REIHE UNTERWEGS

Safranreis, Trüffelspaghetti und Fasanenragout

Ein kulinarischer Streifzug in der Toskana zwischen Pisa und Florenz

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Italien - Toskana - Hund und Mensch auf Trüffelsuche

Auf Trüffelsuche

„Such, such!“, „Geh, geh!“, „Los, da ist einer“. Wenn Vieri Nacci mit dem einjährigen Hund Nubia durch den Wald geht, spricht der 66-jährige ständig mit seiner Hündin und feuert sie an. Für Nubia ist das Ganze ein Spiel. Sie tollt hin und her, springt einen kleinen Hang hoch, hüpft dann wieder nach unten - und fängt schließlich, etwa drei Meter rechts des Waldweges, an zu scharren. Vieri eilt zu ihr und geht in die Hocke. Da ist es, ein kleines schwarzbraunes Kügelchen, dessen Durchmesser etwa so groß ist wie ein 2-Euro-Stück. „Dieses Trüffelkügelchen wiegt etwa zehn Gramm, damit ist es ungefähr drei Euro wert“, erklärt Vieri. Nicht sehr viel, denn die etwa zwanzig Zentimeter unter der Erde wachsende Trüffel gilt ja gemeinhin als der teuerste Speisepilz überhaupt.

Italien - Toskana - schwarze Trüffel

Schwarze Trüffel

Doch das, so berichtet Riccardo Nacci, Vieris Schwiegersohn, gilt nur für die weißen Trüffel, die von September bis Dezember geerntet werden können. Der schwarze Sommertrüffel, auf den Vieri und Nubia soeben gestoßen sind, ist weniger schmackhaft – und deshalb auch deutlich weniger wert. „Im Gegensatz zu den schwarzen Trüffeln schmecken die weißen Trüffeln auch ohne gekocht zu werden“, erläutert Riccardo. „Wenn die weißen Trüffel zu finden ist, dann beginnen wir oft schon morgens um fünf. Denn an den besten Stellen will jeder zuerst sein“, ergänzt Vieri Nacci. Seit einigen Jahren verkaufen die Naccis ihre Trüffeln nicht mehr an Großhändler, sondern verarbeiten sie selbst. Zu Auberginen- oder Steinpilzsoßen mit Trüffelgeschmack, zu Trüffel-Nudeln und zu Trüffel-Grappa.  „Nur von der Trüffelsuche alleine“, beteuert Ricardo Nacci, „könnten wir nicht leben.“

Italien - Toskana - Trüffel-Honig

Honig mit Trüffeln

Trüffelsuche ist bei den Naccis Familientradition. Der Großvater von Riccardos  Frau Monica war einer der Pioniere der Trüffelsuche in der Toskana. „Deshalb liegt der Zentrum der toskanischen Trüffelproduktion auch hier  und nicht bei San Gimignano“ versichert Riccardo.  Insider munkeln, dass sogar große Teile der weltberühmten Alba-Trüffel aus dem Piemont in Wirklichkeit im Hügelland rund um San Miniato geerntet werden, einer toskanischen Kleinstadt in der Provinz Pisa.
Familientradition ist die Trüffelsuche auch bei den Hunden der Naccis: Nubias Mutter Stella  war einer der erfolgreichsten Trüffelsuchhunde der gesamten Region. „Dadurch ist Nubia bereits mit dem Instinkt geboren“, versichert Vieri Nacci, der von den Fähigkeiten des etwa ein Jahr alten Hundes hellauf begeistert ist. „Sie ist bei der Suche sogar noch genauer als ihre Mutter“, schwärmt er.

Italien - Toskana - Gasse in San Miniato

Gasse in San Miniato

Die Trüffelsuche ist in San Miniato so populär, dass jährlich die Familie gekürt wird, die den größten Trüffel gefunden hat. Seit dem Jahr 1988 sind die Naccis allerdings für den Wettbewerb nicht mehr zu gelassen. Denn damals hatten sie gleich die fünf vorderen Plätze belegt. Sie lagen damit so deutlich vor der Konkurrenz, dass der Wettbewerb langweilig geworden wäre. Mit Trüffelschweinen haben die Naccis, wie auch die anderen Trüffelsucher in der Region um San Miniato, nie experimentiert, stattdessen haben sie ihre Hunde für die Trüffelsuche abgerichtet. „Das hat sich angeboten, denn die Menschen hier waren früher zum Großteil Jäger und hatten deshalb ohnehin einen Jagdhund“, verrät Riccardo Nacci.

