Ein Durchbruch, der verbindet

Mit der BREMEN durch den Panamakanal

Text und Fotos: Axel Scheibe

 

Panama - Panamakanal - Einfahrt in Richtung Miraflores Schleuse vom Pazifik aus mit der Panama-Brücke

Einfahrt in Richtung Miraflores Schleuse vom Pazifik aus mit der Panama-Brücke

Kommandos hallen über das Vordeck der BREMEN. Die „Kanal Gang“, Seeleute, die bei der Passage des Kanals für die Zusammenarbeit mit den 1000-PS starken Elektro-Mulis links und rechts der Schleusenkammern zuständig sind, hat das Schiff mit den Loks verbunden, die es nun mit mächtigen Drahtseilen in der Schleusenmitte fixieren. Wohl keiner der rund 120 Passagiere lässt sich dieses Schauspiel entgehen. Für sie ist die Fahrt durch den Panamakanal ein Höhepunkt ihrer Kreuzfahrt in Mittelamerika. Ein Tag, auf den so mancher von ihnen bereits seit Beginn der Reise in Acapulco voller Spannung wartete.

Panama - Panamakanal

Pünktlich hatte sich das moderne Kreuzfahrtschiff von Hapag Lloyd früh am Morgen vor der am Horizont liegenden Skyline von Panama Stadt in den Konvoi eingereiht. Nur 111 Meter lang gehört sie zu den kleineren Schiffen und muss sich mit einem ähnlich großen Frachtschiff eine Schleusenkammer teilen. An der Spitze des Konvois fahren zwei der mächtigen Panamax Containerschiffe, einer Schiffsklasse, die mit ihren Maßen von knapp 300 Metern Länge und 32 Meter Breite die Möglichkeiten der Schleusenkammern voll ausschöpft. Bis zu 5.000 Container hat so ein Riese an Bord, hatten die Passagiere in einem ihrer Einführungsvorträge vor der Kanalfahrt erfahren, aber auch, dass die Kanalerweiterung, die bis 2014, dem 100. Geburtstag des Kanals abgeschlossen werden soll, deutlich größere Schiffe möglich machen und die Kapazität von derzeit 14.000 Passagen im Jahr verdoppeln wird.

Panama - Panamakanal

Während dieser Gedanken hat die BREMEN die erste Schleusenkammer passiert und steigt bereits weitere Meter in die Höhe. Am Schluss, nach der dritten Schleuse Pedro Miguel, wird der Kanal 26 Meter über dem Meeresspiegel weiter führen.

Anfangs flankiert von den steilen Felswänden des Culebra Cuts, der Durchbruchstelle durch den Gebirgszug, die den Bauleuten die meisten Kopfzerbrechen bereitete. Hier scheiterte letztlich der erste Bauversuch von Ferdinand de Lesseps, dem berühmten Held des Suezkanals und hier hatten auch die Amerikaner, die den Kanal von 1904 bis 1914 fertig bauten, ihre größten Probleme. Insgesamt 28.000 Tonnen Dynamit wurden verschossen, mehr als die USA bis dahin in all ihren Kriegen verbraucht hatten und über 200 Millionen Kubikmeter Erdmassen mussten bewegt werden, ehe am 15. August 1914 die kleine ANCON, ein Schiff der Kanalbaugesellschaft mit ihrer Fahrt den Kanal offiziell eröffnete. Ein historischer Augenblick, der in der drohenden Kulisse des 1. Weltkrieges fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit von statten ging.

Panama - Panamakanal - Begegnungen im Gatun See 26 Meter über dem Meeresspiegel

Begegnungen im Gatun See 26 Meter über dem Meeresspiegel

Eindrucksvoll bauen sich die Felsen neben der BREMEN auf. Ein Sprengschiff macht die Durchfahrt noch etwas enger. Überall zeigen sich erste Vorzeichen der großen Kanalbauarbeiten. Während die BREMEN in sanfter Fahrt den Gatunsee durchquert, den künstlichen Stausee, der für den Kanalbau entstand und heute ein landschaftliches Highlight und ein Eldorado für Wasservögel darstellt, wirkt so mancher Passagier etwas nachdenklich. Klar, die Fahrt mit einem Kreuzfahrtschiff durch den Panamakanal gehört zu den ganz großen Zielen, die es auf den Weltmeeren zu entdecken gibt. Acht bis zehn Stunden dauert die Passage, doch jeder weiß, dass man eigentlich auch über einem riesigen Friedhof unterwegs ist. Zählt man die Opfer des Eisenbahnbaues und der beiden Kanalbauversuche zusammen, so säumen eines der größten Wahrzeichen menschlicher Leistungskraft weit über 30.000 Tote. Es waren nicht nur die schweren Arbeitsbedingungen sondern bis Ende des 19. Jahrhunderts vor allem Seuchen wie Gelbfieber und Malaria, die zeitweise mehr Arbeiter dahin rafften, als „nachgeführt“ werden konnten. Erst als man gelernt hatte, die Infektionswege dafür zu unterbrechen, gelang es auch sie zu beherrschen.

Heute, an Bord der BREMEN, muss keiner der Reisenden Angst vor diesen Begleiterscheinungen einer Isthmusüberquerung haben, die über Jahrhunderte als Damoklesschwert über dem Urwaldweg lagen.

