Kirgistan im Überblick

Es ist das Land der „Himmlischen Berge“, wie die Chinesen den gewaltigen Gebirgszug Tian Shan nennen, der mit seinen zahllosen Nebengebirgen das Staatsgebiet von gleich fünf asiatischen Ländern berührt oder wie im Fall von Kirgistan sogar größtenteils bedeckt.

Burg Pernstejn

Kungoj Alatau © Andrey Shevchenko - Fotolia.com

Auf seinen zweieinhalbtausend himmelstürmenden Kilometern zwischen der Takla-Makan-Wüste im westlichen China und den Trockensteppen in Kasachstans Süden hat der Tian Shan phantastische Berglandschaften geformt, Canyons, durch die glasklare, eiskalte Wildbäche toben, Gletscher, wie man sie sonst nur in Polarregionen antrifft, glitzernde Bergseen und mit Blumen übersäte Bergwiesen, wo im Sommer die Einheimischen ihre Jurten errichten und ihre Herden weiden lassen. In der noch weitgehend unberührten Bergwelt Kirgistans ist eine aktiv (von „community based tourism“ spricht man hier). Sie vermitteln Privatquartiere und ihre erfahrenen Reisebegleiter betreuen die wenigen Einzelreisenden und Kleingruppen, die den langen Weg in die „don`t miss destination“ Zentralasiens mit großen Erwartungen angetreten haben.

Ehe wir uns mit ihnen ins Gelände begeben, ist noch Bischkek zu bewältigen. Hier, in Kirgistans Hauptstadt, gehen die allermeisten Reisenden von Bord ihrer Flieger. Die große Stadt kann nichts dafür, dass sie mit anderen zentralasiatischen Metropolen nicht mithalten kann. Wo dort Mausoleen, Medresen und Moscheen das Stadtbild prägen, fällt hier die Monumentalarchitektur aus der Sowjetära ins Auge. Gesichtslose Wohnsilos sind darunter, pathetische Betonbauten und marmorverkleideter Sozialistischer Klassizismus, dazu Marx und Engels vereint auf einem Podest und noch immer weist Lenin, überlebensgroß, den Weg, wenn auch aus der Platzmitte an die Peripherie verbannt, doch dicht umlagert von fotografierenden Touristen.

Die Stadt ist jung. Aus der Lehmfestung „Pishpek“, die einige Abschnitte der Seidenstraße kontrollierte, wurde nach dem Vormarsch der Zarenarmee 1860 eine russische Garnison, Jahrzehnte später eine russische Siedlung, die 1925 zur Hauptstadt des Kirgisischen Autonomen Bezirks aufstieg. Und sie ist eine grüne Stadt, eine der grünsten Metropolen weltweit, wie einem in Bischkek versichert wird. Ihre Straßen sind schachbrettartig angelegt, Baumreihen säumen sie, begleitet von schmalen Bewässerungskanälen und an die zwanzig kleine und große Parks verteilen sich über das Stadtgebiet.

Wer kirgisisches Alltagsleben kennenlernen möchte, sollte unbedingt den Osch-Basar im Westen der Stadt besuchen. Ein buntes Völkergemisch betätigt sich dort als Händler und Handwerker, Käufer und Flaneure, Lastenträger, Kellner oder Ausrufer. Mehr oder weniger massiv überdacht oder auch nur mit Plastikplanen gegen Regen und Sonne geschützt, präsentiert sich ein gigantisches Warenangebot: knackfrisches, akkurat aufgeschichtetes Obst und Gemüse, Kräuter und farbenfrohe Gewürze, auch Backwaren, frisches Fleisch und Haushaltswaren, Schuhe und Textilien, dazu kirgisische Spezialitäten aus Filz wie Mützen und Teppiche, der unvermeidliche Plastikkram aus China, kirgisische Nationaltrachten, dazwischen haben sich Teestuben eingerichtet und Garküchen schicken ihre Düfte in alle Himmelsrichtungen. Auf dem zentralen Ala-Too-Platz wies bis 2003 der schon erwähnte gigantische Lenin mit ausgestrecktem rechten Arm auf die verschneite Bergkette, bis ihn eine die Freiheit symbolisierende Frauenfigur ablöste, die inzwischen auch verschwunden ist und durch eine 10 m hohe Bronzestatue des kirgisischen Volkshelden Manas ersetzt wurde. Ihm, so will es die Legende, sei es gelungen, vor Zeiten die kirgisischen Stämme zu einen.

