schwarzaufweiss.de

Die Ulmer Bundesfestung
Vauban war diesmal nicht dabei

Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther 

Der Ulmer Spatz ist bekannt, in Schokolade, aber auch als bunte Stadtskulptur. Auch bekannt ist das Ulmer Münster, allein schon wegen des hoch in den Himmel ragenden Turms. Schließlich kennt auch jeder den Schneider von Ulm, der sich mit seinem Fluggerät von der Bastion in die Lüfte erheben wollte. Doch mit dem Fliegen wurde es nichts. Der Schneider landete unsanft in einer der Donauwellen. Dennoch ging er in die Annalen der Fliegerei ein. Den Nachbau seines Fluggeräts findet man bis heute im Foyer des Ulmer Rathauses. Doch wer weiß eigentlich, dass die Stadt an der Donau, von einem dichten Festungsring umgeben ist. Dieser ist zwar im Laufe der Zeit im Rahmen der Entfestung der Stadt ein wenig „löchrig“ geworden, doch auf einem Rundgang kann man stets noch Lünetten, Künette, Kasematten, Kernwerke oder ein Glacis entdecken. 

Ulm - Wilhelmsburg
Wilhelmsburg

Nein, man muss sich in den Fachbegriffen des Festungsbaus nicht auskennen, aber hilfreich ist es schon. So ist ein Glacis eine ins Vorgelände der Festung flach auslaufende Erdaufschüttung. Unter Lünette versteht man ein sechsseitiges Festungswerk mit zwei Flanken, unter Künette eine Rinne im Festungsgraben. Durch Überwölbung gegen Beschuss geschützt ist der Festungsraum, der Kasematte genannt wird. Ringsum geschlossen und befestigt ist das Kernwerk in der Hauptumwallung, in Ulm auch Bastion genannt.

Entdecken kann man die einzelnen Festungsabschnitte rund um Ulm und Neu-Ulm auf dem Festungsweg, der durch zahlreiche Infostelen und Wegweiser mit Richtungspfeil und nachfolgendem Zielort markiert wurde. Dabei erfährt man auch, dass die Festung einst mit bis zu 5000 Soldaten belegt war und Ulm bis zum Ende des letzten Weltkriegs eine der größten deutschen Garnisonsstädte war. In einem der Forts außerhalb des unmittelbaren Festungsrings rund um Ulm, im Fort Oberer Kuhberg, bestand im Übrigen zwei Jahre lang ein Konzentrationslager. Zu den dortigen Insassen gehörte auch der SPD-Politiker Kurt Schumacher. Unterdessen wurde eine Gedenkstätte im Fort eingerichtet, um an jene Nutzung zu erinnern.

Hier wird auch gejazzt

Dass dieser Weg besteht und große Teile der Festung die moderne Stadtentwicklung überdauert haben, ist nur dem engagierten Eingreifen und Handeln zahlreicher Ulmer Bürger zu verdanken. Zugleich konnte die Stadt durch den Erhalt städtischen Raum schaffen, um dort beispielsweise Klubs und Vereine unterzubringen. Dazu gehört auch der Jazzclub Sauschdall. Dieser besteht nunmehr seit mehr als fünf Jahrzehnten und ist im Werk XX an der Prittwitzstraße zu finden. Genutzt wird der Gewölbekeller der sogenannten Courtine zum Unteren Gaisenberg, um Jazz vom Feinsten zu präsentieren, und das kommerzfrei und ehrenamtlich(!). Wer war hier nicht schon alles zu Gast, ob die Organistin Barbara Dennerlein oder der Bassist Eberhard Weber, der Saxofonist Charly Mariano und der Free-Jazzer Alexander von Schlippenbach, klangvolle Namen der Jazzwelt. Aber es gelingt auch immer wieder mit Erfolg, dem Publikum frische aktuelle Jazzmusik zu präsentieren.

Ulm - Jazzclub Sauschdall
Jazzclub Sauschdall

Ein Blick in die Geschichte

Der legendäre französische Festungsbaumeister des Sonnenkönigs, ein Herr namens Vauban, stand vielleicht geistig Pate beim Festungsbau, doch die eigentlichen kongenialen Baumeister und Planer waren nach dem Wiener Kongress auf württembergischer Seite, also der Ulmer Seite, Moritz Karl Ernst von Prittwitz und Gaffron und auf bayerischer Seite, also Neu-Ulmer Seite, Friedrich Herdegen und Theodor Ritter von Hildebrandt.

Ulm - Fort unterer Eselsberg
Fort Unterer Eselsberg

Die Festung entstand nach den Grundsätzen der sogenannten Neuen Deutschen Befestigung. Nein, kein Bastionärsystem à la Vauban, sondern gerade Festungsfronten und vorspringende Geschütztürme zeichneten dieses neue Bollwerk aus, dessen Grundsteine 1844 gelegt wurden. Erneuert und dem neusten Stand der Technik angepasst wurde die Festung nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs. Unter anderem entstanden auf dem Oberen Eselsberg zusätzliche Forts. Damit wurde Deutschlands größtes Festungsensemble vollendet.

