Radeln in Schottland

Küste und Kastelle

Text und Fotos: Judith Weibrecht

Schottland - Landschaft

Die Nationale Radroute Nr. 1, Coast & Castles North, führt u. a. 277 Kilometer von der schottischen Hauptstadt Edinburgh nach Aberdeen die Nordseeküste entlang. Sie ist Teil der EuroVelo-Route 12 und der Nordseeküsten-Route und bietet faszinierende Ausblicke auf Klippen und Küste, Burgen und Berge.

Schottland - Edinburgh - Bar

Jetzt heißt es, mächtig in die Pedale treten. In Edinburgh (1) geht’s steil zu, denn die Stadt wurde auf ehemaligen Vulkanen erbaut. Einer davon bietet einen hervorragend Ausblick: Arthur’s Seat. Von oben sieht man mittelalterliche und gregorianische Architektur in der Alt- und Neustadt. Drüben ist der Palace of Holyroodhouse, wo die Queen residiert, wenn sie in Schottland weilt, und die Scotch Whisky Experience auf Edinburghs Royal Mile, mit 3.500 unterschiedlichen Flaschen die weltgrößte Sammlung an Scotch Whisky. Denn „Eddnborrou“ mit gerolltem R ist Whisky-Hauptstadt und auch Gruselhauptstadt. In den Closes, Gassen, spukt’s. Dazu gibt es eine mannigfaltige Auswahl an Geisterführungen. Kein Wunder, dass hier Harry Potter erfunden wurde und Robert Louis Stevensons „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ in Edinburghs Straßen spielt. Zur Erdung besuchen wir eines der zahlreichen Pubs, in denen es natürlich auch Gespenster geben soll. Man nimmt seinen „wee dram“ ein, ein winziges Schlückchen Whisky. Außerdem frönt man in den museumsreifen, kathedralen-ähnlichen Pubs und Cafés den Cask Ales, ungefilterten, unpasteurisierten Bieren, verschiedenen Tees und Kaffees. In dieser schaurig schönen Stadt braucht man schließlich eine gute Unterlage und starke Nerven. Die Gespensterauswahl ist reichlich. Bestimmt kommt gleich Harry Potter um die St. Giles Katherale geflogen. Durch die Royal Mile schieben sich ganze Busladungen von Muggels/Touristen. Whisky- und Tartan-Shops finden sich in spitzgiebeligen, granitenen Häusern, die wie Schlösschen anmuten. Ins Innere der Tartan Weaving Mill & Exhibition lockt ein Klackern und Zischen, wo man die Entstehung der schottischen Karomuster der verschiedenen Clans bewundern kann. Ein Stück weiter bestaunen wir bei der Wachablösung vor der Burg die Männer in ihren schmucken Kilts mit zackigem Schritt.

Schottland - Edinburgh

 

Hügel, Buckel und Munros

Schottland - Edinburgh - WachablösungHinaus aus der Hauptstadt geht es zunächst nach South Queensferry (2). Der Radweg ist perfekt ausgezeichnet mit einem blauen Schild, auf dem ein weißes Fahrradlogo prangt und rot unterlegt die Nummer der Route: 1. Wir nehmen die spektakuläre, weit gespannte Forth Bridge unter die Räder, die mit einem Fahrradstreifen ausgestattet ist, und Blicke hinüber auf die Eisenbahnbrücke und den weiten Fjord/Meeresarm erlaubt. Über Land geht’s und es wird hügelig und grün. Grasgrüner Golfer-Rasen, hellgrüne Buckel und sanftgrüne Hügel, olivgrün schimmernde kleine Lochs, Seen. Im Hintergrund jagen dünne weiße Wolkenfetzen durch den Himmel. Ab und an hebt sich die Silhouette eines majestätischen Pferdes oder rostbrauner schottischer Rinder gegen den dräuenden Himmel ab. Es regnet. Doch das gibt der Landschaft einen magischen Anstrich, und irgendwoher muss das viele Grün ja kommen. Loch Leven (3) bei Kinross wurde schon von Theodor Fontane im 1860 veröffentlichten „Jenseit des Tweed“ beschrieben: „Das Land ist flach, aber nicht reizlos und gewinnt namentlich da, wo man des Loch Leven oder des Leven-Sees ansichtig wird, einen eigentümlichen Zauber.“ 1858 besuchte er den See und wurde hier zu seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" inspiriert. Der Anblick eines alten schottischen Schlosses auf einer Insel im Loch Leven soll es gewesen sein, der Wehmut und Heimweh nach Schloss Rheinsberg in ihm hervorgerufen hatte. In dem Schloss wurde einst Maria Stuart fast ein Jahr lang gefangen gehalten. Bei der Flucht half ihr der jüngste Sohn des Gefängniswärters und warf den Schlüssel zu ihrem Gefängnis in den See. Davon muss es einige Duplikate gegeben haben, denn er wurde mehrfach gefunden. Andere behaupten, er liege heute noch auf dem Grunde des Gewässers. Gruselig.

