Das Gibraltar des Nordens

Luxemburg, zweimalige Europäische Kulturhauptstadt

Text und Fotos: Robert B. Fishman

Luxemburg Kultur Modernismus

„Moien“, begrüßen sich die Luxemburger freundlich zu jeder Tageszeit. Man hat Zeit im kleinsten Land Westeuropas. Der Bummelzug aus Trier - einzige Schienenverbindung aus Deutschland in des Großherzogs Haupt- und Residenzstadt Luxemburg – schaukelt und rumpelt durch saftig-grüne Wiesen, vorbei an dichten Wäldern, die sich an die Kuppen der Hügel schmiegen. „Département des Forêts“, Waldbezirk hieß Luxemburg von 1795 bis 1815, als es zu Frankreich gehörte. Eine gemütliche Stunde fährt das feuerwehrrote Bähnli über die 46 Kilometer kurze Strecke quer durch den Süden des einzigen Großherzogtums der Welt. Wäre es ein Schnellzug würden die Fahrgäste das kleine Land glatt übersehen. Nur zwanzig Kilometer hinter dem Luxemburger Hauptbahnhof liegt die französische Grenze.

Das Land mit heute 455.000 Einwohnern weckte immer wieder die Begehrlichkeiten der großen Nachbarn. Frankreichs Kaiser Napoléon III. wollte das Großherzogtum kaufen. Die Deutschen sparten sich diese Kosten. 1940 besetzte die Wehrmacht das Land auf dem Weg nach Frankreich. Nach diesen Erfahrungen gaben die Luxemburger 1945 ihre fast hundert Jahre währende Neutralität auf. Mit den westlichen Nachbarn gründeten sie die NATO und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, aus der später die Europäische Union hervorging.

Luxemburg Kultur Stadt bei Nacht

Ein Glücksgriff für das bis dato arme Land. Die EWG und später die EU siedelten in Luxemburg ihren Gerichtshof, ihr Statistikamt und diverse andere Institutionen an. In den 70er und 80er Jahren lockten niedrige Steuern und die stabilen Verhältnisse Banken, Finanzkonzerne und Versicherungen ins Land. So erholte sich Luxemburg schnell von den Folgen der Stahlkrise und wurde statistisch zum reichsten Land der Welt. Das Bruttoinlandsprodukt stieg auf rund 66.000 US-Dollar je Einwohner, fast doppelt so viel wie in Deutschland.

Provinzstadt mit EU-Beamten?

Globalisierung war für die Luxemburger schon Alltag, als man in anderen Ländern noch gar nicht darüber nachdachte. Der heimische Markt ist für die meisten Unternehmen zu klein. So begann man sich frühzeitig nach außen zu orientieren. Die jungen Leute studieren in Straßburg, Karlsruhe, Brüssel, Paris oder London. Luxemburgs erste Universität befindet sich noch im Aufbau.

Luxemburg Kultur

Hier findet sich „so viel Größe mit Anmut, so viel Ernst mit Lieblichkeit“ schrieb Johann Wolfgang von Goethe 1792 über Luxemburg. Als „Gibraltar des Nordens“ galt damals das Städtchen, das sich zu Füßen einer der mächtigsten Festungsanlagen Westeuropas entwickelt hatte. 23 Kilometer unterirdische Gänge und Kasematten haben die Festungsbauer den Luxemburgern hinterlassen - heute eine Touristenattraktion, die die Vereinten Nationen wie die Überreste diverser Forts in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen haben.

Luxemburg Kultur Festung

„Eine überbewertete Provinzstadt mit ein paar EU-Beamten“, lästert ein Einheimischer und staunt dennoch über den Wandel, den seine Heimat seit dem Kulturhauptstadtjahr 1995 vollzogen hat. „1992 hatten wir zwei Kunstveranstaltungen im Monat, heute mindestens 15“, heißt es. Die Zahl der Besucher habe sich dabei „fast verzehnfacht“. Auf dem Kirchberg am Rande der Stadt ist zwischen den Bürohäusern der Banken und der Europäischen Union ein wahrer Kultur-Bauboom ausgebrochen. Frankreichs Stararchitekt und Pritzker-Preisträger Christian de Portzamparc kreierte die gut 180 Millionen Franken teure, blendend weiße, säulengesäumte Philharmonie. Gleich dahinter entstand auf den Ruinen eines alten Forts das Musée d’Art Moderne Grand Duc Jean nach Plänen des US- Baumeisters Ieoh Ming Pai.

