REIHE UNTERWEGS

Kleines Land mit großen Angeboten

Liechtenstein nicht nur für Feinschmecker

Text und Fotos: Axel Scheibe

Wäre man in Finnland unterwegs, hätte man mit dem Lesen der Speisekarte wohl kaum mehr Probleme als im Restaurant Kulm in Triesenberg. Doch Triesenberg liegt nicht in Finnland sondern in Liechtenstein, wo die Landesprache ja eigentlich Deutsch ist.

Liechtenstein - Triesenberg

Blick auf Triesenberg

Das ändert nichts am Problem: Es finden gerade die Triesenberger Wochen statt, eine kulinarische Zeit im Oktober und November, während der sich viele Gastwirte gemeinsam mit einem speziellen Angebot an vergangene Jahrzehnte und Jahrhunderte erinnern. Damals kam noch Urisches auf den Tisch, Speisen, die ganz auf das bauen, was in der Region zu haben war.

Sulbrata mid Häärdöpflschtock

„Chruudchnöpfli“, „Buurawurscht mit Häärdöpflsalat“, „Sulbrata mid Häärdöpflschtock und Rootchruud“ oder „Alplrröschdi mid Ei“ – für was soll man sich entscheiden, wenn man nicht einmal weiß, worum es eigentlich geht. Die Lösung ist nah. Natürlich haben die Gastronomen an ihre Gäste aus der Ferne gedacht und eine Übersetzung beigelegt: Sauerkrautspätzle, Bauernwurst mit Kartoffelsalat, Braten von eingesulztem Schweinefleisch mit Kartoffelmuß und Rotkraut oder Rösti mit Speck, Zwiebeln, Käse und Ei. Während die Rösti in der Küche brutzeln, bleibt Zeit, den herrlichen Ausblick auf das Rheintal zu genießen, der sich von hier oben bietet. Die Herbstsonne legt sich wie ein glänzender Schleier über die Landschaft und im Wintergarten des Restaurants sind fast hochsommerliche Temperaturen. Zum Abschluss noch ein Sämmlribl mid Kafee (gerösteter Hartweizengrieß mit Kaffee) und dann wird es Zeit. Man kann zwar von Triesenberg aus fast das ganze kleine Fürstentum überblicken und bereits die Berge jenseits des Rhein gehören zur Schweiz, trotzdem gibt es viel zu sehen und zu erleben.

Liechtenstein - Restaurant mit Ausblick in Triesenberg

Restaurant mit grandiosem Ausblick in Triesenberg

Ausgangspunkt Triesenberg

Ein Besuch in Liechtenstein steckt für den Neuling voller Überraschungen. Zumeist verbindet man das kleine Land zwischen Schweiz, Österreich und Deutschland mit dem Schlagwort „Finanzschauplatz-Bankenparadies“. Kaum einer erwartet große Industrieunternehmen, die es jedoch zweifellos gibt. Überraschender aber - denn welcher Tourist interessiert sich für Industrieansiedlungen - zeigt sich die Vielgestaltigkeit der Landschaft. Um diese kennenzulernen ist Triesenberg eine gute Ausgangsposition. Die Gemeinde, eine von elf in Liechtenstein, liegt auf halber Höhe der mächtigen Gebirgskette, die Liechtenstein nach Osten begrenzt. Verteilt auf viele kleine Siedlungen, die sich im weiten Umkreis um den Ortskern an die Berghänge schmiegen, ist hier einer der Lieblingswohnplätze der Vaduzer. Auch Touristen haben die malerischen Flecken mit den traumhaften Aussichten auf das Rheintal entdeckt. Sie sind damit den Walsern gefolgt, die vor Hunderten von Jahren aus dem Wallis kommend hier heimisch geworden sind. Alte Häuser aus mächtigen Holzbalken errichtet erinnern bis heute an diese Zeit, über die man im Walser-Heimatmuseum im Zentrum Triesenbergs mehr erfahren kann. Auch der Dialekt, der hier oben in den Bergen gesprochen wird, hat noch viel von den Einflüssen der zugewanderten Schweizer bewahrt.