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Ala Archa Naturpark © michalknitl - Fotolia.com

Bei klarem Wetter leuchten die winters wie sommers schneeverhüllten Gebirgsgrate des fast 5.000 m Höhe erreichenden Kirgisischen Alatau als spektakuläre Kulisse herüber. Nur eine dreiviertel Stunde von Bischkek entfernt, ist der Ala Archa Naturpark an den Nordhängen des Alatau ein ideales Ziel für einen ersten Kontakt mit der phantastischen kirgisischen Bergwelt. Hier ist alles versammelt, was dazu gehört: allein 50 Gipfel und ausgewiesene Bergsteigerrouten aller Schwierigkeitsgrade, ein Dutzend Gletscher, deren Schmelzwasser sich in Bächen sammelt, die durch grüne Wiesen mäandern. Es gibt tiefe Schluchten und weniger steile Hänge, auf denen Wacholderwäldchen gedeihen oder Tannen und Fichten, ein Camp wartet auf Trekker und ein kleines Naturkundemuseum auf Besucher. Jagd ist nicht erlaubt. Gut für die Wildschweine, Luchse, Wölfe und Bären, für die Adler und die Marco Polo Schafe mit dem riesigen gedrechselten Gehörn.

Zum „heißen See“ der Kirgisen

Erste Station auf unserer Rundreise von Bischkek durch die kirgisischen Regionen ist ein unscheinbares Gelände im weiten Tal des Chu-Flusses nahe der Stadt Tokmok. Der Burana-Turm, einziges Gebäude weit und breit, ist im Laufe der Jahrhunderte durch heftige Erdbeben fast auf die Hälfte seiner ursprünglichen 46 m reduziert worden. Das ehemalige Minarett wurde im 10. oder 11. Jahrhundert errichtet und gilt als das älteste seiner Art in Zentralasien. Es ist neben uralten Grabsteinen nomadisierender Türken das letzte Überbleibsel einer einst glänzenden Stadt, die wie vom Erdboden verschluckt ist. Balasagun hieß sie und war das Machtzentrum der Karachaniden, einer Turkdynastie, die den Ort im 9. Jahrhundert gegründet hatte. Ein Großkhan beherrschte von hier den Ostteil des Karachanidenreiches, bis 1218 die Mongolen hereinbrachen und den Niedergang der Stadt einleiteten.

Wir überqueren das Alatau–Gebirge und stoßen hinunter auf eine riesige Wasserfläche zu. Aber was heißt hinunter? Am Ufer angekommen, sind wir noch immer auf über 1.600 m Höhe. Das erste Städtchen am See heißt Balykchy. Es scheint von seiner Vergangenheit zu Sowjetzeiten zu träumen, als es im Hafen noch geschäftig zuging, Fischerboote und Personendampfer verkehrten und Werften für Arbeit sorgten. Wir sind am legendenumwobenen Yssyk-Köl, „an dem sich Wasser und Himmel berühren“, wie die Stimme Kirgistans, Tschingis Aitmatow, dichtete. Auf seiner Fläche von 6.236 km² könnte sich der Bodensee elfeinhalb Mal ausbreiten, die mecklenburgische Müritz gar fünfundfünfzig Mal. Nach dem Titicaca-See ist der Yssyk-Köl der zweitgrößte Hochgebirgssee der Welt. Seine Länge liegt bei 180 km, die größte Tiefe bei 668 m, unvorstellbare 1.738 km³ Wasser sind hier gebunden, Wasser, das übrigens nie zufriert, im Gegensatz zu den meisten Bergseen, weil Oberflächen- und Tiefenwasser ständig in Bewegung sind, warme Quellen existieren (daher der „heiße See“) und auch der Salzgehalt spielt eine Rolle. Der See hat viele Zuflüsse, aber keine Abflüsse. Die Sonneneinstrahlung ist extrem hoch, entsprechend stark ist die Verdunstung. Es fällt nur wenig Niederschlag am See. So haben sich Halbwüsten und Wüsten am Seeufer gebildet. Weiter landeinwärts begleiten die verschneiten Gipfel zweier Teilgebirge des Tian Shan als großartige Kulissen den See, im Norden ist das der Kungej-Alatau, auf der Südseite der Terskej-Alatau. Traditionell ist der große See ein beliebtes Ausflugsziel, auch für Touristen aus den Nachbarländern, die sich bevorzugt am Nordufer einfinden. Dort gibt es gern besuchte heiße Quellen und schöne Sandstrände und bei hochsommerlichen Außentemperaturen ist das um 20 Grad warme Seewasser eine willkommene Erfrischung.

