Reiseführer Nordzypern
Römische Zisterne
Gegenüber
der Ölmühle, abseits im Dünengelände versteckt, liegt
tief unter der Erde eine Zisterne aus römischer Zeit. Schäfer
hatten sie im März 1933 zufällig entdeckt und die zuständigen
Behörden informiert, die umgehend einen Erkundungstrupp an den Ort
schickten. Besonders die von den Schäfern vage beschriebenen Bildnisse
und Inschriften hatten das Team aufhorchen lassen.
„Das ganze Areal ist mit angewehtem Sand bedeckt. Über der
Zisterne liegt er sieben Fuß hoch und darauf wachsen australische
Akazien“, stellte man nach einer ersten Besichtigung fest, entdeckte
dann aber „ein großes Loch im Sand von ca. 15 Fuß Tiefe
und 6 Fuß Breite, das in einen engen Schacht mündet, der sich
zu einer runden Kammer öffnet. Sie war bis an den Rand mit Sand und
Schutt gefüllt. Die Bildnisse und Inschriften waren gut erkennbar
und es war möglich, in die zweite, praktisch leere Kammer zu kriechen.“
Unter der Leitung der jungen schottischen Archäologin Joan du Plat
Taylor, die Jahre später auch die archäologischen Stätten
von Aghios Philon und Myrtou-Pighades erforschte, konnte in nur zwei Aprilwochen
des Jahres 1933 die Anlage weitgehend freigelegt und gründlich erkundet
werden. Dass dieser Erfolg möglich wurde, obwohl nur über kärgliche
Geldmittel verfügt werden konnte und die kümmerliche technische
Ausrüstung bei verschiedenen Stellen und Privatpersonen zusammengeliehen
werden musste, ist wohl in erster Linie der Begeisterungsfähigkeit
des Grabungsteams zuzuschreiben.
Blick ins Innere
Durch
zwei roh gemauerte rechteckige Schächte mit einem Durchmesser von
gerade mal 75 x 135 cm bei einer Länge von 2,55 m bzw. 2,70 m waren
die Ausgräber über Leitern auf die acht Meter tiefer gelegene
Sohle der Zisterne hinabgestiegen. Genauer: der beiden Zisternen, denn
es sind zwei nahezu kreisrunde Kammern, die aber durch zwei übereinander
liegende, mannshohe Passagen miteinander verbunden sind. Grob behauene
und dick verputzte Steine stützen die Wände, die letzten drei
Fuß der Kammern mussten in den anstehenden Fels geschlagen werden.
Was die Ausgräber geradezu elektrisiert hatte – fünfzehn
Jahrhunderte lang verschollene Inschriften und bildliche Darstellungen
wiederzuentdecken – beanspruchte naturgemäß einen großen
Teil der knapp bemessenen Zeit. Alle wesentlichen Bild- und Schriftdokumente
zieren die Wände der ersten Zisterne. Besonders ins Auge fallend:
ein Medaillon mit dem Kopf Jesu Christi, dargestellt als „Pantokrator“
(Weltenherrscher) in einem syrisch-palästinensischen Stil des frühen
4. Jahrhunderts und ummalt von „aquatischen“ Szenen, die Wasserpflanzen
zeigen, Fische, Enten, einen Flamingo. Darunter ist ein Schriftband erkennbar,
in weißer Schrift auf rotem Grund. Alle anderen Inschriften sind
in roter Tempera auf die Zisternenwand aufgetragen worden.
Mutmaßungen über die Nutzung
Die Zisterne
entstand im 1. Jahrhundert n. Chr. unter römischer Regie als Speicher
für Regenwasser. Das gilt als gesichert. Wie sie in späteren
Jahrhunderten genutzt wurde, ist dagegen strittig. Ob als „heimlicher
Treffpunkt früher Christen“ zu einer Zeit, als noch heidnische
Kulte in Salamis vorherrschten oder als frühchristliche Taufkapelle,
die in einer bestimmten Beziehung zu einem über den Schächten
errichteten (kirchenähnlichen?) Gebäude stand, bleibt vorerst
ungeklärt.
Die Entzifferung der griechischen Inschriften erleichtert ihre zeitliche
Zuordnung, denn hier ist u.a. von Kaiser Konstantin die Rede: „Hilf,
oh Konstantin, Du und Dein Zeichen!“ (das Kreuz). Der Angerufene
war es, der nach 312/313 das Christentum zur staatstragenden Religion
im römischen Imperium machte. Ein anderer Vers lautet: „Barnabas,
der Apostel, ist unsere Stütze. Epiphanios unser großer Herrscher.“
Epiphanios starb 403 und die Erinnerung an Barnabas, den Weggenossen des
Apostels Paulus, lebte in Zypern im 5. Jahrhundert wieder auf. Aus noch
späterer Zeit stammt wohl die Bitte um Segen für einen gewissen
Nikodemos, der die Zisterne ausgebessert hatte: „Christus, Gott,
Erretter, schütze und bewahre Deinen Diener Nikodemos und alle .
. .“ (seine Mithelfer?). Fresken und Inschriften dürften demnach
nicht vor dem 4. und nicht nach dem 6. Jahrhundert entstanden sein.
Aus gutem Grund ist der Einstieg in die Zisterne verschlossen, denn selbst wer einen Sturz in die Tiefe überleben sollte, kommt aus eigener Kraft nicht mehr heraus. Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, die Sinn macht, auch wenn damit eine der interessantesten Stätten des salaminischen Ruinenfelds von einer Besichtigung ausgeklammert werden muss. Ob das „Department of Antiquities” u. U. eine Sondergenehmigung erteilen würde (und unter welchen Auflagen), müsste in dessen Büro in Lefkosa in Erfahrung gebracht werden.
Suchen bei schwarzaufweiss