Reiseführer Rom

Die Tiberinsel - (Isola Tiberina)

Sie steht auf einem massiven Sockel aus Vulkangestein. Schichten von Schwemmland haben sich auf ihm abgelagert. Die einzige Tiberinsel im Stadtbereich ist gut 280 Meter lang und ihre Breite erreicht rund 75 Meter. Von oben betrachtet, zeigt sie die typischen Umrisse eines Schiffes, eines gestrandeten Lastkahns etwa, an dessen Flanken das Tiberwasser träge entlang strömt. Zu Zeiten aber, als der Tiber noch nicht reguliert war, überspülte er unzählige Male die Ufer mit dramatischen Folgen für die Bewohner und ihr Hab und Gut.

Rom: Tiberinsel bei Niedrigwasser im August

Tiberinsel bei Niedrigwasser im August


Es gibt neben der Legende von einem gesunkenen Schiff als Fundament der Insel noch eine andere fabulöse Schilderung der Entstehung der Tiberina, die sogar an ein historisches Ereignis anknüpft, an die Vertreibung der Etrusker. Erzählt wird von wütenden Römern, die den letzten etruskischen König aus der Stadt verjagten, sich dann über seine gehorteten Getreidevorräte hermachten und sie in den Tiber schütteten. Es waren gewaltige Mengen und so wuchs nach und nach eine Insel empor, eben die Isola Tiberina.

Einen historischen Bezug kann man auch der folgenden Geschichte bei allen märchenhaften Zutaten nicht absprechen. Es geschah 292 oder 291 v. Chr. Eine schreckliche Pestepidemie suchte die Stadt heim. In ihrer Not entsandten die Oberen eine Delegation nach Epidauros auf der griechischen Peloponnes, dem Kultplatz des Gottes der Heilkunst Asklepios. Das römische Kriegsschiff, eine Trireme, kehrte mit einer heiligen Schlange an Bord zurück. In Höhe der Tiberina glitt die Schlange ins Wasser und schwamm zur Insel. Für die Römer kam das einer Aufforderung gleich, hier dem Gott der Heilkunst einen Tempel zu errichten und so geschah es. Im Jahre 289 v. Chr. wurde der Tempel geweiht. Er begründete eine Tradition als Heilstätte, die noch heute vor Ort lebendig ist. Das Heiligtum war eine Art Sanatorium. Seine Patienten begaben sich zum Schlaf in den Tempel, darauf hoffend, ihnen möge im Traum der Arzt mit tröstenden Worten und medizinischen Ratschlägen erscheinen.

Zur Erinnerung an die beschwerliche Reise der Trireme und ihren guten Ausgang ließ man die schiffsähnlichen Konturen der Insel an einigen Stellen besonders hervorheben. So wurde an der flussabwärts gerichteten Inselspitze ein mit Travertin verkleideter Schiffsschnabel (Rammsporn) angebracht, den ein heute stark verwittertes Relief des Asklepios (Äskulap) mit dem Äskulapstab schmückt. Möglicherweise wurde der entgegengesetzten Inselspitze ein steinernes Heck angepasst. Dass die ganze Insel mit steinernen Bohlen eingefasst war, wie vermutet wird, schließen Archäologen aus. Ein in antiker Zeit auf der Insel aufgestellter Obelisk wirkte wie ein Mast und verstärkte noch den Eindruck eines im Tiber verankerten oder gestrandeten Schiffs, das über „Fallreeps“ - die beiden Brücken - bestiegen wurde.

Was wäre die Isola ohne ihre Brücken? Sie zählen zu den schönsten und ältesten Denkmälern der Stadt und bleiben doch vielen Besuchern unbekannt.

Der Ponte Cestio, die Cestius-Brücke, verbindet das rechte Tiberufer mit der Tiberina. Sie ist die nächste Verbindung für die Bewohner des Stadtteils Trastevere zum Stadtzentrum. In der Antike waren die „Trasteverini“ arme Leute, mittellose Einwanderer aus den nahöstlichen Provinzen des Reiches, darunter viele Kriegsgefangene und freigelassene Sklaven, die sich als Handwerker und Kleinhändler oder Hafenarbeiter mühsam durchschlugen

Ponte Cestio, Rom

. Die Brücke wurde wahrscheinlich wenige Jahre nach dem Ponte Fabricio, der Verbindung zum linken Tiberufer, errichtet. Im Zeitraum 60 – 55 v. Chr. könnte das gewesen sein. Es war offenbar kein sehr stabiler Bau entstanden, denn bereits im 2. Jahrhundert unter Kaiser Antoninus Pius wurden Reparaturen notwendig und 365 sogar eine komplette Erneuerung, die ihrerseits nicht besonders tragfähig war und weitere Restaurierungen nach sich zog, so 1193 wie auch im 15. und 17. Jahrhundert.