Liechtenstein - im Heimatmuseum Triesenberg

Im Walser-Heimatmuseum

Es sind nur wenige Minuten Fahrt bergauf. Ein Tunnel durchschneidet die Bergwand und dahinter liegt schon Malbun, das Wintersportzentrum der Liechtensteiner und ein Wanderparadies dazu. Eine Seilbahn bringt die Gäste zum Sareiserjoch. Sie endet in rund 2.000 Metern Höhe und ist Ausgangspunkt für verschiedene Panoramawanderungen. Wer will, kann von hier aus auch nach Österreich absteigen und den Nennziger Himmel besuchen. Ein Tal, das diesen Namen verdient, denn es gehört zu den schönsten Alpentälern überhaupt. Wenn man Glück hat, kann man in Malbun den örtlichen Falknern über die Schulter schauen und die stolzen Greifvögel der Falknerei Galina bei einer Schauvorführung bewundern.

Liechtenstein - Blick von Malbun in Richtung Rheintal

Blick von der Bergstation in Malbun in Richtung des Rheintales

Obstbrände vom Feinsten

Zurück im Tal erreicht man Triesen, den Nachbarort der „Hauptstadt“ Vaduz. Von den 39.000 Einwohnern Liechtensteins leben hier immerhin rund 4.200. Im Siedlungskern verstecken sich historische Gebäude wie das Kappili, dessen Ursprünge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen, die Pfarrkirche aus dem Jahre 1843 sowie die historische Hammerschmiede und das Frühmesserhaus, die mit viel Liebe restauriert worden sind und bis heute als Wohngebäude genutzt werden. Der schönste Platz Triesens ist aber die Bank auf der Terrasse vor der Kapelle St. Mamerta. Inmitten von Weinbergen gelegen kann man den Blick weit schweifen lassen und sich vielleicht schon ein wenig Vorfreude gönnen auf einen Besuch beim „Wastl“ Telser, an dessen Schnapsbrennerei man beim Ortsbummel bereits vorbeigekommen ist. Bei Telsers steht nicht Quantität im Mittelpunkt sondern Qualität. Ihre Obstbrände sind landesweit bekannt und beliebt. Wer da mit dem Auto unterwegs ist und seine Verkostung auf den Abend im Hotel verschieben muss, dem sei gesagt, auch die alkoholfreien, völlig naturreinen Moste, die bei Telsers produziert werden, sind kostenswert.

Liechtenstein - Schnapsbrennerei in Triesen

In der Schnapsbrennerei

Nicht weit entfernt, in der Gemeinde Balzers, liegt mit der Burg Gutenberg eines der markantesten Schlösser im oberen Rheintal. Ein anderes Schloss, das man freilich deutlich enger mit Liechtenstein verbindet, ist der Stammsitz derer zu Liechtenstein hoch über Vaduz, in dem die fürstliche Familie bis heute wohnt. Von außen kann man einen Blick darauf werfen. Die Besichtigung ist leider nicht möglich.

