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Reiseführer Madrid

Plaza de Chueca / Casa de las Siete Chimeneas

Biegt man vom mondänen Paseo de Recoletos aus nach Westen ab, dann betritt man sofort wieder eines der traditionellsten Stadtviertel Madrids, Chueca. Der Besucher stellt auf den ersten Blick fest, dass dies ein äußerst quirliger und moderner Stadtteil ist. Modische Bars und Läden reihen sich in einer fast endlosen Abfolge aneinander. Aber Chueca hat auch eine lange Geschichte, wie wir an dem ersten Monument sehen, zu dem wir über die Calle Prim und die Calle Barquillo gelangen:


Casa de las Siete Chimeneas (Zweigstelle des spanischen Erziehungs- und Kultusministeriums)

Dieses Bauwerk aus dem späten 16. Jahrhundert hat seinen eigenartigen Namen wegen der sieben Schornsteine, die an seinem Dachgeschoss angebracht sind. Erbaut wurde es im Jahr 1577 von einem gewissen Diego Sillero. Dieser heute nur einigen Eingeweihten bekannte Architekt zählte damals zu den gefragtesten Bauherren seiner Zunft, denn Philipp II. vertraute ihm eine Reihe wichtiger Baumaßnahmen in der frisch gekürten Habsburgerhauptstadt an. So zeichnete Sillero für die Errichtung der Casa de la Panadería, des Sitzes des Bäckergremiums auf der Plaza Mayor, verantwortlich.

Von der ursprünglichen Casa de las Siete Chimeneas ist jedoch nur noch der Baukörper an der Plaza del Rey übrig geblieben. Sowohl im 19. als auch im 20. Jahrhundert legten zahlreiche Architekten hier Hand an, um den einstigen Stadtpalast einer neuen Bestimmung zuzuführen. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf den Sitz der Banco de Castilla hinzuweisen, der Vorläuferinstitution der spanischen Nationalbank. Diese zog allerdings nie in die hiesigen Räumlichkeiten ein, und somit reihte sich eine weitere seltsame Begebenheit in die an Eigentümern wie auch an merkwürdigen Vorkommnissen reiche Geschichte der Casa de las Siete Chimeneas ein.

Die Geschichte dieses Bauwerks als Spukhaus begann bereits mit seinen ersten, vermutlich legendären Bewohnern: dem General Zapata und seiner Frau Elena. Die Ehe der beiden wurde vom Kriegstod des Soldaten überschattet, der seine viel jüngere Gattin als Witwe in dem riesigen Anwesen zurückließ. Groß war die Aufregung in Madrid, als die Schöne wenig später nicht nur tot in dem Gebäude vorgefunden wurde, sondern direkt nach dem mysteriösen Ableben auch noch ihr Leichnam verschwand. Elenas Vater wurde für den Tod seiner eigenen Tochter verantwortlich gemacht, und in den Klatschecken der Hauptstadt machten sogar Gerüchte die Runde, er habe sein Opfer in die Wand der Casa de las Siete Chimeneas eingemauert. Über Details und Motive der Bluttat schweigt sich die Legende wie üblich aus, aber während mehrerer Generationen machte dieses Haus als gespenstischer Ort von sich reden. Zahlreiche Nachbarn und Passanten bezeugten, dass nachts ein Gespenst in Gestalt einer wunderschönen Frau auf dem Dach des Hauses entlang wanderte und sich voller Verzweiflung gegen die Brust schlug. Handelte es sich hierbei um die schöne Elena? War sie verzweifelt wegen des Mordes oder wegen des Todes ihres geliebten Mannes? Auch hier bleibt die Spukgeschichte eine Erklärung schuldig.

Praktische Tipps: Plaza de Chueca
gibt's hier...
  • Café Acuarela

Gravina 8, täglich 15.00 – 03.00, Metro: Chueca

Gemütliches Szenecafé nicht nur für Schwule und Lesben.


  • Diurno

San Marcos 37, Tel.: 91 522 00 09, täglich von 10.00 – 24.00, Metro: Chueca.

Café, Videothek und Snackbar in einem. Extrem modebewusstes Publikum.


  • Enfrente

Infantas 12, täglich 20.00-03.00, Freitag und Samstag bis 03.30, Metro: Chueca

Mischung aus Bar und Diskothek für Männer. Elektronische Musik und innovative Videoshow.


  • Libertad 8

Libertad 8 , Tel.: 91 532 11 50, täglich von 13.00 bis 02.00, Metro: Chueca.

Bar, die auf Konzerte und Lesungen spezialisiert ist.


  • Mito Discoclub

Augusto Figueroa 3, Tel.: 91 531 89 96, täglich ab 23.00, Metro: Chueca.

Diskoklassiker in Chueca. Treffpunkt für die unermüdlichsten der Nachtschwärmer.


  • Restaurante La Bardemcilla

Augusto Figueroa 47, Tel.: 91 521 42 56, Metro: Chueca.

Tapasrestaurant, das von der Familie des Starschauspielers Javier Bardém betrieben wird. Tapas


  • Restaurante Mercado de la Reina

Gran Vía 12, Tel.: 91 521 31 98, Metro: Gran Vía.

Elegant-modisches Restaurant mit internationalen Spezialitäten. Ca. 30 Euro pro Person.


  • Studio 54

Barbieri 7, Donnerstag bis Samstag 23.30 – 03.30, Metro: Chueca.

Bar / Diskothek mitten im Herzen Chuecas. Innenausstattung im Stil der siebziger Jahre. House- und Diskoklassiker.


