Reiseführer Nordzypern
Famagusta
Sinan Pascha-Moschee
„Ich entdeckte, dass diese prachtvolle gotische Kirche als Lagerhaus für Orangen genutzt wird. Sie war bis unter das Dach mit Kisten und Verschlägen angefüllt. Wenn schon Großbritannien nicht die Mittel hat, in Famagusta für geordnete Zustände zu sorgen, sollte es doch wenigstens möglich sein, einen Orangenhändler davon abzuhalten, dieses Gebäude als Lager zu nutzen . . .“, monierte 1936 ein englischer Reisender. Doch die Zweckentfremdung der alten Kirche hatte Tradition: unter den Engländern, die sie von einem Privatmann gepachtet hatten, war sie auch Kartoffel- und Getreidespeicher. Nach der osmanischen Eroberung wurde sie zur Sinan Pascha-Moschee umgewandelt (um 1600), später diente sie als Theater, zuletzt als Stadtbibliothek. Die andauernde Nutzung des Bauwerks hat gewiss zu ihrem guten Erhaltungszustand beigetragen, was nicht heißen soll, Restaurierungsarbeiten seien überflüssig.
Wer als Stifter der wie eine Festung anmutenden Kirche St. Peter und Paul
in Frage kommt, ist umstritten. Lange Zeit galt als sicher, dass ein Kaufmann
Simone Nostrano aus dem Gewinn eines einzigen Handelsgeschäftes (Getreidelieferung
in das hungernde Syrien) die Baukosten beglich. Seit neuerem werden die
bekannten schriftlichen Überlieferungen (Stephan Lusignan, 1573 und
Giovanni Loredano, 1647), angeregt auch durch neuentdeckte syrische Wandinschriften,
anders ausgelegt. Danach beruht das Wort „Nostrano“ auf einem
Schreibfehler. Eigentlich müsse es „Nestorano“ heißen,
was die Kirche als Stiftung eines Nestorianers namens Simon ausweisen
würde - wenn denn diese Interpretation zutrifft.
Beschreibung
Selbst
diese in einem byzantinisch-gotischen Mischstil robust erbaute
Kirche hatte durch die Erdbeben von 1546 und 1568 einige Schäden
erlitten. Strebepfeiler zur Stützung des Hochschiffs mussten erneuert
werden und zusätzlich wurde auch dem südlichen Seitenschiff
Strebewerk vorgesetzt.
Dem fünfjochigen Hauptschiff mit seiner dreifenstriger Apsis liegen
die beiden Seitenschiffe mit zwei Apsidialkapellen an. Schon beim Eintreten
gewinnt man den Eindruck großartiger Weiträumigkeit und einfacher
Eleganz. Auf kräftigen Rundsäulen ruhen die gebündelten
schlanken Pfeiler und Gurtbögen der Kreuzrippengewölbe sowie
die Spitzbögen, die das Hauptschiff von den Seitenschiffen optisch
trennen. Ein Gurtband umläuft zur Raumgliederung das gesamte Kirchenschiff
und die Apsis.
An der äußeren Südwestecke ist ein noch gut erhaltener
achteckiger Treppenturm zu
sehen, der eine Verbindung zum Dach des südlichen Seitenschiffes
herstellte, um von dort den Zugang zu einer Galerie über der Westfassade
zu ermöglichen. Während der osmanischen Epoche wurde der Turm
zu einem Minarett erhöht. Von den Portalen ist jenes an der Nordseite
von besonderem Reiz (s.Foto). Es ist reich dekoriert mit schlanken freistehenden
Marmorsäulchen, viel Blattschmuck, Früchten und figürlichen
Darstellungen. Gekrönt wird es von einem mit „Krabben“
dicht besetzten Spitzgiebel.
Historiker halten die Existenz einer Brücke zwischen Palast und Kirche
für wahrscheinlich, einer direkten Verbindung zwischen dem ersten
Stockwerk des heute fast völlig verschwundenen Palastes und der oben
erwähnten Galerie an der Kirchenwestseite. Das würde, so meinen
sie, auch den Daseinszweck der Galerie erklären.
Vor der Südseite der Kirche liegt das umzäunte Grab des osmanischen
Diplomaten Mehmet Faizi Efendi, der lange Zeit einem Janitscharenkorps
angehörte, ehe er 1720 an die türkische Botschaft in Paris berufen
wurde. Später arbeitete er in Istanbul und Ägypten, viel in
Ungnade und wurde nach Famagusta verbannt - wie viele andere vor und nach
ihm. Er starb hier 1732.
Suchen bei schwarzaufweiss