Die Donaubastion und das Donauschwäbische Zentralmuseum

Bei unserem Festungsspaziergang wollen wir uns auf die linke, also Ulmer, Donauseite beschränken und beginnen bei Werk I, der oberen Donaubastion. Frisch restauriert ist die Festungsmauer zur Donauseite hin. Noch bis heute sichtbar ist ein sogenanntes Stauwehr, nutzte man doch das Wasser der Blau um den Graben des Festungswerks zu fluten. Die einstige Reithalle und auch andere Bauwerke des Kernwerks, darunter die große Defensivkaserne, dienen heute anderen Zwecken, zum Beispiel dem theater ülum und der Theaterwerkstatt Ulm. In der Reithalle wurde der Stadtjugendring untergebracht, in der lang gestreckten Kaserne mit auffälligen Turmbauten u. a. das Donauschwäbische Zentralmuseum (1).

Ulm - Donauschwäbische Zentralmuseum
Donauschwäbisches Zentralmuseum

Dieses Museum beschäftigt sich mit der Geschichte der Donauschwaben, die in sogenannten Schwabenzügen nach Ungarn ausgewandert waren, „gerufen“ zur Kolonisierung des Landes durch die Habsburger Kaiser. Schätzungsweise 500 000 waren es, die im Laufe der Geschichte in Osteuropa eine neue Heimat fanden. Dabei wird die jüngere und jüngste Geschichte nach 1989 auch nicht ausgespart. Neben der lackierten, zweiteiligen Metallskulptur von Ingo Glass, die den Titel „Begegnung der Grundformen I und II“ trägt, finden wir vor dem Haupteingang des Museums die „Ulma“, die letzte, durch den Schoppenmeister Eugen Hailbronner erbaute „Ulmer Schachtel“. Es handelt sich dabei um ein kielloses Flussschiff, das ursprünglich dem Warentransport von Ulm nach Wien diente. Mit dieser Art Schiffen wurde 1683 auch 5000 Mann nach Wien transportiert, um die Verteidiger Wiens gegen die Türken zu unterstützen. 

Ulm - durch den Schoppenmeister Eugen Hailbronner erbaute „Ulmer Schachtel“
Durch den Schoppenmeister Eugen Hailbronner
erbaute „Ulmer Schachtel“

Roxy und Magirushof

Eine eher schäbig wirkende Halle beherbergt das „Roxy“. Untergebracht ist dieses Kulturzentrum in einer ehemaligen Magirus-Fabrikhalle. Open Stage, Lesungen, Song Slam und Gigs bekannter Bands machen das Programm des „Roxys“ aus. „Fettes Brot“ traten hier bereits ebenso auf Rocko Schamoni. Vor diesem Kulturzentrum stoßen wir auf einen Teil der ehemaligen Berliner Mauer, so mag man unbedacht meinen. Mit Graffiti übersät ist der „Irrgarten“ von Johannes Pfeiffer, einer der Künstler, der in Ulm für Kunst im öffentlichen Raum gesorgt hat. Wer sich für Bildhauerei und Skulpturen interessiert, der sei darauf hingewiesen, dass es in Ulm wie wohl in keiner anderen deutschen Stadt ein „Freilichtmuseum der Skulpturen“ gibt. So findet man im Magirushof unweit des Donauschwäbischen Zentralmuseums nicht nur eine Glaspyramide von Dan Graham, sondern auch die Stahlskulptur „Keilbogen“ von Klaus Duschat.

Ulm - Magirushof - Glaspyramide von Dan Graham
Glaspyramide von Dan Graham

Ehinger Tor und Mittelbastion sowie Blaubeurer Tor

Nächste Station auf dem Festungsweg ist das innere Ehinger Tor (2), das als Tor längst nicht mehr genutzt wird, sondern die Neue Straße gegenüber dem viel befahrenen Hindenburgring ein wenig abschirmt. Stadteinwärts ist unterdessen am Tor eine Art Busbahnhof entstanden.

Ulm - Ehinger Tor
Ehinger Tor

Auffallend sind die beiden Durchfahrten des Torbaus, die einst durch eiserne Torflügel verschlossen wurden. Gehen wir nun entlang des Hindenburgrings zum Blaubeurer Tor, so übersehen wir beinahe die etwas abseits der Straße stehende Mittelbastion, die auf der Mitte der oberen Stadtfront stand. Noch erhalten ist das turmartige Reduit, ein massiver Kasemattbau mit vier sogenannten Fußflankiergewölbekuppeln. Nach dem I. Weltkrieg gab es die Idee, dieses Bauwerk in ein Lichtspieltheater und Konzertsaal umzubauen. Doch daraus wurde nichts. Heute trifft sich in den nunmehr städtischen Räumen eine Sporttauchgruppe.