Schottland - Edinburgh - Landschaft

Vielleicht haben sich auch die Schotten durch Fontanes Schilderungen zum Wandern animieren lassen. Auf einem Wanderparkplatz treffen wir bei 11 °C Grad eine kurzbehoste Familie. Es scheinen Munroisten zu sein, schottische Bergsammler. Munros heißen die Berge, die über 3.000 Fuß (914 Meter) hoch sind, denn Sir Hugh Munro war es, der einst in den Kilt schlüpfte und sich anschickte, deren Anzahl festzustellen. Leider schaffte er nicht alle. Doch heutzutage darf sich jeder, der sämtliche 277 Gipfel erklommen hat, „Munroist“ nennen. Ob es auch Fahrrad-Munroisten gibt, ließ sich nicht ermitteln, und so machen wir nach einem kräftigen Anstieg, der jedem Munroisten zur Ehre gereichen würde, Pause in einem Wald. Wie eine Fata Morgana taucht das „Restaurant at the End of the World“ mit Biofarm, Café und Shop auf. Schottische Oat Cakes, Haferflockenplätzchen, ersetzen deutsche Müsliriegel. Dazu gibt es eine wärmende Tomaten-Basilikum-Suppe.

Royal Golf und Royal Tennis

Gestärkt rollen wir nun abwärts gen Falkland Palace (4), einem einstigen Jagdschloss der Stuarts (1501 – 41 erbaut) mit Royal Tennis Court, dem heute wohl ältesten Tennisplatz der Welt, bevor es wieder hügelig wird in Richtung St. Andrews (5), Pilgerstätte mit mächtiger Kathedrale in normannisch-gotischem Stil, Universitätsstadt und, vor allem, Heimstatt des Golfspiels. 1764 entstand in St. Andrews der erste 18-Loch-Platz der Welt. Der Traum jeden Golfers liegt am Meer: Es ist der seit dem 18. Jahrhundert bestehende Old Course. Ein Schild am Radweg warnt: „Caution, Golf in progress!“ Helm zu tragen ist hier also auch wegen tief fliegender Bälle ratsam. Wir ziehen die Köpfe ein, radeln gen Leuchars (6) und lassen das Old Course Clubhouse - ernste Herren in Clubjacken - rechts liegen.

In Leuchars ist kein Golfer zu sehen, aber eine kleine Pfarrkirche mit achteckigem Turm. Drumherum stehen bemooste, uralte Grabsteine, manche halb versackt. Der Himmel zieht sich zu, auf dem Turm krächzen zwei Raben. Wer sollte hier nicht an Spuk und Grusel glauben?

Sonnenbrand in Schottland

Schottland - Radweg am Wasser

Durch den verwunschenen Tentsmuir Forest mit mannshohen Farnen und Dünen und über die Tay-Brücke geht es nach Dundee (7), die einst Stadt der drei J genannt wurde: Jute, jam and journalism. Rote Marmelade und Journalismus gibt es auch heute noch: Dundee ist die Heimat der Dandy und Beano Comics. Es wird maritim, Möwen fiepen, der Himmel reißt auf. Die Küste wird steiler, erste Klippen zeigen sich und man radelt direkt am Ozean entlang von Fischerdorf zu Fischerdorf. Durch Broughty Ferry (8), auch hier gibt es eine Burg aus dem 14. Jahrhundert, geht es nach Arbroath (9), berühmt für seine „Smokies“, geräucherte Schellfische. Sie wären haltbar, aber sie lassen sich auch gleich am hübschen kleinen Hafen mit seinen dümpelnden Fischerbooten in der Sonne verzehren. Weiter draußen liegen die großen Pötte und Containerschiffe in Reihe. Sonne, oh ja, es soll hier nicht verschwiegen werden, dass wir bei 18 Grad die Sonnencreme aus den Packtaschen holten. Die Einstrahlung ist stark und wird von Meer und Lochs reflektiert. Auch das ist Schottland: Sonnenbrand in Schottland.

