Reiseführer Bergen

Tour 3: Von Byporten zur Torgalmennigen

Nicht nur Oslo hat erstklassige Museen aufzuweisen, sondern auch die zweitgrößte norwegische Stadt Bergen. Wie an einer Perlenschnur reihen sich die Tempel der Kunst am Stadtsee Lille Lungegårdvannen aneinander. Auch im öffentlichen Raum gibt es Kunst zu entdecken, wenn es auch an einem Skulpturenpark fehlt.

Byporten in Bergen, Norwegen

Ein Stadttor war einst der einzige Zugang zur "Festungsstadt" Bergen

Vom östlichen Stadttor (Byporten) aus, dem verbliebenen Rest der einstigen Stadtumwallung Bergens, spazieren wir am Assistent-Kirchhof (Assistent-Kyrkegården) vorbei zum Bahnhof der Stadt. Auf dem an einem Hang liegenden, terrassierten Friedhof fand nicht nur der bekannte Geigenvirtuose Ole Bull seine letzte Ruhestätte, sondern auch der Vater des Komponisten Edvard Grieg, Alexander Grieg, der norwegische Staatsmann und Designer der norwegischen Flagge Frederik Meltzer sowie der Komponist Harald Sigurd Johan Sæverud.

Munch, Dahl und andere

Der aus solidem Granit erbaute Bahnhof von Bergen ist ebenso ein Kind des Historismus des 19. Jahrhunderts wie die gegenüber liegende Hochschule für Kunsthandwerk. Ausdruck des nationalromantischen Stils ist die Öffentliche Bibliothek nicht weit entfernt vom Bahnhof.

Mit Lysverket,  in strahlendes Weiß getaucht und 1938 ursprünglich für die Bergenser Elektrizitätsgesellschaft errichtet, beginnt die Kunstmeile der Stadt (Rasmus Meyers allé 9). Stilistisch vermischen sich im Lysverket Funktionalismus, Art déco und Neoklassizismus. Charakteristisch für diesen Stilmix ist der Rundturm mit seinen Fensterbändern. Gezeigt werden in diesem jüngsten Kind des Bergen Kunstmuseums norwegische und internationale Kunst vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Zu den Highlights des Bestandes gehört Johan Christian Dahls „Birken im Sturm“. Außerdem verfügt das Haus über eine erstklassige Sammlung russischer und griechischer Ikonen. Aktuelle Kunst von Hamish Fulton, Tony Oursler, Suvi Nieminen und Per Teljer ist gleichfalls fester Bestandteil der Präsentation.

Die Rasmus-Meyers-Sammlung (samlinger) ist in einem palastähnlichen Bau untergebracht, der von Ole Landmark (1885-1970) entworfen und 1924 vollendet wurde. Hier sind Werke der 1916 gestifteten Rasmus-Meyer-Sammlung ausgestellt. Insgesamt umfasst diese Sammlung 963 Arbeiten, Gemälde, Zeichnungen und Drucke. Beim Aufbau der Sammlung ließ sich der Sammler und Geschäftsmann Rasmus Meyer (1858-1916) von der Idee leiten, die Entwicklung der norwegischen Kunstgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts aufzuzeigen. Allein Edvard Munch ist mit 32 Gemälden, 102 Drucken und zwei Zeichnungen im Bestand vorhanden, darunter „Melancholie“ (1894-95) und „Eifersucht“ (1890). Neben Munchs Gemälden  sind Arbeiten des norwegischen Romantikers Johan Christian Dahl in der Sammlung ebenso zur sehen wie solche von Gerhard Munthe (1849-1929), Erik Werenskiold (1855-1938), Christian Krogh (1852-1925) und Harriet Backer (1845-1932).

Munthe und Werenskiold schufen, inspiriert durch die französische Freilichtmalerei, Werke, die mit Sinn für Lichteffekte und Atmosphäre die norwegische Landschaft einfingen. Christian Krogh hingegen muss den sozialen Realisten zugerechnet werden, die sich in ihren Werken mit den aktuellen sozialen Fragen beschäftigten. Außerdem findet man in der Sammlung den westnorwegischen Landschaftsmaler Nikolai Astrup (1880-1928) und die beiden Matisse-Schüler Jean Heiberg (1884-1976) und Henrik Sørensen (1882-1962).

Bergen, Norwegen

Fragile Kunst mit Leuchtkraft vor der Stenersens-Sammlung

Schließlich ist auch die Stenersens-Sammlung einen Besuch wert, die dem Finanzanalysten und Aktienmakler Rolf Stenersen zu verdanken ist und in einem modernen, funktionalen, zweigeschossigen Glasbetonbau untergebracht wurde. Die Architektur von Sverre Lied wurde von der des Kunsthauses Zürich und vom Munch-Museum in Oslo beeinflusst. Zur Sammlung gehören 297 Arbeiten, die den Zeitraum von 1900 bis in die 1960er Jahre repräsentieren: Besonders zu erwähnen sind die Werke der Surrealisten Erik Harry Johannessen (1902-1980) und Kai Fjell (1907-89) sowie des aus Hamburg nach Norwegen emigrierten Rolf Nesch (1893-1975), der für seine Materialbilder bekannt ist. Außerdem gehören Arbeiten des vom sozialistischem Realismus beeinflussten Arne Ekeland (1908-1994) zum Bestand des Hauses. Darüber hinaus zählen Joan Miró, Piet Mondrian und Wassily Kandinsky zu den Künstlern, deren Werke Stenersen gesammelt hat. Zugleich widmete er sich der Sammlung der Kunst der Nachkriegszeit, darunter der Gruppe Cobra, zu der Pierre Alechinsky (*1927), Asger Jorn (1914-1973) und Karel Appel (*1921) gehörten.