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Die Jurte: ein mobiles Sommerheim

Wie frische Champignonköpfe schieben sich am Fuß der Felsen fünf graue Kegel aus den saftig grünen Matten: Die Jurtensiedlung von Temir-Kanat. Mit rund 43.000 Quadratkilometern, einer Fläche von der Ausdehnung der Schweiz, ist diese Region eines der größten der insgesamt 338 Schutzgebiete der Welt, in denen "naturnahe Lebensräume in Verbindung mit traditioneller Kultur" erhalten werden sollen.

Kirgisien Tien-Shan Jurten

Die Jurte ist ein solches Stück Kultur. Mehrere tausend Jahre zogen die Kirgisen als Nomaden durch die Berge, wahrscheinlich fast genau solange begleitet von der praktischen Unterkunft, die in zwei Stunden auf- und abzubauen war. Nach der russischen Revolution wurden die Bewohner in Dörfern angesiedelt und verbrachten nur noch den Sommer auf den Dschailoos. Die Jurte verlor an Bedeutung, blieb aber weiterhin mobiles Sommerheim, Ort für die großen Feste - und Leichenhalle: Jede, jeder Tote muss drei Tage in einer Jurte aufgebahrt werden - auch heute noch.

Kirgisien Tien-Shan Musikant in der Jurte

Heute weiden aufgrund des drastisch gesunkenen Viehbestandes nur noch wenige Hirten ihre Schafe, Pferde und Kühe in den Bergen. Die Touristen sind nicht bei ihnen untergebracht. Ihre Jurten sind neuer, geräumiger und sauberer, und sie vermitteln, wie nicht anders versprochen, allenfalls einen "Hauch des Nomadendaseins". Das ist weniger abenteuerlich als erwartet, aber komfortabler als angenommen.

Vor den stumpfen Riesenzipfelmützen stehen Bänke, in Trögen wachsen Zwiebeln und am Rande der Siedlung erhebt sich ein kleines, aus Feldsteinen gemauertes Gebäude mit Sonnenkollektoren und zwei schwarzen Fässern auf dem Dach: Plumpsklo und Dusche, die derzeit freilich nur kaltes Wasser liefert: Zu wenig Sonne in den letzten Tagen. Strom für die abendliche Beleuchtung liefert ein vom Wildbach gespeister Generator.

Kirgisien Tien-Shan Reiter in den Bergen

Es ist Zeit zum Mittagessen. Die Filzklappe über dem "Tündük", dem Holzreif an der Spitze der Jurte, ist zurückgeschlagen. Sonnenstrahlen beleuchten die ausgeklügelte Konstruktion: Aus einem kreisförmigen Scherengitter, sechs, sieben Meter im Durchmesser, ragen Stangen schräg hoch zur Mitte und treffen sich im Tündük. Matten aus Federgras sind rundum ans Holz gebunden, dicke Filzbahnen mit Kordeln und Tauen darüber festgezurrt. Teppiche über einer Plastikplane bedecken den Boden, Filzstreifen mit farbenprächtigen Ornamenten schmücken die Wände.

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