Ulm - Reduit
Reduit

Wie man im Zuge von Straßenbau- und Brückenbaumaßnahmen historische Substanz zerstören kann, zeigt das zweitürmige, mit Zinnen besetzte Blaubeurer Tor (3) und das, was davon noch übrig geblieben ist. Es ist das größte und beeindruckendste Bauwerk des sogenannten Werk IV. Donnernd ergießt sich der Verkehr heute über die über das Tor geführte Wallstraßenbrücke.

Ulm - Blaubeurer Tor
Blaubeurer Tor

Auf dem Kienlesberg, der westlichen Schulter des Michelsbergs

Wollen wir noch mehr von der Festung sehen, müssen wir gut zu Fuß sein und auch ausreichend Kondition haben. Im weiteren Verlauf bewegen wir uns auf leicht ansteigender Strecke hinauf zum Kienlesberg mit den Werken VIII bis X sowie der Anschlusslinie zur mächtigen Wilhelmsburg, die nun von der Bundeswehr genutzt wird und dementsprechend in einem baulich hervorragenden Zustand ist.

Ulm - Kienlesbergbastion
Caponnière der Kienlesbergbastion

Im Festungswerk Kienlesberg ist einer der Zahlreichen Klubs untergekommen: Club Action. Und was erwartet uns dort: als regelmäßige Winterveranstaltungen: Rock Re-Action (regelmäßige Rock-Disco), „Beats&Breaks" und "Expedition" (Drum&Base-, Reggae-Partys mit Live-DJs) sowie die Weihnachtsdisco an Heiligabend. Im Sommer hingegen locken im Juli/August die Open Air Konzertreihe und das Ulmer Afrikafestival. Sehr beeindruckend ist die eigentliche Kienlesbergbastion (4) mit asymmetrischem Grundriss. Besonders diese Festungsanlage ist gut für Spaziergänger erschlossen, auch die Anschlusslinie zur Wilhelmsburg nebst Graben.

Von der Wilhelmsburg zur Donau

Als Defensivkaserne mit vier kasemattierten Flügeln mit drei bis fünf Stockwerken wurde die Wilhelmsburg (5) konzipiert, die von den Werken XIII-XVII umgeben ist. Diese sollte einen Angriff von der Alb-Hochfläche auf Ulm verhindern. Das Fort Prittwitz und der Lehrer Turm im Vorfeld dienten der zusätzlichen Verstärkung des Festungsbaus an dieser Stelle. Teilweise im Grünen laufend, setzen wir unsere Festungstour über die Obere und Untere Gaisenbergbastion fort. Der bereits erwähnte Jazzclub Sauschdall und die Begegnungsstätte Charivari liegen dabei auf unserem Weg. Weiter geht es zur unterdessen umgebauten Unteren Donaubastion und schließlich zum Congress Centrum, wo wir die Tour beenden.

Ulm - Wilhelmsburg
Wilhelmsburg

Ein kleiner Hinweis für diejenigen, die auch an Kunst interessiert sind: Vor dem Kongressbau steht eine mehrteilige Arbeit aus Metall und Metallteilen, die dem in Wuppertal ansässigen britischen Künstler Tony Cragg zu verdanken ist. Vier Metallkegel recken sich an diesem Ort in den Himmel. Allerdings sind sie längst nicht so mächtig wie die Festungswerke.

Aus Ziegelsteinen und Stahldrähten hat Johannes Pfeiffer keinen Klangkörper, sondern seine „Grenzüberschreitung“ geschaffen, die gleichfalls in der Nähe des Kongressbaus zu sehen ist. Dass man bei einem Spaziergang links und rechts der Donau noch weitere Großplastiken und Skulpturen vorfindet, sei an dieser Stelle hervorgehoben, aber das wäre dann mal eine ganz andere Ulmtour.

Ulm - Unterer Donauturm, roter Turm genannt
Unterer Donauturm, Roter Turm genannt

Zum Schluss: Wer noch genug Energie und Interesse an weiteren Festungsbauten aufbringen kann, spaziert entlang der Donau zur Donauhalle. So kann man den Unteren Donauturm und das Fort Friedrichsau in Augenschein nehmen.

Reiseinformationen zu Ulm

Informationen

Ulm Touristik-Information, www.tourismus.ulm.de/web/de/index.php

Bundesfestung Ulm e.V., www.bundesfestung-ulm.de

Donauschwäbisches Zentralmuseum, www.dzm-museum.de/deutsch/dzm.html

Kulturzentren/Klubs

Roxy, www.roxy.ulm.de/web/index.php

Club Action, www.club-action.de/index.php5

Jazzclub Sauschdall, www.sauschdall.de

Begegnungsstätte Charivari, www.ulm.de/leben_in_ulm/

Unerlässlich für Partygänger

Pocket Party and City Guide (kostenlos), www.pocket.de

Setlist, Liveklub-Programm Ulm/Neu-Ulm und Region (jeden Monat, kostenlos). So erfährt man, was u. a. im Charivari, Club Schilli, Roxy und Studentencafé los ist.

 Mobilseiten im Überblick

 schwarzaufweiss.de Startseite