Höhepunkte romanischer Malerei

Göttliche Fresken im Südtiroler Vinschgau

Text und Fotos: Beate Schümann

Italien Vinschgau göttliche Fresken

Die Gegend ist abgelegen, doch birgt sie einzigartige kunsthistorische Schätze. Wer sich mit romanischer Malerei auskennt, der weiß Bescheid. Wer nicht, sollte den Umweg in einige Orte des Vinschgaus dennoch nicht scheuen. Unsere Autorin Beate Schümann erklärt warum.

Italien Vinschgau Blick auf Mals

Zwischen Wien und Venedig: Mals im Vinschgau

Nach Mals kommt man nicht zufällig. Man muss von diesem Ort im Vinschgau wissen, um zu ihm zu gelangen. Die regenarme, aber sonnenreiche Talgemeinschaft grenzt im Westen an die Schweiz, die Seitentäler im Süden führen in die vergletscherte Ortlergruppe und im Norden ins Ötztalmassiv. Mals ist ein abgelegener, verträumter Herrgottswinkel, den die meisten auf der großen Kulturachse zwischen Wien und Venedig unbeachtet links liegen lassen.

Italien Vinschgau Türme Türme

Dörfliche Skyline

Doch mitten in diesen Bergen, wo der karge Stein dem Menschen Grenzen setzt, offenbaren sich dem Besucher zahlreiche Meisterwerke, die von Menschenhand geschaffenen wurden. Kunsthistoriker bezeichnen den Vinschgau als älteste Kulturlandschaft Tirols, weil er die meisten erhaltenen Kirchenbauten aus vorromanischer und romanischer Zeit aufweist. Im Nachhinein ist die abgeschiedene Lage, fern von den Pfarrzentren, gar als Glück zu werten, weil dadurch zahlreiche Kirchen von größeren Umbauten verschont geblieben sind. Auch ihre Ballung auf so engem Raum ist selten (siehe Foto rechts). Ausgrabungen belegen, dass es im Vinschgau bereits zwischen 800 und 1000 n. Chr. ein dichtes Netz von Kirchen gab. Das Netz der Burgen war kaum lichter. Im Gegensatz zu den vielen erhaltenen Gotteshäusern sind beim Gerangel um die Macht von den Bollwerken des Adels allerdings nur Ruinen übrig geblieben.

Italien Vinschgau Fünf-Türme-Stadt

Skyline der Fünf-Türme-Stadt Mals

Die großen Verkehrsströme, die sich zur Römerzeit auf der Via Claudia Augusta den Weg durch die Alpen bahnten, berührten auch Mals. Doch die Blüte war kurz und der kleine Ort wurde von der Nachwelt schnell wieder vergessen. Als eine Miniaturversion im Vergleich mit der toskanischen 13-Türmestadt San Gimignano schneidet Mals aber gar nicht so schlecht ab, finden die Leute in dem 1800-Seelendorf, auch wenn sie mit nur fünf Türmen aufwarten können. Vier errichteten die Malser in romanischer Zeit, einzig der mächtige Turm der Pfarrkirche stammt aus der Gotik. Die Markantesten in der Skyline sind der 34 Meter hohe, runde „Fröhlichsturm“, ein Überrest der gleichnamigen Burg, und der Turm von St. Martin mit den originellen Doppelbogenfenstern.

Kaiserliche Mäzene

Italien Vinschgau St.Benedikt

Auch der Turm des Alpenkirchleins St.Benedikt(Foto rechts) gehört in die Riege der kleinen Riesen. Hinter der äußeren Unscheinbarkeit verbirgt sich im Inneren ein Schatz: Fresken aus karolingischer Zeit. Es genügt ein 15-Kilometer-Sprung über die Schweizer Grenze, um das kulturhistorische Ausmaß zu erkennen. Dort lagert im Benediktinerkloster St. Johann in Müstair der größte erhaltene karolingische Freskenzyklus, der 1983 von der Unesco als Welterbe geadelt wurde. St. Johann, vermutlich von Kaiser Karl dem Großen 824 errichtet, war das kirchliche Zentrum für den oberen Vinschgau und unterstand direkt den Kaisern, die als spendable Auftraggeber für Kunst auftraten - wohl auch in Mals.

Die Bemalungen der Franken kamen irgendwann aus der Mode. Sie wurden übertüncht und vergessen. Seit der Säkularisierung 1786 diente die mehrmals veränderte Malser Kirche als Abstellraum und Stall, bis jugendliche Spürnasen 1912 zufällig auf die Fresken stießen. Nachdem die kunsthistorische Bedeutung des Fundes festgestellt worden war, kaufte die örtliche Fraktionsverwaltung das in Privatbesitz befindliche Kirchlein. Dieses Organ, das sich sonst um bäuerliche Nutzungsrechte an Wäldern und Wiesen kümmert, mochte den schütteren Wandbildern von der Steinigung des hl. Stephan und dem Leben Davids nichts Rechtes abgewinnen.

Italien Vinschgau Fresken von St. Benedikt

Fresken von St. Benedikt

Da die Schlüsselgewalt für St. Benedikt jahrelang ein Ehrenamt war und nur selten jemand danach fragte, rührte niemand an der vagen Regelung. Erst als der Schlüsseldienst plötzlich vakant wurde, brach ein Grabenkrieg über geregelte Öffnungszeiten und die Frage aus, ob St. Benedikt überhaupt öffentlich zugänglich sein sollte. Inzwischen verwahrt die „gute Seele“ von St. Benedikt, Helene Dietl-Laganda, die sich als Kulturassessorin der Gemeinde für die Restaurierung einsetzte, den Schlüssel, den sie bei Bedarf herausgibt. Mit dem neuen Kirchendach ist nun auch der Frieden im Dorf wieder hergestellt.

 

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