Panama - Panamakanal - Schwimmbagger

Schwimmbagger

 

Der feuchtwarme Nebel des vergangenen Regens liegt noch über dem Dschungel. Wie oft in dieser Jahreszeit hat sich der Camino Real in einen morastigen Schlammpfad verwandelt. Nur selten findet ein Sonnenstrahl den Weg durch das dichte Blätterdach. Mühsam schleppen sich die von den Anstrengungen der letzten Tage gezeichneten Soldaten mit ihren Mulis, denen sie einen Teil ihrer Lasten überlassen haben, durch das Halbdunkel des Regenwaldes. Ein junger Leutnant, Ulysses S. Grant, führt seine Truppe über den Königsweg. Nicht wenige der jungen Leute in Uniform werden den Marsch über den 80 km langen Pfad nicht überleben. Wie immer fordern das mörderische Klima und Krankheiten wie Malaria und Gelbfieber ihren Tribut von denen, die den Isthmus in Panama bezwingen wollen. 

So ist es in der Mitte des 19. Jahrhunderts und so war es, seitdem 1513 der spanische Abenteuer und Entdecker Nunez de Balboa in Darien erstmals den Stillen Ozean erreichte.

Als Ulysses S. Grant mit seinen Soldaten über den Camino Real zog, hatte sich der schmale Urwaldpfad schon lange zu einer der wichtigsten Transportadern in der Neuen Welt entwickelt. Hunderttausende Tonnen Silber und unschätzbare Mengen an Gold und Edelsteinen hatten die Spanier nach ihren Raubzügen in Südamerika auf dieser Trasse zu ihren Schiffen an die Atlantikküste transportiert. Der Traum von einem Kanal war fast so alt, wie die Entdeckung des Pazifiks. Pläne und Vorstellungen gab es reichlich. Auch der deutsche Universalgelehrte Alexander von Humboldt gehörte zu den Wissenschaftlern und Technikern, die sich darüber Gedanken machten. Doch es brauchte nach den spanischen Raubzügen im Inkareich einen zweiten Goldrausch, um das Kanalthema in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken.

Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Kunde von riesigen Goldfunden in Kalifornien an die Ostküste drang, zog es tausende Abenteurer und Glücksritter auf der Suche nach dem großen Gold in Richtung Westen. An interkontinentale Eisenbahnlinien war nicht zu denken und Straßen von der Ost- an die Westküste der USA gab es ebenfalls noch nicht. Blieben zwei Möglichkeiten. Einerseits der gefährliche Weg mit dem Schiff um Kap Horn oder der um vieles kürzere Marsch zu Fuß über den Isthmus und dann weiter mit dem Schiff in Richtung Norden. Da die Goldsucher möglichst schnell an ihr Ziel kommen wollten, wurde der Camino Real zur ersten Wahl. Die Zahl derer, die im wahrsten Sinne auf der Strecke blieben, ist ebenso unbekannt wie die Zahl der Gleisarbeiter, die ihr Leben beim Bau der Panamabahn in den Jahren 1850 bis 1855 ließen. Wer hat schon die tausenden Hilfsarbeiter gezählt, die man aus aller Herren Länder auf die Baustelle gebracht hatte?

Zwar war es nun mit der Eisenbahnlinie möglich, die Landenge in einigen Stunden und ohne abenteuerliche und gefährliche Märsche zu überwinden, doch der Ruf nach einem Kanal wurde lauter. Nicht zuletzt, nachdem der Suezkanal gezeigt hatte, was möglich war.

Da kommt Ulysses S. Grant erneut ins Spiel. Aus dem Leutnant war 1869 der 18. Präsident der USA geworden und als solcher entsandte er zwischen 1870 und 1875 fünf größere Militärexpeditionen zu Vermessungsarbeiten in die Regionen, sprich nach Panama und Nicaragua, die für einen möglichen Kanalbau in Frage kamen.

 

Nach einer Stärkung am Mittagsbuffet haben sie sich wieder vollzählig auf den Decks eingefunden. Mütze und Sonnencreme sind Pflicht. Obwohl es noch Frühling ist, brennt die Sonne unbarmherzig vom Himmel herunter. Aber wer will sich schon den „Abstieg“ in die Karibische See entgehen lassen. Wieder stabilisiert von den bärenstarken Elektroloks, die typisch für den Panamakanal sind, beginnt in drei Stufen der 26 Meter tiefe Weg zurück zum Ozean. Gut eineinhalb Stunden dauert es, bis die BREMEN auf Meereshöhe angelangt ist. Immerhin verbraucht jeder Schleusengang rund 2 Millionen Liter Süßwasser. Trotz mächtiger, über drei Meter großer Zu- und Abflussrohre dauert das seine Zeit.

Panama - Panamakanal - Abwärts in der Gatun Schleuse

Abwärts in der Gatun Schleuse

Gegen 17 Uhr verlässt der Kanallotse das Schiff. Nun hat Kapitän Behrend wieder die alleinige Befehlsgewalt über seine BREMEN. Volle Fahrt voraus zu neuen Abenteuern.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Kurzportrait Panama

Es war ein verwegener Plan und ein alter Traum der seefahrenden Menschheit: Atlantik und Pazifik mit einem Schifffahrtskanal miteinander zu verbinden. Nach einem gescheiterten Projekt der Franzosen nahmen die US-Amerikaner die Sache zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die Hand. 1903 schlossen die Nordamerikaner mit Panama einen Vertrag ab, der sie ermächtigte, den Panamakanal durch den Isthmus von Panama zu bauen. Bis zur offiziellen Freigabe 1914 beschäftigte das titanische Werk Heerscharen von Ingenieuren und Arbeitern und forderte - angesichts all der Unfälle, Gelbfieber-, Malaria- und Ruhrepidemien - sage und schreibe 25.000 Menschenleben.

Panama

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