Wo Steine weinen können

Tiroler Ölschiefer sorgt für Entspannung und Genuss

 Text und Fotos: Axel Scheibe

Der „Gröbner Hals“ ist erreicht. In knapp 1.700 Metern strahlt die Sonne, als habe es das gestrige Unwetter nicht gegeben. Unten im Hochtal glänzt der Achensee wie ein blaues Auge. Blinzelt er uns zu, so nach dem Motto, na da habt ihr ja noch einmal Glück gehabt? Recht hat er. Der Weg vom See hinauf in die Höhe führte über geschotterte Wege und sanfte Wiesen, auf denen der Regen nur wenige feuchte Stellen zurückgelassen hat. Oder zwinkert der See listig, weil er weiß, was uns nun erwartet?

Österreich - Achensee

Achensee

Vom“ Gröbner Hals“ ist es ein kleiner, verschlungener Pfad, der auf der anderen Seite des Kamms hinab zur Steinölbrennerei führt, dem Ziel unserer Wanderung. Nun hat uns das Unwetter doch noch nachträglich in den Gríff bekommen. Knöcheltief versinken unsere Wanderschuhe im tiefen Modder. Auf der Schattenseite des Berges konnte die Sonne noch nicht zum „Trockenangriff“ starten. Außerdem hat es immer etwas Gefährliches, wenn sich Wanderer und Kühe gemeinsame Wege teilen müssen. Nun gut, was soll´s, da müssen wir durch. Es sind nur 200 Höhenmeter hinab. Schon bald sehen wir unten am Hang den kleinen Gebäudekomplex der Steinölbrennerei, in der Hermann Albrecht, einer der Geschäftsführer der Tiroler Steinöl Vitalberg-Betriebs GmbH, auf uns wartet. Mit einem schmunzelnden Blick auf unsere dick verschlammten Wanderstiefel empfängt er uns. „Über diesen schmalen Pfad haben die Träger Jahrzehnte lang das Steinöl in 25 Liter Fässern hinüber an den Achensee getragen“, gibt er einen ersten Einblick in die Familiengeschichte.

Österreich - Das Erlebniszentrum Tiroler Steinöl in Pertisau

Das Erlebniszentrum Tiroler Steinöl in Pertisau

Bei einem Besuch im modernen Erlebniszentrum Tiroler Steinöl in Pertisau hatten wir am Vortage schon manches mehr erfahren. Günther Albrecht, der Cousin von Hermann und verantwortlich für die Buchführung und den Verkauf der vielfältigen Produkte des traditionellen Familienunternehmens hatte uns im kleinen Museum auf eine Zeitreise eingeladen. Rund 180 Millionen Jahre mussten die abgestorbenen Tiere am Meeresboden des Ur-Mittelmeeres „reifen“, ehe sie zu dem Ölschiefer wurden, der heute hoch in den Alpen die Grundlage für die Ölgewinnung bildet. Ein Zufall war es, der Martin Albrecht sen. 1902 unweit von Pertisau am westlichen Ufer des Achensses auf eine Ölschieferader stoßen ließ. 15 Jahre lang brach er dort mit ein paar Knappen den Schiefer aus dem Berg und schwelte Steinöl. So lange bis 1917 eine mächtige Lawine die gesamt Anlage in den See riss. Doch Martin Albrecht ließ sich nicht entmutigen und suchte in der Umgebung nach weiteren Vorkommen. Mit Erfolg. Im nahe gelegenen, 1.400 m hohen Bächental fand er eine neue, mächtige Lagerstätte, die bis heute die dort erbauten Brennöfen mit Futter versorgen.

Österreich - Tirol - Die alte, rußige Schwelerei ist Vergangenheit. Die neue Technik ermöglicht einen sauberen Produktionsprozess

Die alte, rußige Schwelerei ist Vergangenheit. Die neue Technik
ermöglicht einen sauberen Produktionsprozess

Wer Ruß verschmierte Knappen in dunklen Räumen an lodernden Brennöfen erwartet, wird enttäuscht. „Ganz so, wie sich das manche vorstellen, sah es hier nie aus“, erläutert Hermann Albrecht bei einer kleinen Führung durch sein Reich am Berg. „Doch bis vor wenigen Jahren sah es schon noch deutlich anders aus. Die alten Öfen mussten alle ein bis zwei Stunden neu beschickt werden. Außerdem konnte man mit ihnen nur bis zu 50% des wertvollen Öls aus dem Schiefer herausholen.“ Gemeinsam mit Alexander Albrecht, der in Jenbach das Labor und die Veredlung der Firma leitet, wurde getüftelt und gerechnet. Es ging um nicht weniger als um ein neues, effektiveres Verfahren. „Wir können uns da ja nirgendwo etwas abschauen und uns auch nicht einfach in einem Katalog die richtige Technik dafür bestellen.“ Doch das Vorhaben gelang. Heute sorgen moderne Schwelöfen, natürlich computergesteuert, für optimale Prozesse. Bis zu 80% Prozent des Öls werden gewonnen. Tag für Tag ergeben rund 2 Tonnen Schiefer 60 Liter Öl. 3 bis 4 Prozent beträgt der Ölanteil des Schiefers.