Das heutige Aussehen des Ponte Cestio ist die Folge von Umbauarbeiten, die im Zusammenhang mit der Tiberregulierung Ende des 19. Jahrhunderts erforderlich waren. Der westliche Tiberarm wurde damals an dieser Stelle von 48 m auf 76 m verbreitert. Die Brücke war nun viel zu kurz und musste verlängert werden. Zunächst wurde sie in den Jahren 1885-1889 abgetragen, dann der mittlere Bogen mit den demontierten Travertinblöcken originalgetreu wieder errichtet, während die ursprünglich deutlich kleineren zwei Seitenbögen auf die Maße des mittleren Bogens verlängert wurden. Seit der Wiedereröffnung der jetzt 80 m langen und 8 m breiten Cestio-Brücke am 20. September 1892 bewältigen also drei gleich lange Bögen den lebhaften Publikumsverkehr.

Gleich mehrere Inschriften über den Brückenbögen geben Auskunft, wer den Ponte Fabricio erbauen ließ und wann das geschah. Es heißt dort, der curator viarum, der oberste Straßenverwalter Lucius Fabricius, Sohn des Gaius, habe sie im Jahr 62 v. Chr. errichten lassen. Weitere Inschriften verweisen darauf, dass Lucius Fabricius auch als Prüfer fungierte und die Brücke vor der Übergabe abnahm und auch die Konsuln Marcus Lollius und Quintus Lepidus werden in ihrer Funktion als Prüfer erwähnt. Im Gegensatz zu anderen antiken Tiberbrücken, die für den Überlandverkehr von Bedeutung waren, konnte mit dem Pons Fabricius und dem Pons Cestius der innerstädtische Verkehr zwischen Marsfeld, Marcellus-Theater, Tiberinsel und Trastevere erleichtert werden.

Ponte Fabricio, Rom

Die älteste, noch immer funktionsfähige Brücke im Stadtgebiet Roms weist einen starken Pfeiler mit einem kleinen Bogen auf. Er ruht auf einer felsigen Flussinsel. Der Bogen soll bei Hochwasser den Druck von der Konstruktion nehmen und das Abfließen des Wassers beschleunigen. Zwei Bögen mit einer Spannweite von ca. 24 m stützen die 62 m lange und 5,50 m breite Brücke. In ihrem Kern besteht sie aus Tuff- und Peperingestein. In den Anfängen war der Fabricio mit Travertinblöcken verkleidet, wie noch an der flussaufwärts gerichteten Seite zu sehen ist. Auf der anderen Seite ist es Ziegelwerk. Vermutlich stammt es von einer Restaurierung im 17. Jahrhundert, die Papst Innozenz XI. durchführen ließ. Zugleich veranlasste er die Entfernung des antiken Bronzegeländers, für das er sich eine ziemlich ungewöhnliche Verwendung ausgedacht hatte – es wurde zu Münzen verarbeitet und die Brücke erhielt steinerne Begrenzungen.

Vom Fabricio hat man einen schönen Blick auf den verlassen im Strom liegenden antiken Brückenbogen des Ponte Rotto, letztes Überbleibsel der ersten steinernen Brücke im Stadtgebiet und ein großartiges Denkmal römischer Ingenieurkunst. Am Ende des Fabricio, schon auf der Insel, fällt ein massiger Turm ins Auge. Der Torre Caetani stammt aus dem 10. Jahrhundert, einer unruhigen Zeit, in der die römischen Adelsgeschlechter in erbitterte Auseinandersetzungen um Einflusszonen in der Stadt verstrickt waren und sich hinter festungsähnlichen Bauten verschanzten. Beteiligt waren hier die Clans der Pierleoni und Caetani und auch einige ins Fadenkreuz ihrer Neider geratene Päpste fanden hier vorübergehend Unterschlupf, denn auch sie waren nur Schachfiguren im Machtpoker der Adelskaste.



