Reiseführer Nordzypern
Agios Philon
Auf den Trümmern einer frühchristlichen Basilika vom Anfang des 5. Jahrhunderts (der Fund einer Münze des byzantinischen Kaisers Arcadios (395-408) liefert einen zuverlässigen terminus a quo) entstand rund 700 Jahre später aus dem reichlich vorhandenem Baumaterial der untergegangenen Stadt Karpasia die byzantinische Kreuzkuppelkirche Agios Philon. Wohl ist sie heute eine Ruine, doch manche architektonischen Details sind noch erhalten, von denen einige ihren Ursprung vermutlich im Heiligen Land haben. Auffallend ist das helle, ebenmäßig behauene Steinwerk, das durch profilierte Steinarkaturen, Fensterrahmungen und schön gestaltete Tympana (Bogenfelder) über den Toren noch bereichert wird.
So gilt im Kern noch immer, was Reisende des 19. Jahrhunderts erzählten, als das Gebäude noch fast unversehrt war: "Eine elegante Kirche . . . die Harmonie der einzelnen Teile und die Sorgfalt und Solidität des Baus, die überall hervortritt, wirken großartig".
Auch Nichtarchäologen bemerken beim Herumstreifen, dass
diese "neue" Kirche einst an seiner Ostseite drei Apsiden aufwies,
deren äußere Wölbungen sich mit den Apsiden einer
darunter liegenden, viel älteren Kirche teilweise überschneiden.
Die frühchristliche Basilika
Errichtet wurde sie im basilikalen Stil des 5. Jahrhunderts, zu dessen zyprischen Besonderheiten das flache Holzdach und der schon erwähnte Drei-Apsiden-Abschluß des Ostteils gehörten sowie die großzügige Ausgestaltung der Westseite mit einem Narthex (Vorhalle) und davor einem peristylen (d.h. säulenumstandenen) Atrium oder Vorhof, dessen westliches Ende vor Zeiten ins Meer abgestürzt ist. Auch ein Bischofspalast entstand auf dem Gelände, dazu eine Taufkapelle, eine Zisterne und andere untergeordnete Gebäude.
Die dreischiffige Basilika war mit den Abmessungen 28,80 m
x 13,40 m etwa doppelt so groß wie die auf ihren Fundamenten
(die ihrerseits auf hellenistischen und römischen Steinen
gründen) errichtete Kirche des heiligen Philon von Karpasia.
Ihre Säulen und Kapitelle waren nicht aus Stein wie jene
der Basilika Agía Triás in Sipahi sondern aus
pinkfarbenem Marmor.
Als ein Team unter der Leitung der schottischen Archäologin
Joan du Plat Taylor 1938/39 die Anlage freilegte, überraschte
besonders das südwestlich vorgelagerte Baptisterium (Taufkapelle)
mit ornamentreichen und farbenfreudigen Böden aus "opus
sectile" - Einlegearbeiten aus verschiedenfarbigen Steinen -
hier aus roten, schwarzen, gelben und weißen Marmorplättchen.
Auch wenn Souvenirjäger schon so manches Stück aus
den farbigen Quadraten, tondi (Rundbildern), Rhomben und Sternen
mitgehen ließen, ist das, was verblieb, immer noch beeindruckend
und einen Fotoschuss wert. Auch herumliegende Glastesserae in
beträchtlicher Zahl, überwiegend blaue Würfel,
die vermutlich in die Wand der Hauptapsis (d. i. die mittlere)
oder der Nische hinter dem Taufbecken eingelassen waren, kamen
ans Tageslicht.
Von der Südseite des Baptisteriums hatte man Zugang zu dem
in den Boden eingelassenen Taufbecken. Die Täuflinge legten
zunächst das Glaubensbekenntnis ab und schritten dann die
Treppe zum Becken hinab. Nach der Taufe legten sie in einem Nebenraum
weiße Kleidung an und wurden vom Bischof mit geweihtem Öl
gesalbt.
