse und Entwicklungen spielten sich zuallererst in der Hauptstadt ab.

Reiseführer Madrid

Mehr lesen ...