Cholpon-Ata ist einer dieser stark frequentierten Urlaubsorte, bekannt auch wegen der Petroglyphen in seiner Nachbarschaft. Es ist eine der bedeutendsten Fundstätten von Petroglyphen in Zentralasien. An die 2.000 in den Fels gravierte oder geritzte (nicht gezeichnete) bis zu 3.000 Jahre alte Abbildungen von Tieren und Menschen sind zu bestaunen.

Karakol, nahe dem östlichen Ende des Sees, ist ein anderes interessantes Städtchen, das nach holpriger Fahrt durch wildromantische Berg- und Waldlandschaften erreicht wird. Es heißt, der Pferdebasar in Karakol sei der größte in Zentralasien. Zu einem Erlebnis wird auch der Besuch der aus Holz errichteten russisch-orthodoxen Kathedrale und einer ungewöhnlichen Moschee, auch sie völlig aus Holz und ohne einen einzigen metallenen Nagel gebaut. Sie gehört der Glaubensgemeinschaft der Dunganen, einer chinesisch-muslimischen Minderheit. Karakol wird gerne als Ausgangspunkt für Touren in die angrenzenden Alatau-Gebirgsketten gewählt. Ein beliebtes Ziel ist die Yeti Ögüz-Schlucht in 2.200 m Höhe mit ihren roten Sandsteinformationen, die schräg aus dem Erdreich ragen. Jenseits der Baumgrenze erreicht man Bergwiesen, die in der warmen Jahreszeit von silbrigem Edelweiß übersät sind.

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Jurten vor verschneitem Gebirge © tracingtea - Fotolia.com

Nach dem Abstecher rund um den Yssyk-Köl geht es zurück nach Balykchy und von dort in südlicher Richtung nach Kochkor. Das Städtchen ist Ausgangspunkt für einen Besuch des Son-Köl-Sees – allerdings ist das nur von Juni bis September möglich, denn zu anderen Jahreszeiten versperren Schneemassen die Zufahrt. Kirgistans zweitgrößter See liegt über der Baumgrenze in 3.000 m Höhe. Seine flachen Ufer werden traditionell von kirgisischen Viehhütern während der kurzen sommerlichen Vegetationsphase als Weidegrund für ihre Schaf- und Pferdeherden genutzt. Es ist karg hier oben, kein Baum, kein Strauch, nur starkes Gras und viele Kräuter und Blumen im Frühling. Rund ein Dutzend Jurten stehen am Ufer. Einige der runden Filzzelte sind für Besucher reserviert, fast schon komfortabel ausgestattet mit sanitären Einrichtungen, Küche, Reinigungsservice. Man kann teilhaben am einfachen Leben der Einheimischen, das Nationalgetränk „Kumiz“, d. i. gegorene Stutenmilch, probieren, geführte Trekkingtouren unternehmen, zu Pferde im Gelände unterwegs sein und dabei auf uralte Grabhügel und Feuerstellen stoßen oder sich an der Vielfalt der Vogelwelt erfreuen: neben Möwen und Seeschwalben nutzen auch Großtrappe, Lappentaucher, Streifengans, Würgfalke und viele andere Arten den See als Zwischenstation auf ihren Wanderungen.

Unterwegs im zentralkirgisischen Hochland

Auf serpentinenreicher Abfahrt durch eine atemberaubende Gebirgsszene führt die Piste in das etwa tausend Meter tiefer gelegene Naryn und wieder auf festem Untergrund weiter Richtung Torugart-Pass, der in 3.752 m Höhe die Grenze zu China markiert. Jenseits des Schlagbaums liegt, 165 km entfernt, Kaxgar/Xinjiang (alte Schreibweise: Kashgar / Sinkiang) die legendäre Oasenmetropole der Uiguren. Die schmale Straße durchquert das zentralkirgisische Hochland, wo sich schneebedeckte Bergriesen und Hochplateaus abwechseln. Nahe dem Ort Kara Suu passiert man die ein weites Areal umschließenden ramponierten Lehmmauern der Festung Koshoj-Korgon, von der man annimmt, dass sie im 10. Jahrhundert von den Karachaniden errichtet wurde. In einem Seitental führt eine nur im Sommer befahrbare Piste Kilometer um Kilometer stetig bergauf bis auf 3.105 m und endet vor einem massiven Bau, den man hier schwerlich erwartet hat. Es ist Tash Rabat, eine Karawanserei aus dem 15. Jahrhundert an einer Abzweigung der Seidenstraße. Sie bot Karawanen Unterschlupf, Verpflegung, Wasser und Schutz bei schlechtem Wetter und bei Bedrohungen durch Banditen. Bevor der aus Bruchsteinen erbaute, festungsartig angelegte „Gasthof“ erschöpfte Treiber und ihre Lasttiere aufnahm, stand auf seinen Fundamenten vermutlich seit dem 9. oder 10. Jahrhundert ein christlich- nestorianisches Kloster, das Mönche jener Glaubensgemeinschaft beherbergte, die entlang der Seidenstraße eine dynamische Missionstätigkeit entfaltete, insbesondere unter den zentralasiatischen Turkvölkern.

