Wehmut adé!

Lissabon schaut in die Zukunft

Text und Fotos: Beate Schümann

Saudade ist passé, Vasco da Gama halb vergessen. Der portugiesische Seefahrer kam zuletzt 1998 zu großen Ehren, als das Land im Zuge der EXPO seinem Nationalhelden, der 500 Jahre zuvor den Seeweg nach Indien entdeckt hatte, ein unübersehbares Denkmal setzte: Die siebzehn Kilometer lange filigrane Brücke über den Tejo und der 140 Meter hohe, wie ein Segel geformte Aussichtsturm tragen seinen Namen. Ansonsten ist im Stadtbild von Vasco da Gama und seinen Kollegen kaum etwas auszumachen, bestenfalls im Nationalen Pantheon oder als Miniatur im Triumphbogen der Praça do Comércio.

Portugal Lissabon  Expogelände

Während früher schwarz gekleidete Portugiesen oft melancholisch aufs Meer schauten, blicken sie heute mit coolem Outfit und Handy am Ohr in die Zukunft. Spätestens seit der EXPO 98 hat Lissabon der Welt gezeigt, dass die Stadt modern und europäisch ist. Auf dem 330 Hektar großen Gelände fanden die besten Baumeister eine Spielwiese, auf der Calatrava, Siza Vieira und andere architektonische Meisterwerke hinterließen.

Portugal Lissabon Seefahrer

Blick aufs Meer und in die Zukunft

Die letzte Weltausstellung des 20. Jahrhunderts verursachte in Portugal die größte urbane Revolution seit dem Erdbeben von 1755. Eine Industriebrache, groß wie fünf Fußballfelder, wurde in begehrte Luxuswohnungen, Flaniermeilen und Sportanlagen verwandelt. Der „Parque das Nações“, wie die gigantische Fläche aus Pavillons, Wassergärten, Freilichtbühnen, Konzerthallen, Restaurants, Bars und dem einzigartigen Meeresaquarium heißt, steht bei den Lisboetas als Freizeitpark seitdem an erster Stelle.

Portugal Lissabon Park

Die Stadt öffnet sich

Milliarden flossen seit der West-Erweiterung aus Brüssel für Modernisierungen in das südwestlichste Land der Europäischen Union. Autobahnen, Kongresshallen und Fußballstadien wurden gebaut. Dennoch hat Lissabon seine Eigenheit bewahrt. Unverändert lebt es dem Meer zugewandt, auch die Jungen. Wenn die Hitze des Tages abgeklungen und die Abendsonne hinter der Christusstatue an der roten Tejo-Brücke untergegangen ist, startet am Tejo die Megaparty.

Portugal Lissabon Festung

Design steht hoch im Kurs

Zwischen dem Parque das Nações im Osten und dem Vorort Belém im Westen, auf gut zwanzig Kilometern, herrscht Starkstromatmosphäre. In den 90er Jahren mutierten die abgewirtschafteten Industriezonen entlang der Hafenkais schlagartig zum ausgeflipptesten, schrillsten Szeneviertel der Stadt. Designer übernahmen die Umgestaltung der Docks mit Edelstahl, Glas und Halogen, in die schicke Diskos, Clubs und Restaurants einzogen.

Portugal Lissabon

Kloster dos Jerónimos: Design im alten Stil

Überhaupt steht Design in Lissabon hoch im Kurs. Auch hier hat der Stararchitekt Álvaro Siza Vieira, Meister der puristischen Linie, Vorarbeit geleistet. Nach dem Brand im berühmten Künstler-Quartier Chiado im Jahre 1988 baute er das historische Viertel nach seinen Maßstäben wieder auf. Hier und im angrenzenden Viertel Bairro Alto haben sich seither zig Designer für Möbel, Mode und Dekoration angesiedelt. Wie konsequent modern die Objekte sind, zeigen Beispiele ab 1930 im Design-Museum. Ein aktuelles Bild vermittelt die Messe „ExperimentaDesign“, die wichtigste Design-Messe in Portugal, die europaweit Beachtung findet. Auch Hotels, allen voran viele Pousadas, erhalten neuerdings von Konstruktivismus-Anhängern ein neues Kleid im edlen Mix aus Historie und Moderne.

Portugal Lissabon Praca do Comercio

Praca do Comercio: ein Zentrum der Stadt

Die Fußball-Europameisterschaft 2004, die größte Massenveranstaltung, die das Land je gesehen hat, sprengte alle Rekorde. Für ihre beiden Spitzenclubs baute Lissabon gleich zwei neue Mega-Stadien, das Estádio da Luz für Benfica und das Estádio José Alvalade für Sporting, und zeigte, dass südliche Langsamkeit durchaus in professionelle Bewegung gesteigert werden kann. Beide wurden rechtzeitig fertig und versetzten die Menschen mit ihren kühn geschwungenen Konstruktionen in Begeisterung. Auch wenn Portugal am Ende im Estádio da Luz verlor.

Der Fado wird aufgefrischt

Selbst die Wehmutsmelodie, die Amália Rodrigues wie keine andere verkörperte, klingt nicht mehr wie früher. Diven mit Superstimmen wie Maríza, Mísia, Dulce Pontes und Katia Guerreiro haben die alten Fado-Melodien aufgefrischt und singen sie jetzt mit Texten von Literaten wie José Saramago, Lobo Antunes oder Lídia Jorges. Der Tejo-Blues erlebt eine Renaissance. Die neuen Fadistas touren erfolgreich durch die Konzertsäle Europas.

Portugal Lissabon Festumzug

Festumzug: auch Traditionen gelten noch

Trotz allem bleibt Lissabon die Liebe zur Vergangenheit. In den Kaffeehäusern wie „Versailles“, „A Brasileira“ und „Suiça“ frönen die Lisboetas der Belle Époque und den nationalen Leidenschaften: bica trinken und süße Teilchen schlemmen. Der Elevador da Glória, die knallgelbe Standseilbahn von 1885, befördert wie vor 120 Jahren ihre Fahrgäste von der Praça dos Restauradores durch die steile Häuserschlucht zum Bairro Alto.

Portugal Lissabon  Pessoa

Fernando Pessoa: Was würde der Dichter zu all dem sagen?

Auch die Führer der Straßenbahnlinie 28 lenken die museumsreifen eléctricos immer noch mit einer chromfarbenen Kurbel durch die Gassen der Alfama. Bisher verkauften sie die Fahrscheine. Doch jetzt benutzen die Passagiere elektronische Chipkarten. Nur wenn der computergesteuerte Kontrollsensor nicht piept, verkauft der Fahrer wieder ein Ticket aus Papier – wie früher.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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