Ausbrechen aus der Enge der Welt

Auf den Spuren der Eroberer Amerikas in der spanischen Extremadura

Text und Fotos: Beate Schümann

Eine Party hat es am spanischen Hof sicher gegeben, und vielleicht haben Isabel und Fernando ein Fass Sherry fino geöffnet, als im März 1493 der Kurier mit der Nachricht kam, Kolumbus habe Westindien entdeckt. Denn mit der Entdeckung winkten ihnen nicht nur neue Länder, sondern auch viel Gold. Die Neuigkeit verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Auch in der Extremadura, dem Landstrich zwischen der Grenze zu Portugal im Westen und der Hauptstadt Madrid im Osten, der jahrhundertelang von Christen und Mauren stark umkämpft und deshalb den Namen „extrem hart“ bekam. Ausgerechnet aus dieser Gegend stammen die Helden der spanisch-amerikanischen Geschichte: Cortés, der Eroberer von Mexiko, Pizarro, der Eroberer von Peru und viele andere folgten Kolumbus’ Beispiel. Heute kann man in der Extremadura auf ihren Spuren reisen.

Spanien Extremadura  Stasdtansicht

Trujillo ist die Konquistadoren-Hochburg. Schon von weitem sticht die Burg auf der Spitze eines Granitfelsens hervor, die überall aus der Erde ragen. Die Wappen an den Palästen in der Oberstadt verraten die Herkunft von Francisco Pizarro, dreier Brüder, die mit ihm gingen, und von Francisco de Orellana, dem Amazonas-Entdecker, um die bekanntesten zu nennen. „Mehr als 1.500 Trujillanos sind in die Neue Welt gegangen. Viele kehrten goldbeladen zurück, legten sich Titel zu, bauten Paläste und stifteten Kirchen“, erklärt der Stadtchronist José António Ramos die vielen Adelshäuser, Gotteshäuser und Klöster im Ort.

Spanien Extremadura Blick auf Trujillo

Trujillo: Blick von der Burg auf die Stadt

Um die Plaza Major drängen sich Adelshäuser, Kirchen und Klöster. Die Reiterstatue von Pizarro beherrscht die Mitte des Platzes, wie überhaupt die Pizarros in der Stadt einst den Ton angaben. Ihr Palacio del Marqués de la Conquista mit dem aufwändigen Eckbalkon ist denn auch der protzigste. Der Aufstieg zur Burg führt an der vollständig erhaltenen Stadtmauer entlang, zum Orellana-Palast, dem Friedhof, wo der Wärter das verwitterte Grab von Hernando Pizarro gern zeigt, zum Pizarro-Museum und schließlich zum Castillo.

Die Heimat der schwarzen Madonna

Von der halbzerstörten Burg mit den zwei Toren, siebzehn Türmen und mindestens zehn Meter hohen Wehrmauern ist der Blick in die weite Landschaft umwerfend. Am Ende der Maurenkriege war der Weg bis zum Meer frei. „Nachdem die ´ungläubigen´ Mauren vertrieben waren, waren die christlichen Krieger nach gut 500 Jahren plötzlich arbeitslos“, erklärt der Stadtchronist Ramos. „Deshalb verlegten sie den Kriegsschauplatz von der Extremadura einfach in die neu entdeckte Welt.“

Eine halbe Autostunde später ist Cáceres erreicht. Die schmale Pflastergasse, die unter dem Sternbogen Arco de Estrella beginnt, führt geradewegs in eine andere Zeit: Pferde und Esel mögen sich hier gedrängelt haben. Für Autos ist kein Platz. Arkadengänge, Tore, ineinander verschachtelte Häuser und Paläste, Steintreppen, Wehrgänge, mit Geranien geschmückte Balkone, Bogenfenster, tropfende Brunnen aus Naturstein – alles fast so wie früher, und ein paar nette Cafés dazwischen. Der Palacio de los Toledo-Montezuma steht als etwas hilfloses Symbol für die Vereinigung der europäischen und südamerikanischen Kultur: Der Vater des Bauherrn war ein Cortés-Kapitän, die Mutter Tochter des Azteken-Herrschers.

