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Erlebnisse im irischen Cottage
Urlaub in Connemara

Text und Fotos: Beate Schümann

Ein Cottage in Irland sollte ein eigenes Schaf haben. Das wünscht man sich insgeheim. Eines, das schon morgens auf dem Rasen grasen und die Bewohner beim Blick aus dem Fenster freundlich grüßen würde. Unfug, natürlich. Aber so war es. Und so abwegig ist es nun auch wieder nicht. Schließlich ist das Schaf eine Ikone der grünen Insel. In ganz Irland sollen rund fünf Millionen Exemplare über die Wiesen laufen. Allein in Connemara, wo Leenaun (1) liegt, weiden eine gute Millionen.

Aufgeschreckt vom Aufziehen der Gardinen, starrt am ersten Morgen ein entgeistertes schwarzes Schafgesicht von der Terrasse zum Ferienhaus herüber. Potzblitz, ein Schaf im Garten, ein original weißes Wollknäuel! Gleich trabt noch eines heran, ein kleineres mit schwarz-weiß gepunkteter Nase und gesprenkelten Beinen. Zwei Schafe, die ebenso gestört wie verstört dreinblicken. Als sich die Terrassentür öffnet, preschen beide über die Hügel davon.

Das Cottage "Killary View" am Kopf vom Killary Harbour, des einzigen Fjords in Irland. Leenaun, Connemara, Irland
Blick auf den Fjord Killary Harbour

Leenaun ist ein Dorf im Norden von Connemara. Es liegt am Kopf des Killary Harbour, des einzigen Fjords der Insel. Der Atlantik hat sich fünfzehn Kilometer in die karge Hügellandschaft gefräst und am Ende einen Schlund gebildet. Zum Cottage „Killary View“ fährt man hundert Meter in Richtung Westport und rechts rein, stand in der Beschreibung. Doch alle Häuser sehen gleich aus, traditionell erbaut, einstöckig und mit grauem Dach. Auch die drei Leenauner am Ortsausgang kennen es nicht. „Killary View hat man hier von allen Seiten“, sagt einer und die Drei grinsen.

Am richtigen Haus steckt der Schlüssel im Türschloss. Zwanzig Minuten, um die Sache mit dem Code zu knacken, zehn Minuten für das Heiz- und Wassersystem. Auf dem Küchentisch wartet ein Survivalpackage aus Toast, Muffins, Instantkaffee und einer Flasche französischen Rotwein.

Blick vom Cottage "Killary View" auf den Fjord Killary Harbour. In Leenaun, Connemara, Co Galway, Westirland
Blick vom Cottage "Killary View" auf den Fjord Killary Harbour

Für den Abend gibt es eine leicht verständliche Regel: Wenn das „Hamilton’s“ geschlossen hat, ist das „Gaynor’s“ geöffnet. Das Pub oder „Public House“ ist das Zentrum irischer Gemeinden, ein öffentliches Wohnzimmer, ein Treffpunkt zum Alkoholverzehr mit Familienanschluss.

Hauptstraße von Leenaun mit dem Pub "Gaynor's", gleich daneben das  Pub "Hamilton's" und die einzige Tankstelle. Connemara, Co. Golway, Westirland
Hauptstraße von Leenaun mit dem Pub "Gaynor's", gleich daneben
das Pub "Hamilton's" und die einzige Tankstelle

Hinter der viktorianischen Fassade schlägt einem eine Welle aus Reden, Gelächter und irischer Musik entgegen. Der Inhalt der Halblitergläser ist schwarz wie der Torf, der hier gestochen wird. „Two Pints, please“, sagt der Neuling, zahlt und zwei Gläser wandern unter den Zapfhahn. Als sich der helle Guinness-Schaum dem Glasrand nähert, holt sich der Durstige die Biere. Sofort stürmt die blonde Lady hinter dem Tresen hervor und nimmt sie ihm wieder ab. „Ich entscheide, wann sie fertig sind“, brummt sie. „Der Schaum muss sich setzen.“ Dann bringt sie die Gläser, die Blume mit einem Kleeblatt verziert, und schmunzelt versöhnt.

