Reiseführer Nordzypern
Aphendrika
Agios Georgios
Das mit Steinfragmenten, Keramikscherben und halb verschütteten Grabanlagen übersäte Gelände sei "die Ruinenstätte der von den Arabern zerstörten Stadt Urania" verrät ein Reiseführer, doch das ist keineswegs sicher. Nachrichten über das karpassische Urania sind dem Mammutwerk "Weltgeschichtliche Bibliothek" des Diodoros Siculos (1. vorchristliches Jahrhundert) sowie den "Dionysiaka" des Nonnus Panopolitanus (5. Jahrh. n. Chr.) entnommen. Zu seiner genauen Lage äußern sich die alten Schriften nicht. Bis heute fehlt der aus dem Boden gewonnene Beweis oder die schriftliche Quelle, die alle Zweifel beseitigt.
Archäologen und Historiker versuchen seit Generationen die Position
der antiken Stadt zu orten, die eine Nachbarstadt von Karpasia (Agios
Philon) gewesen sein muss, wie sie übereinstimmend feststellen.
Einige lokalisierten Urania im Binnenland, "2o Minuten südöstlich
von Rhizokarpaso (Dipkarpaz) auf einem Bergplateau gelegen", dessen
griechischer Name entfernt an "Urania" erinnerte. Andere wollten nicht
davon abgehen, dass die Stadt am Meer lag, einen Hafen besaß und
im nahen Hinterland eine Bergfestung. Und es gab jemanden, der die
Stadt weit in den Westen rückte, sie dem Ruinenfeld von Panagia
Pergaminiotissa auf dem Küstenstreifen westlich der Kantara-Burg
zuordnete.
Leider zählt die Erforschung der antiken bis frühchristlichen
Inselgeschichte nicht zu den Paradedisziplinen der "scientific community"
Nordzyperns. Westlichen Ausländern wird die Forschung vor Ort
auf Druck der griechischen Seite (noch) unmöglich gemacht. Neue
Erkenntnisse sind also rar und so steht die jetzt favorisierte Formel
"Aphendrika ist eine Nachfolgesiedlung von Urania" auf unsicherem Fundament,
nur: ausschließen kann man sie auch nicht.
"Urania"
Über das Gelände zwischen den drei Kirchen und dem Meeresufer, einer Distanz von etwa einem Kilometer, soll sich Urania hingezogen haben. Westlich breitet sich eine Nekropolis mit Felsgräbern aus und ein versandeter kleiner Hafen in Hufeisenform liegt im Norden. Nur etwa 150 m von der Kirche Asomatos entfernt, wurde in hellenistischer (?) Zeit auf dem steilen Felsrücken eine Anlage errichtet, besser gesagt: in den anstehenden Fels bis zu einer Tiefe von 1,30 m hineingetrieben und mit längst verschwundenem Mauerwerk aufgestockt, die man als "Zitadelle" deuten kann. Pforten, Räume und Treppen sind noch zu erkennen, auch hier und da noch Überreste von bis zu 80 cm starken Außenmauern.
306 v. Chr. soll Demetrios mit dem sinnigen Beinamen "der Städtebelagerer"
(Poliorketes) die antike Stadt in den Wirren der nachalexandrinischen
Diadochenkämpfe zerstört haben. Sie wurde wieder aufgebaut,
rückte aber schon während der römischen Epoche mehr
und mehr von der Küste ins Binnenland und lag mit ihrem Kern
in byzantinischer Zeit nahe den heutigen Kirchenruinen. Die Siedlung
existierte noch im Hohen Mittelalter, möglicherweise sogar
bis Ende des 16. Jahrhunderts.
Drei Kirchen
Panagia Aphendrika wird sie noch gelegentlich genannt, aber in die Literatur eingegangen ist die größte (22 x 13 m) der drei Kirchen als Panagia Chrysiotissa. Sie wurde im 6. Jahrhundert im damals üblichen Stil als Basilika erbaut (Hauptschiff, zwei Seitenschiffe, drei Apsiden, Fenster mit Rundbögen) und verfügte über ein flach gelegtes Holzdach, das von starken Holzpfosten, später von Quaderpfeilern getragen wurde. Nach der weitgehenden Zerstörung durch arabische Invasoren stand die Kirche längere Zeit als Ruine, ehe der byzantinische Wiederaufbau nach der vollständigen Rückgewinnung Zyperns im 10. Jahrhundert auch Chrysiotissa in neuem Glanz erstehen ließ. Die Kirche erhielt nun ein Tonnengewölbe, das sich auf Arkaden an den Längswänden stützte.
Panagia Chrysiotissa
Im späten Mittelalter wurde die Kirche erneut zerstört,
bekam aber im 16. Jahrhundert einen kleineren Ersatzbau, der mitten
in die Ruine, in die drei westlichen Joche, hineingesetzt wurde
und die verbliebene Mauer des südlichen Seitenschiffes der
alten Kirche abstützte. Noch 1873 notierte der deutsche Reisende
Dr. Paul Schröder, dass "deren innere Cella zu einer noch
jetzt zum Gottesdienst benutzten Kirche restauriert worden ist".
Eine Säule im ersten Bogen der Südwand und Fragmente
von Halbsäulen gehören noch zum Vorgängerbau.
Ruine der Kirche Assomatos
In besserem Zustand ist die nach dem gleichen Plan erbaute, aber
kleinere Basilika Panagia Asomatos. Sie liegt etwa 80 m südlich
der Chrysiotissa. Auch dieses Gotteshaus erhielt nach den arabischen
Angriffen ein massives Tonnengewölbe. Besonders der Apsidenbereich
und das Gewölbe über dem südlichen Seitenschiff
sind noch gut erhalten.
Aus dem 10. Jahrhundert stammt die kleine Kreuzkuppelkirche Agios
Georgios direkt neben der Chrysiotissa. Ganz anders als bei den
Basiliken hat man hier nicht besonders sorgfältig gebaut.
Die ziemlich schludrig bearbeiteten Quadersteine wurden überdies
noch nachlässig gesetzt. Das Westende der Kirche ist vollends
verschwunden, das Ostende ungewöhnlicherweise mit nur zwei
Apsiden und seitlichen Nischen ausgestattet. Die längst eingestürzte
Kuppel ruhte offenbar auf einem Tambour, einer Übergangszone
zwischen dem Kuppelfuß und dem zu wölbenden Raum.
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