Die legendäre Karawanenroute, die man Seidenstraße nennt, bildete mit ihren zahlreichen Abzweigungen ein dichtes Netz von Überlandverbindungen zwischen Ostasien, Zentralasien, dem Nahen Osten und den Küsten der Levante. Sie diente aber nicht allein dem Warenaustausch, sie begünstigte auch die Begegnung mit den Weltreligionen und beförderte den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch zwischen Ost und West.

Das Netzwerk der Seidenstraße fand Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO und zwar ein bestimmter Abschnitt („the routes network of Chang`an–Tian Shan Corridor“), der von den früheren Hauptstädten Chang`an und Luoyang im zentralen China durch die Täler und über die Pässe des Tian Shan-Gebirges bis in die Region Zhetysu im Südosten des heutigen Kasachstan führte. Dieser 5.000 km – Abschnitt durchquert auch Kirgistan, das gemeinsam mit Kasachstan und der V. R. China in der Welterbeliste erscheint.

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Moschee in Naryn © jsbpics - Fotolia.com

Ein weiteres Highlight wartet auf uns noch ein paar hundert Meter höher, ein Salzsee inmitten eines unberührten Ökosystems. Der 161 km² große, in 3.530 m Höhe gelegene Chatyr Köl wird von verschneiten und vereisten Bergriesen umstanden, die bis zu 6.500 m in den Himmel ragen. Hier ist eines der wenigen Habitate der Pamir-Braunkopflachmöwe, Streifengänse brüten hier, neun Unterarten der Rostgans sind am See heimisch – das sind fast 40 % der globalen Population und auch das Riesenwildschaf (Argali) kann man in größerer Zahl in dieser Gegend sichten.

Wieder zurück in Naryn, dem Knotenpunkt wichtiger Straßen, wenden wir uns jetzt nach Westen, folgen dem Tal des Naryn-Flusses auf einer rumpeligen Straße, erreichen das graue, staubige Städtchen Kazarman und südlich davon in zwei Hochgebirgstälern auf rund 3.200 m eine wahrhaft sensationelle Fundstätte. Entdeckt hat man sie 1902, doch geriet sie in Vergessenheit bis man sie 1950 wiederentdeckte und von da an wissenschaftlich betreute, aber unter schwierigen Bedingungen. Sie ist nur zu Fuß oder mit dem Pferd erreichbar und auch nur während einer ganz kurzen Zeitspanne im Hochsommer. Außerhalb dieses „Zeitfensters“ verhindern Schneemassen den Zugang. Der Name der Fundstätte, Saimaly Tash (dekorierte Steine), verrät, dass es sich um Petroglyphen handelt. An die 10.000 bearbeitete Steine wurden bislang identifiziert und damit zählen die Funde zu den reichhaltigsten weltweit. Die ältesten reichen zurück in das ausgehende dritte vorchristliche Jahrtausend, die jüngsten stammen aus dem Mittelalter. Vielfältig sind auch die Motive: Menschen bei Alltagsbeschäftigungen, wilde Tiere und Haustiere, Jagdszenen, Zähmung wilder Tiere, rituelle Tänze, religiöse Darstellungen.

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Petroglyph © michalknitl - Fotolia.com