Das Pub "Gaynor's" in Leenaun, Connemara, Co Galway, Westirland

Und täglich grüßt das Schaf. Kurz nach Sonnenaufgang fängt der Kies unter dem Schlafzimmerfenster an zu knirschen und der morgendliche Weckdienst setzt zur Blök-Arie an, als wollten die Schafe sagen: Zeit zum Aufstehen. Sie kennen das irische Sprichwort ja nicht: Als Gott die Zeit machte, hat er genug davon gemacht. Nun grasen die beiden zufrieden. Sie werden Hamlet und Sally getauft.

Hamlet und Sally, die beiden wilden Blackfacesheeps vor dem Cottage "Killary View". Es liegt im Dorf Leenaun, am Kopf vom Killary Harbour, dem einzigen Fjord Irlands.
Hamlet und Sally, die beiden wilden Blackfacesheeps

In Irland leben dreiundsechzig Menschen pro Quadratkilometer. Für die Gegend von Leenaun kommt das hin. Das Dorf hat eine Hauptstraße, eine Tankstelle, zwei Pubs, ein Hotel, zwei Restaurants, eine Kirche und rund fünfzig Häuser. Es gibt kein Kino, keine Fast-Food-Kette, keine Shoppingmeile und keinen Swimmingpool. Im einzigen Laden gibt es Toast, Instantkaffee, Marmelade, Cheddarkäse „mild“ und gekochten Schinken. Außerdem hat er alles Lebensnotwendige wie Guinness in der Flasche, Nudeln, Tomatenketchup, Kartoffelchips, Spülmittel und Katzenfutter. Vor allem hat er täglich geöffnet.

Es weht ein milder Westwind, die Luft schmeckt nach Salz und Seetang. Eine kurze Hose, Pulli und Trekkingschuhe genügen für die Wanderungen zum Fjord, zum 645 Meter hohen Berg Devilsmother oder zu den Aasleagh Falls, jenem Wasserfall am Errif River, wo 1990 der Film „The Fields“ mit Richard Harris gedreht wurde. Die düstere Armut, von der der Kinostreifen erzählt, ist zum Glück längst passé. Am Ortsschild lernt man, dass der gälische Name „An Líonán“ an erster Stelle steht, gefolgt vom offiziellen „Leenaun“. Die alte Version „Leenane“ ist in einen Steinklotz daneben gemeißelt und noch verbreitet. Die kurvige Hauptstraße ist von Feldsteinmauern und Hecken aus Hortensien, Fuchsien, Farnen und orange blühenden Liliengewächsen gesäumt. Um dem rasenden Milchwagen zu entkommen, muss man schon mal auf die Böschung springen wie Hamlet und Sally es tun, wenn sie vor den Hausbewohnern flüchten.

Ortsschild von Leenaun, An Líonán ist die gälische Version. Im Hintergrund das Dorf, das am Kopf vom Killary Harbour liegt, des einzigen Fjords Irlands, Connemara, Co Galway, Westirland
Ortsschild von Leenaun, An Líonán ist die gälische Version

Am Sonntag kommt man ins „Gaynor’s“ zum Kartenspiel am Kamin, zum Damenkränzchen oder für einen Snack: Suppe mit Brot, ein Sandwich oder ein echtes deftiges Irish Stew, Gemüseeintopf mit Hammelfleisch. Fremde werden im Pub erst beachtet, wenn sie auch am dritten Tag erscheinen. Dann wissen die Leute, dass man sich wirklich für sie interessiert und erfährt, dass sich hinter der knurrigen Fassade warmherzige Gastfreundschaft verbirgt. Dann bestätigt sich auch, dass der Ire Paddy oder Patrick heißt, rothaarig und trinkfest ist. Aber es gibt natürlich auch blonde, die Edward heißen und Tee trinken. Die Gaynor’s führen den Pub in fünfter Generation, und Breda begrüßt neuerdings per Handschlag. „Noch ein Pint?“ fragt sie. „Bei uns gibt es keine Polizei“, kichert sie. Kleiner Scherz. Nach mehreren Pints fangen die Leute an, gälische Balladen zu singen. Auf Schönheit kommt es in dieser Nacht nicht mehr an.