Hauptstadt Vaduz

Liechtenstein - Vaduz - Kunstmuseum

Im Kunstmuseum in Vaduz

Vaduz selbst ist zwar die einzige Stadt und die größte Gemeinde des Landes, mit dem Flair einer Metropole hat sie freilich wenig zu tun. Fast dörflich fließt das Leben ruhig dahin. Im Zentrum rund ums Städtle wechseln sich ältere Bürgerhäuser mit modernen Banken und Geschäftshäusern ab. Besonders hervor sticht der schwarze, scheinbar abweisende Kubus des Liechtensteiner Kunstmuseums. Man sollte sich aber nicht abschrecken lassen, denn im Inneren des Gebäudes wartet eine Ausstellung internationaler moderner und zeitgenössischer Kunst. In regelmäßigen Abständen präsentieren Sonderausstellungen thematische Schwerpunkte der Fürstlichen Sammlung, die zu den größten und wertvollsten privaten Kunstsammlungen der Welt gehört. Zu den Eröffnungen dieser Ausstellungen lassen es sich Fürst Hans-Adam II und Fürstin Marie nicht nehmen, ihre Exponate persönlich der Öffentlichkeit vorzustellen. Unweit des Kunstmuseums laden mit dem Landesmuseum Liechtenstein und dem Briefmarkenmuseum weitere Expositionen zum Besuch ein. Nicht entgehen lassen sollte man sich den Weinlehrpfad in den fürstlichen Weinbergen „Herawingert“ und in der Hofkellerei des Fürsten von Liechtenstein.

Liechtenstein - Weinlehrpfad in den fürstlichen Weinbergen

Der Weinlehrpfad im fürstlichen „Herawingert“

Es gibt eine Möglichkeit zur Erkundung von Vaduz, die etwas aus dem Rahmen fällt. Die Tourismusverantwortlichen haben sich daran erinnert, dass Altmeister Goethe in der Nacht vom 1. zum 2. Juni 1788 auf der Rückfahrt von seiner legendären Italienischen Reise einen Stopp in Vaduz eingelegt hat. Ein kurzer Aufenthalt zwar nur, doch ein Grund gut genug, um gemeinsam mit den Touristen, Goethe und der humorvollen Stadtführerin Anna zu einer Wanderung auf des Dichters Spuren aufzubrechen. Ein Audioguide mit Bergleitbroschüre und Erinnerungs-CD führt zu allen Plätzen, die es wert sind, besucht zu werden. Lange Weile kommt nicht auf, der rote Faden, sprich das Wortspiel zwischen Anna und Goethe, reißt nicht ab.

Lichtenstein - Hofkellerei des Fürsten

In der Hofkellerei des Fürsten von Liechtenstein

Essen beim Sternekoch

Ganz nebenbei ist Liechtenstein ein „punktreiches“ Gourmetparadies. Der Starkoch des Fürstentums Klaus Schatzmann besitzt allein 17 davon im Gault-Millau und zusätzlich noch einen der begehrten Sterne im Michelin. So kann es durchaus passieren, dass der Urlaub im Fürstentum bei rustikalen Speisen im Rahmen der Triesenberger Wochen beginnt und mit einem Dinner unter dem Motto „Cuisine du Marche“ im Restaurant Schatzmann endet. Dort steht der Chef, im Gegensatz zu manch anderem Sterne-Koch, noch selbst am Herd und kümmert sich um das Gamsrückenfilet an Gewürzreduktion.

 

Informationen

Liechtenstein Tourismus
Städtle 37
Postfach 139
FL-9490 Vaduz
Tel.: 00423/2396300
E-Mail: info@tourisms.li
Internet: www.tourismus.li

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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Keine Frage, manches könnte besser sein im Tourismusgeschäft! Vor allem die kurze Verweildauer der Besucher missfällt den Branchenoberen – gerade einmal zwei Tage bleibt jeder Besucher, sagt die Statistik. Dabei ist das Ländchen nicht nur für Aktivurlauber (400 km Wanderwege aller Schwierigkeitsgrade) attraktiv, für Ski- und Rodelbegeisterte ist rund um das familienfreundliche Malbun ein Wintersportzentrum ersten Ranges entstanden und Gourmets können sich auf  paradiesische Freuden einstellen, auf köstlich Rustikales wie auf Feines aus der Sterneküche. Kulturinteressierte haben die Qual der Wahl zwischen hochklassigen Museen, Galerien und Musikevents und wenn die angemahnte Sorgfalt im Umgang mit der Kulturlandschaft weiter sichtbar Früchte trägt, werden auch Anhänger eines „sanften Tourismus“ ein neues Reiseziel für sich entdecken.

Liechtenstein, Malbun

Malbun. Foto: © Martin, Fotolia.com

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