Plaza de Chueca

Fest steht trotz aller Erklärungslücken, dass im Stadtviertel Chueca nicht nur Geschichte und Gegenwart aufeinanderprallen. Wenige Meter von dem eben besprochenen Spukhaus entfernt befindet sich das Epizentrum des gleichnamigen Viertels, die Plaza de Chueca. Benannt ist der Platz seit 1943 nach dem Komponisten Federico Chueca (1846-1908), der zeitweise in dieser Gegend residierte. Berühmt wurde er durch seine Vielzahl an Zarzuelas, einer speziell madrilenischen Abwandlung der Operette, die den Wortwitz und den turbulenten Alltag in der spanischen Hauptstadt musikalisch in Szene setzt.

Berühmt-berüchtigt war das Stadtviertel allerdings lange Zeit als Sündenpfuhl mitten im Zentrum Madrids. Chueca war selbst unter dem autoritären Franco-Regime die Madrider Version des Barrio Chino Barcelonas. Bordelle, Straßenprostitution und Kleinkriminalität waren die Kennzeichen dieses Bezirks. Dieser Zustand erreichte in den achtziger Jahren seinen Höhepunkt, aber parallel wurde Chueca auch zum Symbol der kulturellen Revolution der movida mit all ihren glamourösen und abgründigen Seiten. Die Movida machte Madrid nach Jahrzehnten des zwangsweisen Dornröschenschlafs unter Franco wieder zur kulturellen Metropole mit einer künstlerischen und kulturellen Avantgarde, die mit neuen Formen des artistischen Ausdrucks experimentierte. Nach der langen, grauen Repression wurde nun das Leben in seiner ganzen Fülle ausgekostet. Neue Bars und Diskotheken schossen aus dem Boden, Künstlerkommunen machten sich überall im Madrider Zentrum breit, die Sexualität wurde erforscht und provokativ in Szene gesetzt. Chueca war einer der Schwerpunkte dieser Entwicklung, die Madrid damals zur vielleicht aufregendsten Stadt Europas machte. Doch die Schattenseiten lagen auf der Hand. Das frenetische Nachtleben forderte in Form von AIDS- und Drogenopfern nicht nur unter den Repräsentanten der madrilenischen movida ihren Tribut. Chueca war zugleich kreatives Zentrum, aber auch Drogensumpf und Synonym des städtebaulichen Verfalls. Der Regisseur Pedro Almodòvar inszenierte diese Phase in der Geschichte dieses Stadtteils 1988 sehr eindrucksvoll in seinem Film Átame! (Fessle mich!). Antonio Banderas spielt hierbei einen Stalker, der sein Objekt der Begierde (eine berühmte Schauspielerin) nicht nur in ihrer eigenen Wohnung gefangen setzt und fesselt, sondern sich auch noch auf dem Drogenmarkt Chueca problemlos mit allen erdenklichen illegalen Medikamenten und anderweitigen Substanzen eindeckt.

Fernab aller künstlerischen Verarbeitung wurde die Situation in Chueca, ähnlich wie zum gleichen Zeitpunkt auf der Plaza Tirso de Molina, jedoch immer unhaltbarer. Die Wende kam durch das Engagement einiger schwuler und lesbischer Aktivisten, die in dem verfallenen Viertel neue Akzente setzten. Ein auf schwul-lesbische Literatur spezialisierter Buchladen, der spanische Schwulenverband COGAM und bald darauf eine Bar nach der nächsten öffneten ihre Pforten inmitten der verruchten Straßenzüge. Neue kreative Bewohner ließen nicht lange auf sich warten, mieteten und kauften Wohnungen zu Spottpreisen, sanierten viele abrissreife Häuser in Eigeninitiative, fast ohne jegliche Hilfe der Stadtverwaltung. Dieses Engagement ließ Chueca in den neunziger Jahren aufblühen und machte es zu einer Art madrilenischem Soho. Auch wenn die Straßen um die Plaza de Chueca nach wie vor alles andere als lupenrein sauber sind, ist dem Viertel neues Leben eingehaucht worden. Die Plaza de Chueca und ihre Umgebung sind jedes Wochenende Schauplatz eines bunten Treibens, das nicht nur Angehörige der schwul-lesbischen Community hierher zieht.

Die Normalisierung, die in den letzten Jahren die schwul-lesbische Gemeinschaft innerhalb der spanischen Gesellschaft erfahren hat, bleibt einstweilen in Chueca unangefochten. Die Präsenz im Straßenbild ist nach wie vor mehr als deutlich, und seit der Legalisierung der „Homo-Ehe“ im Jahr 2005 besitzt der aus dem Nichts entwickelte Lebenstraum Chueca auch die nötige politische Rückendeckung. Fast unglaublich in einem Land, in dem Schwule und Lesben noch bis 1979 mit staatlicher Hilfe Elektroschocktherapien unterzogen wurden. Doch auch hier ist der kommerzielle Erfolg der größte Feind. Von schwul-lesbischer Seite gibt es immer wieder Klagen über den Ghettocharakter des Stadtviertels. Und ebenso ärgerlich ist für die Ausgehfreudigen unter ihnen die immer stärkere Präsenz von Junggesellen- und gesellinnenabschieden in zahlreichen Szenelokalen. Schwule und Lesben kucken als Freizeitbeschäftigung und als Variante der Freak Show – auch dies zeigt sehr gut Licht und Schatten des Projekts Chueca, das sich zwischen Normalität und Konsumrausch bewegt.

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