Wind kann nirgendwo so pfeifen wie in Irland. Mitten im Nordatlantik scheint er von allen Seiten über die 70 273 Quadratkilometer große Insel zu blasen. Er ist das Getöse auf dem Klippenrand vom Killary Harbour. Er ist das Klatschen an den Rümpfen der Ausflugsschiffe, die im Fjord verkehren. Er ist es, der die Wellen tänzeln lässt, an den Haaren zupft und wohl die Connemara-Schafe zur Produktion der dicken Wolle anregt. Er fächelt mystische Nebelschwaden zwischen den bemoosten Hochkreuzen frühchristlicher Friedhöfe wie bei Clonmacnoise. Er sorgt aber auch für die Wechselspiele von Licht und Schatten. Dann schimmern Wiesen, Moore, Fichtenforste und Fuchsienhaine smaragdgrün, angeblich in vierzig Schattierungen. Selbst nebelgraue Schlösser wie Kylemore Abbey leuchten dann.

Nach dem Regen spannt sich ein schillernder Regenbogen über den Fjord bis zur Brücke, hinter der das Leenaun Sheep and Wool Center liegt. Es ist eine Art Museum mit Café und Wollshop, in dem man viel über die Ortsgeschichte erfahren kann. Wie etwa, dass im Jahr 1900 noch die Hälfte der Bevölkerung von der Wolle lebte, bevor das Geschäft dreißig Jahre später nur noch so wenig eintrug, dass es aufgegeben wurde. Heute zählt Leenaun rund 5000 Schafe, die zur Landschaftspflege da sind. „Die Mode verlangt Cashmere, Merino und Mohair“, sagt eine Dame vor den alten Fotos in der Ausstellung. Leenaun lebt vom Tourismus, der Muschelzucht und dem Adventure Center, aber nicht von den Schafen. Im Café kennen die Lenauner auch Hamlet und Sally. Sie leben wild, sagt einer, ein Mutterschaf mit Lamm. Aha, Hamlet ist also gar kein Schafsbock. „Bei unseren Blackfacesheeps tragen auch Damen Hörner“, amüsieren sie sich.

Es gibt Wetter und Unwetter. Auf dem Weg zum Cottage prasselt der Regen los. Elektrisiert von wütenden Sturmböen, tanzen die Wellen im Fjord Quickstep. Aufgeregt galoppieren Hamlet und Sally davon. Ihr dickes Fell wird sie schützen. Der Wind bürstet das Dach, selbst das Stechgras im Garten wird geplättet. Er dröhnt, lärmt, donnert und beschleunigt noch das Tempo. Gewitter, Nebelschleier und sonnengerahmte Wolkenbilder wechseln sich ab. Ein filmreifes Schauspiel, und dazu gibt es heiße Schokolade mit Malt Whiskey am Kamin. Man ist gewohnt, die Dinge abzustellen, wenn man sie nicht mehr braucht, den Wasserhahn, das Radio, das Licht. Doch der Sturm geht einfach weiter. Der Wind musiziert mit Harfe und Dudelsack, der Regen gibt den Drum. So muss der irische Sound entstanden sein.

Abendsonne nach einem Unwetter in Leenaun, am Kopf vom Killary harbour, des einzigen Fjords Irlands. Connemara, Co Galway, Westirland.
Abendsonne nach einem Unwetter in Leenaun

Plötzlich ist es wieder still. Über dem Fjord reißt der Himmel auf und zeigt zwischen einem Rest schwarzer Orkanwolken einen tiefroten Sonnenuntergang. Der Spuk ist vorbei und der Blick auf den Killary Harbour wieder frei. Am Himmel trotten die Wolken wie Schafe nebeneinander her. Nur Hamlet und Sally sind nicht zu sehen.

Reiseinformationen

Unterkunft in Cottages:

www.irelandselfcateringguide.com.
Leenane Hotel, Tel. 00353-95-42249, www.leenanehotel.com.

Pubs und Restaurants:

Gaynor’s The Field Bar, Tel. 00353-95-42261/42271.
The Blackberry Café & Coffeee Shop, Tel. 00353-95-42240.

Sehenswert:

The Sheep & Wool Center, Tel. 00353-95-42323, www.sheepandwoolcentre.com.

Auskunft:

Irland Information, Gutleutstr. 32, 60329 Frankfurt, Tel. 069-6680 0950, info@entdeckeirland.de, www.entdeckeirland.de.

 

Website der Autorin: www.beate-schuemann.de

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