Schottland - Hafen von Arbroath

Red Castle, im 12. Jh. für William the Lion erbaut, heißt eine der beeindruckenden Ruinen, die sich gegen den Horizont abzeichnen. Doch für Sehenswürdigkeiten sorgt auch die Bank of Scotland, die die Radrouten mit so genannten Mile Posts ausgestattet hat: sehenswerten gusseisernen Kunstwerken.

Schottland - Mile Post

Hinter Montrose (10) wird das Land weit und man fährt durch eine fruchtbare Ebene, die Mearns. Bird watching ist angesagt im Naturreservat. Mit Ferngläsern und Bestimmungsbüchern bewaffnet stapfen Leute auf Stegen und beobachten Vögel, die sich zum Fischfang kopfüber ins Meer stürzen. Nach Golf und Munroismus sicher eine weiter schottische Outdoor-Leidenschaft. Wir „fangen“ unseren Fisch bei „The Hornblower’s“ in Gourdon (11). Michelle von unserem B & B Chapel of Barras Farm hatte verraten, dass es hier den besten battered haddock gibt. Nach der Bestellung reiht man sich gefälligst in die Schlange ein, die bis auf den Platz hinaus führt. Chef und Mitarbeiterin schuften im Akkord, und schließlich liegt er goldgelb auf dem Papier, der Schellfisch in Backteig, die Pommes ebenso. Ein Gedicht!

Schottland - Dunnottar Castle

Das Meer rauscht, bricht sich am Strand. Möwen erwarten ihren Teil und fressen alles, was Touristen ihnen zu bieten haben. Im Hintergrund schimmern rötliche steile Klippen. Aus rotem Sandstein wurde auch Dunnottar Castle (12) erbaut. Spektakulär auf einer gewaltigen 160 Fuß hohen Felsnase im tosenden Ozean gelegen, ist die Trutzburg nur über einen schmalen Pfad zu erreichen. Hier wurden die schottischen Kronjuwelen seit dem 14. Jh. verwahrt, und auch Cromwell ergatterte sie selbst nach achtmonatiger, am Ende erfolgreicher Belagerung 1651/52 nicht. Die Frau des Priesters von Kineff hatte die königlichen Insignien längst in Sicherheit gebracht - in die kleine Kirche von Kineff.

Die grandiose Kulisse der „Weihestätte schottischen Nationalgefühls“ ist auch in Zefirellis „Hamlet“ mit Mel Gibson und Glenn Close zu bewundern. Dunnottar Castle ist dem Schotten so identitätsstiftend wie Whisky, Kilts und Haggis – die Grundpfeiler schottischer Identität, die wir nun fast alle kennen gelernt haben. Bliebe nur noch Haggis, das Nationalgericht, das in seiner puristischen Form aus Innereien-, Hafermehl-, Rindfleisch- und Zwiebelhack in Schafsmagen besteht. Robert Burns verfasste dazu 1786 die „Ode an den Haggis“ die auch heute noch beim alljährlichen Burns’ Supper, dem Geburtstag des Nationaldichters, rezitiert wird.

Schottland - Aberdeen - Universität

In den Pubs der Granite City Aberdeen (13) ist er zu bekommen, auch in moderneren Formen ohne Schafsmagen. Außer silbergrauer Granitstadt ist „Ebrrdiehn“ auch eine Boomtown. Hektisch geht es zu in der Wirtschaftsmetropole, seit man hier in Öl macht. Draußen vor der Stadt liegen die Bohrinseln. Innerhalb hetzt man durch die Union Street. Das etwas weiter nördlich gelegene Old Aberdeen erscheint dagegen wie ein ruhiges Dorfidyll an der Don-Mündung. Am King’s College herrscht konzentrierte Ruhe, Studenten pilgern über den Campus. Die St. Machar’s Kathedrale gehört uns alleine. Am Strand zwischen Dee und Don nehmen wir Abschied. Obwohl, man könnte ja weiter radeln bis John O’ Groats. „Haste ye back!“, sagt man zum Abschied. Komm bald wieder!

 

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