Karpasia
Zwischen Dipkarpaz und der Kirche Agios Philon stößt man allenthalben auf Steinfragmente und Keramikscherben und würde man den Boden abtragen, kämen ganze Häuserfundamente und Straßenzüge ans Licht - Überreste der antiken Hafenstadt Karpasia. Ob sie nun eine Gründung der Achäer ist, die von der griechischen Peloponnes einwanderten, oder zwei, drei Jahrhunderte später aus dem orientalischen Osten, von Phönikern, besiedelt wurde, ist nicht geklärt. Als selbständige "polis" ist Karpasia erstmals in ptolemäischer Zeit inschriftlich belegt. Antike Autoren haben die Stadt nur selten erwähnt und ihre Lage überdies unzulänglich beschrieben. Erst Strabon sorgte für Klarheit. In der Beschreibung Zyperns heißt es im 14. Buch, 5. Abschnitt seiner "Geographika": "Dann kommt die Stadt Karpasia mit einem Hafen; sie liegt der Landspitze Sarpedon (einem Vorgebirge an der kilikischen Küste) gegenüber, und der Übergang der Landenge von Karpasia zu den Karpasischen Inseln und zum südlichen Meer beträgt 30 Stadien", 5,5 km waren es also nach Strabon von hier an die Südküste des Karpaz, womit er fast richtig lag.
Aus Diodoros` Schriften erfahren wir, dass der Hafen nur für
kleinere Schiffe geeignet und dem Nordwind ausgesetzt war, dass
dessenungeachtet Demetrios Poliorketes 306 v. Chr. mit seiner
Invasionsflotte den Hafen nutzte und sich für das Seegefecht
bei Salamis gegen Ptolemaios rüstete.
Ende des 4. Jahrhunderts wurde Karpasia Bischofssitz. Der damalige
Metropolit
Zyperns, Epiphanios, weihte seinen Zeitgenossen und Freund Philon
zum Bischof der Hafenstadt. Vom ihm weiß man wenig. Vermutlich
war er der Verfasser eines Kommentars zum Hohenlied und eine
Legende erzählt, dass Philon, als er noch Diakon in Rom
war, von der schwer kranken Pulcheria, einer Schwester der Kaiser
Honorius (Westrom) und Arkadios (Ostrom), gebeten wurde, Epiphanios
dazu zu bewegen, eine seiner im ganzen Reich gerühmten Wunderheilungen
an ihr vorzunehmen. Bevor Epiphanios zu diesem Zweck nach Rom
aufbrach, weihte er Philon zum Bischof.
Im Jahre 806 zerstörten sarazenische Freibeuter Karpasia.
Eine nach den ersten arabischen Übergriffen Mitte des 7.
Jahrhunderts errichtete Mauer um den nördlichen Teil der
Stadt konnte sie nicht zurückhalten. Die Bewohner verließen
die Trümmerstätte und siedelten sich landeinwärts
an. Es war die Geburtsstunde von Rhizokarpaso, das heute Dipkarpaz
heißt.
Außer dem frühchristlichen Basilikakomplex hat man
Häuser aus klassischer bis römischer Zeit freigelegt.
Zur antiken Stadt gehörte eine Nekropole, von deren Kammergräbern
viele in frühchristlicher Zeit bedrängten Gläubigen
als heimlicher Treffpunkt dienten, wie christliche Symbole an
den Wänden verraten. Die Stadtmauer blieb streckenweise
erhalten und Spuren alter Hafenanlagen sind noch gut zu erkennen:
Steinblöcke liegen auf dem Grund der Bucht und mächtige,
einst durch eiserne Klammern zusammengehaltene Quadersteine fügen
sich zur nördlichen Mole, zu deren Bau auch Säulentrommeln
und selbst kannelierte Marmorsäulen verwendet wurden.
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