Gegenüber liegt die erstmals im 11. Jahrhundert erwähnte Kirche San Giovanni Calibita. 1640 bzw. 1711 erhielt sie ihr heutiges Erscheinungsbild. Sie ist die Kapelle des Krankenpflegeordens der Barmherzigen Brüder vom heiligen Johannes von Gott und dient zugleich den Patienten und Mitarbeitern des angrenzenden großen Krankenhauses als Andachtsstätte. Das 1584 gegründete Hospital setzt die jahrtausendealte Tradition der Insel als Heilstätte bis in unsere Tage fort. Betreut wird sie von den Barmherzigen Brüdern, die sich und ihr Haus auch gerne in der Kurzform Fatebenefratelli („Brüder, die Gutes tun“) rufen lassen. Während der deutschen Besetzung Roms im 2. Weltkrieg brachten die Brüder viele Juden in ihrem Spital unter und gaben sie als Patienten aus.

Auf der anderen Straßenseite befindet sich die Kirche San Bartolomeo all`Isola. Ihr barockes Aussehen geht auf Restaurierungen zurück, die nach einem verheerenden Tiber- Hochwasser um 1624 vorgenommen werden mussten. Die damals durchgeführten Veränderungen täuschen darüber hinweg, dass die Kirche schon um das Jahr 1000 auf den Ruinen des oben erwähnten Äskulap-Tempels errichtet wurde. Wie es dazu kam und welche Rolle ein Sachsenkaiser, nämlich Otto III., dabei spielte, soll hier in gebotener Kürze dargestellt werden. Das aus altsächsischem Adel stammende Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches war als Dreijähriger zum römisch-deutschen König gewählt worden, übernahm mit 14 Jahren die Regentschaft und wurde als Sechzehnjähriger zum Kaiser gekrönt. Er war noch keine zweiundzwanzig, als er starb. In seinen sechs Kaiserjahren verbrachte er mehr Zeit in Rom, als jeder andere mittelalterliche Kaiser vor ihm und nach ihm und das hatte einen triftigen Grund: er war erfüllt von der Idee, das römische Imperium zu erneuern und Rom zum Mittelpunkt des Reiches zu machen, in dem Kaiser u n d Papst einvernehmlich ihren Dienstgeschäften nachgingen. Doch Roms Stadtadel spielte nicht mit. Um Macht und Pfründe fürchtend, griff er zu den Waffen. In einem der Aufstände fand der Kaiser den Tod.

San Barolomeo, Rom

Kurz vor der Jahrtausendwende hatte er den Auftrag zum Bau der Kirche gegeben und sie dem heiligen Adalbert, einem Freund und Weggefährten, geweiht. Adalbert von Prag war 997 nahe Danzig von einem Götzenpriester erschlagen worden. Otto III. ließ den Leichnam nach Rom bringen, um ihn in der neuen Kirche zu begraben. Andere Reliquien von Heiligen und Märtyrern folgten, darunter auch der Leichnam des Apostels Bartholomäus, eines Gefährten Jesu, der auf wundersame Weise fünf Jahrhunderte zuvor an die süditalienische Küste gespült worden war und in einer Kirche der Stadt Benevento aufbewahrt und später Otto III. überlassen wurde, was die Beneventer dann plötzlich in Frage stellten. Die Geschichte mit ihren merkwürdigen Wendungen konnte Kaiser Friedrich Barbarossa nicht davon abhalten, das Patrozinium, die Schutzherrschaft, 1167 auf den Apostel Bartholomäus zu übertragen.

Hinter der Kirche ragt der romanische Campanile aus dem 12. Jahrhundert auf. Vierzehn antike Säulen, die wahrscheinlich aus dem Äskulap-Tempel stammen, stützen die drei Kirchenschiffe, je drei Kapellen sind den äußeren Seitenschiffen angegliedert. Zum erhöht liegenden Querhaus führen Treppen hinauf und in ihrer Mitte steht eine mittelalterliche Brunneneinfassung aus Marmor, ursprünglich ein Säulenstumpf. Sie überdeckt eine 12 m tiefe Grube, vermutlich der einstige Brunnen des Äskulap-Tempels. Die Brunneneinfassung zeigt an ihren Seiten Darstellungen Christi, des heiligen Albert, des St. Bartholomäus und des Kaisers Otto III., in den Händen sein Zepter und ein Modell der Kirche. Dass der Brunnen häufig genutzt wurde, belegen die tiefen Einkerbungen am Rand, die von den Seilen stammen, mit denen der Eimer hochgezogen wurde. Eine antike römische Wanne aus Porphyr-Marmor, welche die angeblichen Reliquien des Bartholomäus birgt, bildet den Hauptaltar. Sehenswert sind auch die zwei säulentragenden Löwen vor der Kapelle rechts vom Chor und erst in jüngster Zeit wurde in der Apsis ein mittelalterliches Fresko in byzantinischer Manier freigelegt.





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