Jedes Jahr im November kommen Trüffelfreunde aus aller Welt zu einem Trüffelfestival in die Kleinstadt San Miniato. Das wichtigste Gericht während des Trüffelfestes ist einfach, aber überaus schmackhaft: Bandnudeln, die mit Butter und weißer Trüffel serviert werden. „Aber man kann Trüffel auch gut mit Steaks essen“, beteuert Riccardo Nacci.

Italien - Toskana - Turm Friedrichs II. in San Miniato

Der Turm Friedrichs II.

Doch nicht nur kulinarisch lohnt ein Abstecher nach San Miniato, einer Kleinstadt, die lange Zeit eine der wichtigsten Festungen der deutschen Kaiser in Italien war und deshalb von manchen Leuten noch immer „San Miniato al Tedesco“ genannt wird. Eine der Hauptsehenswürdigkeiten des Ortes, der Turm Friedrichs II., war ursprünglich im 13. Jahrhundert auf Anweisung des Stauferkönigs erbaut worden. Dieser Turm wurde 1944 komplett zerstört, ist mittlerweile aber originalgetreu wieder aufgebaut – und bietet einen grandiosen Rundblick auf die Stadt und auf die umliegende Hügellandschaft.

Italien - Toskana - Rundblick vom Turm Friedrichs II.

Blick auf die Hügellandschaft vom Turm Friedrichs II.

Wildschwein vom Feinsten

Rund 25 Kilometer von San Miniato entfernt, in Orentano, bereitet Fernando Segnzlini kulinarische Spezialitäten ganz anderer Art zu. Der 61-jährige Schlachter kauft Wildschweine und Fasane bei Jägern aus der Region und verarbeitet sie zu schmackhafte Wildprodukten – vom Wildschweinschinken bis zur Fasanensauce. „Ich habe nur wenige Saucen im Angebot, aber dafür sind diese sehr, sehr gut“, versichert Fernando, der von seinem Vater, einen Viehhändler, gelernt hat, dass es entscheidend auf die Auswahl der richtigen Tiere ankommt. „Wenn mir ein Jäger Wild anbietet, dann fahre ich an die Stelle, wo er das Wild erlegt hat und wähle mir dort die passenden Tiere aus. So kann ich gleich vor Ort entscheiden, welche Tiere für Salami und für Schinken geeignet sind und welche Tiere gekocht werden“, erläutert Fernando. „Aber nur dreißig Prozent eines Wildschweins sind tatsächlich nutzbares Fleisch“, erklärt Fernando, der seine legendären Wildschweinschinken grundsätzlich nur aus weiblichen Tieren herstellt.

Italien - Toskana - Orentano - Wildschweinschinken

Wildschweinschinken

„Das Fleisch der Sauen hat einen besseren Geschmack, weil sie sich fast ausschließlich von Eicheln ernähren“, versichert Fernando. „Unsere Kunden können sicher sein, dass sie  1-A-Qualität erhalten und keine Massenware“, versichert der 61jährige, der von sich behauptet, der erste auf Wildschweine spezialisierte Metzger in der gesamten Toskana gewesen zu sein. „Die meisten Wildschweine, die im Supermarkt oder von der Konkurrenz angeboten werden, kommen gar nicht aus der Toskana, sondern sie stammen aus Gehegen in Ungarn oder anderen Ländern“, weiß Fernando, der mit Händen und Füßen spricht, wenn er die Güte seiner Ware beteuert. Manchmal empfängt der 61-jährige, der längst weit über die Toskana hinaus bekannt ist, auch Gäste in seinem Haus. Ihnen serviert er nicht nur Wildschwein-Pressack, Fasanenragout und Wildschwein-Salsica, sondern auch Dammhirsch- und Mufflonsalami sowie Entenbrust- und Rehschinken.