Spanien Extremadura Monasterio

In der waldreichen Gebirgslandschaft der Sierra de Guadalupe lotst eine kurvenreiche Landstraße direkt zu jenem Kloster, das Spaniens wichtigstes Heiligtum birgt: das Monasterio de Guadalupe (Foto oben). Seit 1341 ist es das Zuhause der kleinen, schwarzen Madonna, der Schutzpatronin der Extremadura und ganz Spaniens. „Viele Konquistadoren kamen her, bevor sie in See stachen, auch Pizarro und Cortés, viele Male, um den Segen der Jungfrau zu erbitten“, erzählt Padre Javier, der die 200 Hektar große Klosteranlage mit neun Brüdern bewohnt. Die schwarze Madonna in der Altarkapelle bleibt jedoch hinter einem prächtigen Gitter unerreichbar. „Auch Kolumbus hat sich nach der Entdeckung Amerikas vor ihr verneigt,“ sagt der Franziskanermönch, der jeden Abend die schwere Bronzetür des gotischen Gotteshauses schließt.

Ein spanisches Rom

Die Luft flimmert über dem Asphalt. Es ist heiß. Auch darin ist die Extremadura extrem. Eine römische Steinbogenbrücke führt über den Guadiana-Fluss nach Medellín hinein. Auf dem Berg wacht ein Castillo über eine Handvoll weißer Häuser. Keine Menschenseele auf der Plaza vor der Kirche. Nur ein Storch fliegt sein Nest auf dem Kirchturm an, und eine schwarze Katze schleicht in den Schatten jenes Denkmals, das dieses verschlafene Mini-Dorf mit welthistorischen Ereignissen in Verbindung bringt: Hernán Cortés in Siegerpose, 1485 hier geboren, Eroberer von Mexiko. Mit 34 zog er in die Hauptstadt Tenochtitlán, hatte Montezumas Imperium mit nur 600 Männern unterworfen und sagenhafte Goldschätze erbeutet.

Spanien Extremadura Medellín

Die Burg von Medellín

Mérida, 40 Kilometer weiter, glänzt nicht mit Konquistadoren-Generationen. Der Abstecher führt in die römische Vergangenheit. Wo auch in der Hauptstadt der Extremadura gegraben wird, werden Obelisken, Thermen und Mosaiken gehoben. Vom Teatro Romano, dem Amphitheater, dem Circus Maximus bis zum Diana-Tempel und dem Aquädukt deutet alles auf ein spanisches Rom hin.

Spanien Extremadura Mérida

Mérida: Römische Relikte allerorten

Etwas weiter südlich verbreitet Zafra andalusischen Charme. La Sevilla chica, Klein-Sevilla, nennen die Einheimischen ihre Stadt liebevoll. In der trutzigen Burg, die rundum von Bougainvilleen, Hibiskus und Oleanderbüschen geschmückt ist, soll einmal Hernán Cortés genächtigt haben, weshalb der heutige Parador seinen Namen trägt. Mit Glück führt der Portier den Gast zum hohen Wehrturm: Ein Luxusblick auf die Altstadt, die weißen Häuser und die gotische Candelaria-Kirche!

Die letzte Zuflucht des mächtigsten Mannes der Welt

Unweit von Zafra liegt Jerez de los Caballeros, Alkazár der Mauren und Burg der Tempel- und Santiago-Ritter. Der berühmte Stadtsohn heißt Pedro de Balboa, der 1513 erstmals zum Pazifik vordrang. Für den Stadtchronisten Feliciano Correa ist jedoch klar, dass auch Hernando de Soto, Eroberer von Florida, aus Jerez stammte. Womit er dem Nachbarort Barcarotta, der erst vor drei Jahren ein zweites Soto-Denkmal aufgestellt hat, die Ehre streitig macht. „Mehr als 300 Männer aus Jerez gingen in die Neue Welt“, sagt Correa. „Es ist der alte Traum des Mittealters: aus der Enge der Welt auszubrechen.“

Spanien Extremadura Pedro de Balboa

Pedro de Balboa schaut Richtung Amerika und zum Pazifik

Wer eine Kultur-Pause braucht, kann in der grünen Extremadura, im Naturpark Monfragüe und im urwüchsigen Vera-Tal, Energie auftanken. Auch Kaiser Karl V., der Neffe und Erbe der Katholischen Könige, zog sich 1556 in diese Idylle zurück, nachdem er sich an seinem Superweltreich aufgerieben hatte. Da an seinem Alterssitz im Hieronymiten-Kloster Yuste noch gebaut wurde, überließ ihm der Graf von Oropesa seine Burg in Jarandilla de la Vera als Übergangslösung – heute ein Parador. In Yuste zeigen Mönche in weißer Kutte und brauner Kapuze die Räume, wo der zu seiner Zeit mächtigste Mann der Welt seine letzten Tage verbrachte, bis er 1558 an Malaria starb.

 

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