Ins Fergana-Tal

Nächstes Ziel ist Jalalabad. Eine unbefestigte Straße kurvt in endlosen Serpentinen entlang kahler Bergzüge durch das Fergana-Gebirge. Etliche Kilometer nach Passieren des Kaldama-Passes – er liegt 3.060 m hoch – treten die Berge zurück, Sonnenblumenfelder erstrecken sich bis zum Horizont – das fruchtbare Fergana-Tal kündigt sich an. Von Jalalabad, einer Stadt mit fast 100.000 usbekischen und kirgisischen Einwohnern, lohnt ein Abstecher nach Arslanbob, einem hübschen Bergdorf, sehr grün, sehr fruchtbar, mit gastfreundlichen Menschen, Wasserfällen und einem eindrucksvollen Bergpanorama. Seine Hauptattraktion aber sind die Walnusswälder auf einer Fläche von ca. 30.000 ha und in Höhen zwischen 1.200 und 2.000 m. Nirgendwo auf der Welt gibt es vergleichbar große Pflanzungen. Es wird erzählt, Alexander d. Gr. habe die Nüsse aus Mazedonien mitgebracht und hier anpflanzen lassen, aber es gibt auch die umgekehrte Version der Geschichte, nach der Alexander, begeistert über den Wohlgeschmack der Nüsse, einen Ableger nach Mazedonien bringen ließ, wo die Walnuss rasch heimisch wurde.

Zurück über Jalalabad und weiter nach Osh, der alten Handelsstadt nahe der Hauptroute der Seidenstraße, die von Teheran und Meshed (Mashad) kommend die usbekischen Oasenstädte Buchara und Samarkand berührte, nach Kokand am Eingang zum Fergana-Tal führte, an dessen Südrand Osh liegt, um dann das Tian Shan-Gebirge zu überschreiten und in das uigurische Kashgar hinabzusteigen. Osh ist eine der ältesten Städte Zentralasiens und Kirgistans zweitgrößte Stadt mit etwa 256.000 Einwohnern (2012). Man nennt sie auch „die Hauptstadt des Südens“. War sie vor Zeiten ein Zentrum der Seidenproduktion, gilt sie heute als einer der Hauptumschlagplätze für Drogen in Asien, als eine sehr lebendige Stadt voller Restaurants, Grillstuben und Teehäuser, einem rührigen Geschäftsleben, das sich am intensivsten im Basar abspielt, dem größten offenen Markt Zentralasiens. 

Die Stadt ist aber auch ein heißer Konfliktherd, der seit 1990 mehrmals von blutigen Unruhen heimgesucht wurde. Auslöser waren Streitigkeiten zwischen Usbeken, die ungefähr 48 % der Einwohner stellen und Kirgisen (43 %). Die Zusammenstöße im Sommer 2010 waren die bisher heftigsten. In einem Bericht der International Crisis Group heißt es darüber: „Eine Explosion von Gewalt, Zerstörung und Plünderung (…) tötete Hunderte Menschen, Kirgisen und Usbeken, zerstörte über 2.000 Gebäude (…) und vertiefte den Graben zwischen den ethnischen Kirgisen und den Usbeken“. Spuren der damaligen Gewalt sind auch nach Jahren noch sichtbar.

2009 wurde der „heilige Berg“ von Gosh, ein dem Propheten Suleiman geweihter malerischer, fünfzackiger Felsen, von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Seine Gipfel, Höhlen und steilen Flanken beherbergen nicht weniger als 17 Kultstätten, die teilweise noch heute wie schon vor mehr als tausend Jahren von Gläubigen genutzt werden. Vorislamische und islamische Gläubigkeit vermischen sich an diesem Ort, der Heilung verspricht bei Unfruchtbarkeit, Hilfe bei Kopf- oder Rückenschmerzen und die Gnade eines langen Lebens in Aussicht stellt.



Zum Ende unserer Rundreise noch ein Ausflug in die kleine Stadt Ösgön, rund 50 km nordöstlich von Osh. Sie war einst Lagerplatz der Truppen von Alexander d. Gr. Sehr viel später setzten sich hier die turkstämmigen Karachaniden fest, entwickelten den Ort und machten ihn zum Verwaltungssitz eines ihrer Teilreiche. Im frühen 13. Jahrhundert wurde die Gegend von den Mongolen überrannt. Was aus der Zeit der Karachaniden erhalten blieb, die Mausoleen und das Minarett, lohnen einen Besuch, da nur wenige früh-islamische Bauwerke den Eroberungszug des Dschingis Khan überstanden. Das Minarett aus dem 11. oder 12. Jahrhundert, heute 27,5 m hoch, verlor seinen oberen Teil bei einem Erdbeben vor einem halben Jahrtausend. Vermutlich war dieses Minarett Vorbild für die Minarettbauten in Buchara und Vobkent (Usbekistan). Gebrannte Ziegel waren das Baumaterial für die drei aneinander gebauten Mausoleen. Sie beeindrucken durch ihre phantasievoll mit Schriftzeichen, Rankenmustern und geometrischen Verzierungen dekorierten Fassaden. 

Eckart Fiene

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