Schokoladencreme mit Zimt

Italien - Toskana - Ponte - Schokoladencreme

Schokoladencremes in verschiedenen Geschmacksrichtungen

Wenn Ihnen das alles ein bisschen deftig vorkommt, sollten Sie von Oretano aus einen Abstecher nach Ponte in Egola machen. Dort bereitet Riccardo Menichetti Schokoladencreme mit vierzehn verschiedenen Geschmacksrichtungen zu. Die Cremes schmecken nach Banane oder Pistazie, Zimt oder Zitrone – ja sogar nach Trüffel oder Chili. “Mein Vater war Bäcker und ich selbst habe Konditor gelernt“, berichtet Riccardo. Der begeisterte Schokoladenliebhaber hat sich vor drei Jahren ganz vom Kuchenbacken auf die Schokoladenproduktion verlegt: „Ich habe so lange probiert, bis ich die besten Mischung herausgefunden hatte“, berichtet der 38-jährige, dessen Geheimnis in einer besonderen Zusammenstellung verschiedener Kakaosorten liegt. Wer will, der kann sich von Riccardo ein Schokoladenobjekt mit Wunschfoto anfertigen lassen.

Italien - Toskana - Ponte - Schokolade

Safran aus Italien

Eine Trüffelsucherfamilie in dritter Generation, der Sohn eines Viehhändlers, der sich auf Wildprodukte spezialisiert, ein Konditor, der Schokoladencreme herstellt. All das erscheint logisch. Doch warum nur beginnt ein Tonstudiobesitzer und Rockmusiker plötzlich damit, auf einer abgelegenen Wiese Safran anzubauen? „Anfangs“, so gesteht Riccardo Andreini, der gemeinsam mit seinen Eltern, seiner Frau Vanessa Giuliani und seinem Bruder Damiano ein kleines Landgut bei Montopoli unterhält, ein so genanntes Agriturismo,  „war es eher eine Art Spleen, eine Schnapsidee.“ Doch um die Idee umzusetzen, war viel Energie notwendig. „Ich bin umhergezogen und habe festgestellt, dass niemand, der Safran angebaut hat, Safrankrokusse verkaufen wollte. Bis ich dann schließlich einen alten Mann getroffen habe, der seine Pflanzungen aufgeben wollte.“

Italien - Toskana - Safran

Geerntete Safranfäden

Seitdem kultiviert das Agriturismo Bramasole e Ginestra nicht nur Mignolo-Oliven und Mispeln, sondern auch die wertvolle Gewürzpflanze. Der Verwandte des Krokus wird im Oktober geerntet. „Safran“, so beteuert Riccardo, „hat sehr viele Vitamine – und sein Betakarotin ist 1000 Mal kräftiger als das in einer Karotte.“ Entsprechend wertvoll ist das gelbe Gewürz. Bei 200 Gramm Jahres-Gesamternte wird er damit allerdings nicht reich – ganz im Gegensatz zu den mittelalterlichen Händlern in der Stadt San Gimignano. Diese konnten die einst 72 Wehrtürme ihres Bilderbuch-Städtchens zum Großteil aus Gewinnen durch den Handel mit Safran und Seide bezahlen. Doch Riccardo, dessen Frau Vanessa den Gästen der drei Appartements des kleinen Agriturismo gerne eine Portion Safranreis kocht und dazu ein Gläschen Grappa mit Safrangeschmack kredenzt, hat noch andere Einnahmequellen – die Musik, das Tonstudio und den Anbau von Oliven.

Italien - Toskana - Safranreis

Darüber hinaus hält die Familie noch zwei Esel, zwei Schafe und eine Ziege. Nicht zu vergessen die Vermietung der drei Appartements, von denen jedes rund 105 Quadratmeter groß ist und bis zu sechs Personen Platz bietet. Die Appartements im Agriturismo Bramasole e Ginestra, so betont Damiano Andreini, sind ein idealer Ausgangspunkt, um die wichtigsten touristischen Sehenswürdigkeiten der Toskana zu erkunden. „Mit dem Auto sind es von hier aus dreißig Minuten nach Livorno, Pisa oder Florenz und in San Gimignano oder Lucca ist man in gut vierzig Minuten. Wir stellen unseren Gästen aber auch gerne Routen zusammen, die sie zu weniger bekannten, aber dennoch sehr sehenswerten Orten führen“, sagt Damiamo, der als gelernter Kunsthistoriker gut einschätzen kann, welche Villen, Paläste und Kirchen wirklich sehenswert sind.

 

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