Österreich - Tirol - Hermann Albrecht steuert per Computer die Prozesse im Schwelofen

Hermann Albrecht steuert per Computer die Prozesse im Schwelofen

Die harte körperliche Arbeit der Knappen, die in den Sommermonaten rund um die Uhr vor Ort sein müssen, wurde deutlich reduziert. „Der Ölschiefer ist das Herz unserer Familie“, betont Hermann Albrecht. „Seit Generationen leben wir nur vom Steinöl. Bei uns dreht sich alles um Steinöl. So manche Katastrophe, sei es das Lawinenunglück oder der Großbrand vor wenigen Jahren, hat uns nicht aus der Bahn geworfen. So soll es auch künftig bleiben“. Expansion im großen Stil hat man nicht vor. Alles soll übersichtlich bleiben, halt ein richtiger Familienbetrieb. Da können die tausenden Tonnen, die sich oberhalb des Bächentals im Fels verstecken und im Tagebau gebrochen werden, noch für Generationen reichen, rund 6.000 Liter im Jahr werden gewonnen.

Österreich - Tirol - Hierher bringt eine kleine Seilbahn den im etwas höher gelegenen Steinbruch gewonnen Ölschiefer

Hierher bringt eine kleine Seilbahn den im etwas höher
gelegenen Steinbruch gewonnen Ölschiefer

Seit 1972 führt eine kleine Straße bis zur Brennerei. Kein Träger muss mehr mit den schweren Fässern auf dem Rücken über den Bergkamm steigen. Das Bächental gehört aber bis heute zu den abgelegensten Winkeln Tirols. Die Straße und die Forstwege kommen von Bayern herauf. Rund anderthalb Stunden sind die Kleinlaster mit dem Öl nach Jenbach unterwegs. Und das, obwohl es kaum 15 km Luftlinie bis ins Inntal sind. Selbst das Wandertaxi mit Sondergenehmigung darf nicht direkt bis zum Werk fahren. So machen wir uns nach dem Rundgang und einer kleinen Stärkung vor dem Knappenhaus auf den Weg weiter hinab ins Tal. Eine Stunde geht es entlang des lustig rauschenden Tiefenbachs. Das Taxi wartet bereits und zurück geht es in die Zivilisation.

Österreich - Tirol - Die Steinölbrennerei im Bächental hoch in den Tiroler Bergen

Die Steinölbrennerei im Bächental hoch in den Tiroler Bergen

Wir lassen uns am Vitalberg-Besucherzentrum absetzen. Nach den praktischen Eindrücken wollen wir natürlich auch noch die eine oder andere Probe aus der breiten Kollektion der Steinölprodukte mitnehmen. Apothekenpflichtig ist nur die Haussalbe, den Rest gibt es frei zu kaufen. Wir entscheiden uns für Massageöl, Shampoo und etwas für unsere strapazierten Füße. Kaum im Hotelzimmer angekommen, stellen wir fest, es hat schon was, das Steinöl. Seine Heil- und Pflegekraft verdankt es übrigens dem organisch gebundenen Schwefel. Unsere Füße wissen es zu schätzen. Rund um den Achensee stößt man freilich öfter auf Anwendungsmöglichkeit des Steinöls als anderswo. Man sollte es nutzen: Eine erholsame Massage mit Steinöl nach einem anstrengenden Wandertag. Ein wohltuendes Bad, mit Fossil-Badeöl. So kann man seinem Körper wirklich Gutes tun. Ein Verwöhnprogramm auf Steinölbasis rundet den Urlaub am Achensee perfekt ab und spendet neue Energie für den nächsten Tag.

Tipps für den Achensee

Abseits vom Steinöl gibt es am Achensee natürlich noch vieles mehr zu erleben. Vielleicht auch einen Besuch im Notburga-Museum oder einen Abstecher in die Edelbrennerei von Franz Kostenzer, der nicht nur bekannt ist für seinen hervorragenden Obstler, sondern in dessen Fässern sogar der erste Whiskey Tirols reift. Sicher werden noch einige Jahre vergehen, ehe Franz Kostenzer die ersten Gläser davon ausschenken kann, doch einer zünftigen Obstler-Party mit manch interessantem Tipp vom Chef steht nichts im Wege.

Österreich - Achensee - Traktorenmuseum

Traktorenmuseum

Ein paar Jahre wird auch die Achensee Museumswelt noch brauchen, ehe sie ihr neues Domizil auf halbem Weg zwischen Maurauch und Pertisau so aufbaut hat, wie sie es plant. Doch schon heute lohnt ein Abstecher dorthin. Das sind eine umfangreiche Puppensammlung, ein kleines Heimatmuseum, eine Gendarmeriemuseum und das Traktorenmuseum, dem natürlich das besondere Augenmerk Technik begeisterter Besucher gehört. Auf keinen Fall zu vergessen sind außerdem das Heimatmuseum im Achenkircher Sixenhof und eine Tour mit dem Skyglider „Airrofan“ auf dem Rofan.

Österreich - Achensee-Dampf-Zahnradbahn

Achensee-Dampf-Zahnradbahn

Dass man rund um den Achensee viele reizvolle Wanderwege findet, versteht sich von selbst. Dabei reicht es von der kurzen „Bummeltour“ bis zu ausgedehnten Tagestouren in die reizvolle Bergwelt. Rund um den See führt ein Wanderweg, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Ein ganz besonderer Urlaubshöhepunkt ist sicherlich die Kombination aus Achenseeschifffahrt und Achensee-Dampf-Zahnradbahn, die beide seit über 120 Jahren Touristen aus nah und fern begeistern. Besonders die Fahrt mit der historischen Zahnradbahn hinab nach Jenbach und wieder hinauf an den See macht nicht nur kleinen Leuten einen riesen Spaß. Da staunt man nicht schlecht, wenn der Schaffner während der „rasenden“ Fahrt der schnaufenden Lok auf den Außentrittbrettern entlang balancierend die Fahrkarten kontrolliert.

Informationen

Achensee Tourismus
Rathaus
A-6215 Achensee/Tirol
Tel.: 0043/5246/5300
Fax: 0043/5246/5333
www.achensee.info

 

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