Deutsche und Franzosen fühlen sich wohl

„Wir haben von den Deutschen die Gründlichkeit und von den Franzosen die „Art de Vivre“, also von beiden das Beste“, bemerkt der überzeugte Luxemburger Marc Jeck und lächelt freundlich. Touristen lobten vor allem, dass „hier alles gut organisiert und sauber“ sei. „Bei uns fühlen sich Deutsche und Franzosen mit ihren Lebensstilen und ihrer Sprache zuhause.“ Französisch und Deutsch sind Amtssprachen. Deutsch verstehen alle. Untereinander sprechen die Einheimischen das aus dem mittelalterlichen Deutsch der moselfränkischen Region überlieferte „Letzebuergisch“. „Am besten verstehen uns die Schweizer und die Österreicher“, meint die Luxemburgerin Anne Kaiffer, die lange als Ski- und Snowboardlehrerin in Vorarlberg gearbeitet hat.

Luxemburg Kultur Fassaden

Marc Kiefer führt Touristen in acht verschiedenen Sprachen durch die Stadt. „Nichts besonderes“, meint er und verweist auf den hohen Anteil an Ausländern im Land. Vier von zehn Luxemburgern stammen aus einem anderen Land. In der Gastronomie arbeiten vor allem Franzosen, auf dem Bau fast nur Portugiesen. Das Personal der Banken und Versicherungen kommt aus Deutschland, Belgien, England, den USA und vielen anderen Ländern.

Luxemburg Kultur Stadtansicht

Jeden Tag fahren mehr als 120.000 Menschen aus den Nachbarregionen zur Arbeit in die kleinste Hauptstadt der EU. Die Einheimischen nehmen es angesichts einer Arbeitslosenquote von fünf Prozent gelassen und bedanken sich freundlich: „Vilmols merci“.

Europäische Kulturhauptstadt 2007

Erstmals in der Geschichte der Europäischen Kulturhauptstädte trug Luxemburg den Titel nach 1995 im Jahr 2007 zum zweiten Mal. Ebenfalls zum ersten Mal hatte die Europäische Kommission eine grenzüberschreitende Großregion zur Kulturhauptstadt ernannt: Das Großherzogtum Luxemburg, die deutschen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland, Wallonien, die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens und das französische Lothringen - ein Gebiet mit rund elf Millionen Einwohnern auf 65.000 Quadratkilometern. Das wäre so, als würde man fast ganz Bayern zur Kulturhauptstadt erklären.

Luxemburg Kultur Bar

Mit Ausstellungen, Installationen, Großereignissen, Themenparks wie der Cité des Migrations (Stadt der Wanderungsbewegungen), Konzerten und Opernaufführungen wollten die Macher von Luxemburg 2007 „Grenzen überschreiten“ und ihre Gäste „überraschen“. Zwei gut hundert Jahre alte ehemalige Lokschuppen am Luxemburger Hauptbahnhof, die Rotunden, wurden zu Ausstellungs- und Event-Zentren umgebaut. In der Rotunde 2 bekam die Jugendkultur ein eigenes Zuhause. Unter dem Motto Art Basics for Children (ABC) entstand ein Entdeckerzentrum zum Anfassen, Ausprobieren und Mitmachen. 120 Jugendliche aus verschiedenen sozialen Schichten und Städten entwickelten gemeinsam eine Tanzperformance. Wer mochte, konnte seine schauspielerischen Talente dazu in offenen Theaterworkshops entwickeln.

Luxemburg Kultur

Mit einem Budget von 45 Millionen Euro hatte Luxemburg 2007 zahlreiche international bekannte Künstlerinnen und Künstler engagiert: Unter dem chinesischen Kurator Hou Hanru, der Ausstellungen u.a. für die Biennale in Venedig und die Nuits Blanches in Paris entwickelt hatte, verarbeiteten Kunstschaffende aus mehreren Ländern in der Rotunde 1 das Thema „Migration als Motor künstlerischer Vielfalt“. Die Französin Sophie Calle beschäftigte sich in ihrer Foto-Installation „mit den Grenzen zwischen Kunst und Leben“ und im neuen Musée d’Art Moderne MUDAM zeigten Designer, Architekten, Filmschaffende und Science-Fiction-Autoren ihre Zukunftsvisionen. Mehr als hundert grenzüberschreitende Projekte verbanden 2007 unter dem skurrilen Logo mit dem hellblauen Hirschen die sechs Regionen in vier Ländern.

Informationen

Luxemburg Kultur Summer in the City

Website des Autors: www.ecomedia-journalist.de

Luxemburg-Stadt Tourismusinformation
Place d’ Armes
Postfach 181
L 2011 Luxemburg
Tel.: (03 52) 22 28 09
touristinfo@lcto.lu
http://www.lcto.lu

 

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