Portugal im Überblick

 

Der Reiz liegt im Unterschied. Flächenmäßig ist Portugal gerade doppelt so groß wie Niedersachsen, und doch können die Kontraste zwischen den einzelnen Regionen kaum größer sein. "Portugal ist Lissabon, der Rest ist Landschaft." Die Beschreibung stammt zwar aus dem 19. Jahrhundert, doch eine bessere für den Gegensatz zwischen Stadt und Land gibt es bis heute nicht. Lissabon ist die pulsierende, alles beherrschende Metropole, eine der schönsten Europas. Die Hauptstadt hat das Flair einer Weltstadt und zeigt sich, wie New York oder Paris, in vielen Gesichtern. Sie ist prachtvoll und morbid, pompös ohne Protz, atemlos mit Gemächlichkeit, arrogant mit Herz. Wo der Tejo mündet, streckt sich die "portugiesische Riviera" mit ihren eleganten Seebädern Estoril und Cascais dem Atlantik entgegen.

Um nahen Umfeld Lissabons liegen kochkarätige Sehenswürdigkeiten wie Belém, Sintra und Queluz. Kaum hat man aber den Großraum Lissabons verlassen, kommt man in ländliche, einsame Gegenden. Es genügt manchmal, wenige Kilometer zu fahren, und schon ändern sich Bräuche, Kunsthandwerk und Küche. Überall treten die Spuren in Erscheinung, die Klimazonen, Erdanatomie und örtliche Biographien hinterlassen haben.

Als die "heimliche Hauptstadt" rühmt sich Porto, die zweitgrößte Stadt und das produktive Zentrum des Landes, wo Wirtschaftsmacht und Reichtum sich konzentrieren. Die Kaufmannsstadt mit den kühlen Gemütern und den republikanischen Leidenschaften liegt am Westrand der grünen Rebgartenlandschaft, der Heimat des Portweins.

Das bergige Nordportugal hat etwas Üppiges, Saftiggrünes. In den Provinzen Minho und Douro Litoral wird der Kohl richtig fett. Ganz anders erscheint dagegen die Südprovinz Alentejo, dessen Fläche gut ein Drittel ganz Portugals ausmacht. Das Land ist flach, karg und rot. Nur Anspruchsloses gedeiht hier, Getreide, Sonnenblumen, Olivenbäume und Korkeichen. Im Frühjahr zeigen sich aber auch auf der weiten, sanften Hügellandschaft kräftige Farben: rot wie Mohn, gelb wie Ginster und violett wie Thymian. Portugals "Tiefen" bieten ungeahnte Höhepunkte. Évora, die Hauptstadt des Alentejo, ist ein solcher Höhepunkt. Innerhalb ihres römischen Stadtmauerrings kann man auf engstem Raum Kultur und Geschichte der unterschiedlichsten Epochen Revue passieren lassen - wie im Museum.

Während der westliche Küstenstreifen zwischen Porto und Lissabon dicht besiedelt ist, haben sich die Bergprovinzen im Osten zu vergessenen Landschaften entwickelt. Die Grenze zu Spanien ist dicht an dicht mit Burgen und Festungen aufgerüstet - ein Relikt aus der Zeit, als der kleine Staat seine Unabhängigkeit gegen den mächtigeren Nachbarn mühevoll verteidigen mußte. Eingekeilt von Gebirgszügen und "Feindesland", begegnet man in den unwirtlichen Gebirgsregionen der Beiras oft kaum einem Menschen. Viele Dörfer sind verlassenen, die Bewohner vor der Armut an die Küste geflohen. Zehn besonders schöne, vom Verfall bedrohte Dörfer, die sogenannten "Historischen Dörfer", sind unter Denkmalschutz gestellt und restauriert worden. Der Naturfreund findet darüber hinaus aufregende, fast unberührte Landschaften, einsame Fluß- und Bergtäler, schneebedeckte Gebirgszüge, wildwuchernde Wälder und Naturparks mit zahlreichen seltenen Pflanzen und Tieren. Am Mondego sonnt sich die Universitätsstadt Coimbra an ihrer herrlichen Lage; sie ist eine der ältesten Universitäten Europas und die bedeutendste Stadt der Beiras. Majestätisch besetzt die alma mater, das Wahrzeichen der Stadt, den höchsten Hügel, von dem aus sich die Stadt terrassenartig zum Fluß hinunter angesiedelt hat.

Zu welchen Wunderwerken die Natur fähig ist, zeigt an der Algarve die steile Sandsteinküste. Bildhauer der bizarren Felsformationen sind Wind und Ozean; sie sind einmalig in Europa. Vor gut dreißig Jahren kaum bekannt, lockte ihre Schönheit mehr und mehr Touristen an. In Windeseile paßte sich die Küste widerstandslos dem Geschmack mitteleuropäischer Ferienkultur an - die Schattenseite des Erfolges. Nur im Winter finden die Badebuchten ihre Stille wieder.

Portugal ist seit 1986 Mitglied der europäischen Union und sucht den Anschluß an das moderne Europa. Seit Jahren lebt das Land vom Tourismus; er hat die Regionen verändert. Vielerorts ist die südliche Langsamkeit dahin, die Leute wollen sich partout nicht mehr wie früher in diese "typisch" schwarze Kleidung werfen und vom Fado, dem traurig-süßen Weltschmerz-Song, will außer den Gästen kaum jemand noch etwas wissen. Daß nach dem Niedergang der Fischindustrie noch bunte Fischerboote an den Stränden liegen, dürfte manchem örtlichen Tourismusreferenten zu verdanken sein. Auch die berühmten sieben Unterröcke der Frauen in Nazaré sind nur noch an den Trachtenpuppen in Souvenirgeschäften zu bewundern. Und statt der bemalten Eselskarren mit bunten Quasten und Kordeln ziehen Blechkarawanen durch die schöne Landschaft. Die archaischen Bilder sind dem Andrang von Badehosen und Surfbrettern gewichen. Maulesel halten eben nur schwer Schritt mit der modernen Zeit - da mögen die abgewetzten Klischees auf den Reiseseiten unserer Illustrierten noch so standhaft weiteraufgelegt werden.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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