Reiseführer Rom

Cestius-Pyramide

Die gleißende Marmorverkleidung und die aufsteigenden Linien ihrer perfekten Geometrie machen sie zu einem weithin sichtbaren Monument im Stadtbild Roms.  Nachahmungen ägyptischer Vorbilder kamen nach der Eingliederung der Nilprovinz in das Römische Reich zu Zeiten des Princeps Augustus stark in Mode. Stilbestimmend waren dabei weniger die pharaonischen als vielmehr die jüngeren ptolemäischen Bauten. Es entstanden damals vier Pyramiden in Rom, von denen nur eine, die des Gaius Cestius, die Umgestaltungen der urbanen Topographie in den letzten 2.000 Jahren überlebte.

Cestius Pyramide

Blick vom Fremdenfriedhof auf die Cestius-Pyramide

Die aus dem Rahmen fallende Grabstätte des Beamten Cestius, Piramide di Caio Cestio, wie die Römer sie nennen, liegt im Stadtteil Testaccio südlich des centro storico. Ganz in der Nähe erhebt sich die zinnengekrönte Porta San Paolo, eines der am besten erhaltenen Stadttore in der Aurelianischen Mauer. Im Jahre 271 ließ Kaiser Aurelian die Pyramide in die nach ihm benannte Stadtmauer einbeziehen. Nicht Turm, noch Tor und auch nicht Bastion, verleiht sie diesem Mauerabschnitt einen orientalischen Akzent.

Wer der Auftraggeber des Grabmonuments war, verraten zwei gleichlautende Inschriften an der Ostseite des Bauwerks und an der Eingangsfront im Westen:
C(aius) Cestius L(uci) f(ilius) Pob(lilia tribu) praetor, tribunus plebis (septem) vir epulonum
„Dem Gaius Cestius, Sohn des Lucius, aus dem Bezirk Poblilia (in der Region Latium), Praetor (hoher Justizbeamter, zweiter Mann nach dem Consul), Volkstribun (Interessenvertreter der Plebejer) und Septemvir epulonum (Mitglied des siebenköpfigen Priesterkollegiums, das die Ausrichtung festlicher Gastmähler nach öffentlichen Spielen organisierte)

Eine weitere, kleinere  Inschrift auf der Ostseite besagt, dass der Bau der Pyramide auf Grund einer testamentarischen Verfügung in weniger als 330 Tagen vollzogen wurde. Und noch eine Inschrift aus neuerer Zeit erinnert an Restaurierungsarbeiten im Jahre 1663, veranlasst von Papst Alexander VII.

Die Seitenlänge der quadratischen Pyramidenbasis beträgt 29,50 m, die Höhe 36,40 m.
Zum Vergleich die Cheops-Pyramide: Höhe (heute) 138,75 m, ursprünglich 146,50 m, Seitenlänge: 225 m (heute), 230,33 m (ursprünglich). Erbaut 2.580 v. Chr.

Die deutlich kleinere römische Pyramide wurde zwischen den Jahren 18 und 12 v. Chr. errichtet. Der mit dem betonähnlichen Baustoff opus caementitium ausgeführte Bau ist an den Fundamenten mit Travertinplatten verkleidet, die Seiten mit Luni-Marmor. Marmi di Luni wird in den Apuanischen Alpen im Nordwesten der Toskana gewonnen. Bestimmte Partien des Pantheons, des Trajan-Forums und die Trajan-Säule wurden aus Luni-Marmor gefertigt.

Eine kleine Pforte auf der Westseite mit den Maßen 1,10 m x 1,80 m leitet Besucher in einen engen, 10 m langen mit Ziegelsteinen verblendeten Gang, der zur Grabkammer führt. Sie ist 5,85 m x 4 m groß. In 4,80 m Höhe überdeckt ein Tonnengewölbe den Raum. Wie ihre ägyptischen Vorbilder war auch die römische Grabkammer mit Fresken ausgemalt, die heute leider stark verblasst sind. Auf Wandfeldern mit Kandelabern sind anmutige, weiblich Gestalten auszumachen, zwei stehende und zwei sitzende (vielleicht Priesterinnen), die lesen oder Gefäße und Flöten in den Händen halten. Vier schwebende Siegesgöttinnen als Deckenmalerei sind wohl Sinnbilder der Verherrlichung des hier beigesetzten Gaius Cestius. Die einstmals farbenfrohen, prächtigen Wand- und Deckendekorationen gehören zu den ersten Malereien, die dem 3. ornamentalen Stil der Römischen Wandmalerei zugeordnet werden können. Ihren Höhepunkt hatte diese Stilrichtung in den Jahren zwischen 15 v. Chr. und 50 n. Chr.



Einen tiefen Eindruck hinterließ die Cestius-Pyramide bei J. W. von Goethe. Auf seiner Italienreise 1786/88 verbrachte er viele Monate in Rom. Hier und andernorts waren  Begegnungen mit dem Tod in Gestalt von Grabreliefs, Sarkophagen und Grabplastiken für ihn eine ganz neue Erfahrung, verlor der Tod doch durch das Gedenken in einer ästhetisch ansprechenden Form seinen Furcht einflößenden Charakter. Der alte Totenkult um die Pyramiden Ägyptens, die er für „die ungeheuerste Architekturidee“ hielt, spiegelte sich in der „Cestius“. Sie faszinierte ihn, fand Erwähnung in der „Italienischen Reise“ und geriet in der „Römischen Elegie“ zu einem poetischen Bild für den Tod: „Dulde mich, Jupiter, hier, und Hermes führe mich später, Cestius Mal vorbei, leise zum Orkus hinab.“

Mehrfach hat Goethe die römische Pyramide im Bild festgehalten, sie dabei in einer phantastischen nächtlichen Landschaft mit einer Bergkette im Hintergrund und einem See im Vordergrund angesiedelt. Eine lavierte Federzeichnung betitelte er „Pyramide des Cestius im Vollmondlicht“ und einem Aquarell gab er den Titel „Pyramide am Ufer eines Sees bei Vollmond“. Oft hat ihn der Wunsch bewegt, sein Grab im Schatten der Pyramide zu finden. „Vor einigen Abenden, da ich traurige Gedanken hatte, zeichnete ich meines  bei der Pyramide des Cestius . . .“, schrieb er im Februar 1788 an Fritz von Stein. Doch nicht er, sondern sein 1830 in Rom verstorbener Sohn August fand auf dem Fremdenfriedhof im Angesicht der Pyramide seine letzte Ruhestätte, „patri antevertens“, dem Vater vorangehend, wie Goethe sen. hoffnungsvoll auf dem Grabstein vermerken ließ.





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