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Das Deutsche Zollmuseum

 

Deutsches Zollmuseum Hamburg

Das Zollmuseum erinnert an die Zeiten, als der Freihafen noch existierte und von der HafenCity überhaupt nicht die Rede war

Mit der Entscheidung den Freihafen rund um die Speicherstadt formal aufzuheben, sind auch die Zollkontrollen am Eingang zur Speicherstadt entfallen. Auch der übermannshohe Zaun an der Freihafengrenze existiert nicht mehr. Wer bei seinem Spaziergang durch die Speicherstadt und die HafenCity der deutschen Zollgeschichte nachgehen will, der wird beim Besuch des Deutschen Zollmuseums nicht enttäuscht werden. In einer Museumspräsentation mit ansprechenden Inszenierungen und modernen interaktiven Medien wird seit 2008 nicht nur die Geschichte des Zolls von der Römerzeit bis heute vor dem Besucher aufgeblättert, sondern es wird auch auf die heutigen Aufgaben des Zolls wie Kontrolle und Verhinderung der Schwarzarbeit oder der Produktpiraterie eingegangen. Übrigens: Das Zollmuseum war in den 1990er-Jahren Drehort für die Fernsehserie "Schwarz-Rot-Gold" mit Uwe Friedrichsen als Zollfahnder Zaluskowski in der Hauptrolle.

Betritt man das Haus, so schwebt über den Köpfen des Besuchers ein lindgrünes Motorrad mit Beiwagen, genannt der „Grüne Elefant“, einst im Dienste des Zoll und heute nur noch ein Museumsexponat. Weiß-rot gestrichen sind das Wachhäuschen und ein Schlagbaum, die in den Zeiten vor dem Schengen-Abkommen noch von Bedeutung waren. Heute sind die sichtbaren Zollgrenzen in Europa weitgehend gefallen. Doch Zollkontrollen gibt es immer noch, an den deutschen Flughäfen ebenso wie im Grenzhinterland.

Deutsches Zollmuseum Hamburg

Bereits bei den Römern

Vorbei an ausgestellten historischen Dienstmützen von Zöllnern geht es in den ersten Stock des Museums und zugleich hinein in die Zollgeschichte: Zoll, so erfährt der Besucher aus einem Saaltext, leitet sich aus dem altgriechischen „Telos“ her. Das bedeutet Grenze. Auch das lateinische „Teloneum“ (gleich Abgabe) steckt in unserem geläufigen Begriff „Zoll“. Seit der Antike, als im Römischen Reich die Toga in Mode war, kannte man Straßen-, Brücken-, Markt- und Torzölle. Eine im Museum gezeigte römische Torquittung vom 27. Juni 41 belegt das Verzollen von Eselsladungen Olivenöl. Inszeniert wurde eine Szene, in der ein sogenannter Benefiziarier, ausgestattet mit einer Lanze als Hoheitszeichen, den Straßenverkehr jenseits des Palisadenzauns der Stadt kontrolliert. Diesem Benefiziarier unterstanden die Zollwachen, die den abgabenpflichtigen Handel überwachten. Wie einfallsreich römische Kaiser waren, unterstreicht Vespasian, der Sohn eines Zollbeamten und Stifter des Kolosseums. Dieser ließ den sogenannten Latrinenzoll einführen. Jeder Benutzer der öffentlichen Latrinen wurde mit einer „Urinsteuer“ belegen, wodurch die Staatskasse gefüllt werden konnte. Angeblich soll der Sinnspruch „Pecunia non olet“, also „Geld stinkt nicht“, aus jener Zeit stammen.

Vom Frankenreich zum Zollverein

Was den Römern Recht war, das Einziehen von Zöllen, das sollte den fränkischen Königen nur billig sein. Auch diese erhoben Steuern und Abgaben. Burgen dienten nicht nur als Grenzfesten, sondern auch als Zollabgabestellen, so auch die Burg Pfalzgrafenstein auf der Rheininsel bei Kaub – im Modell in der Ausstellung zu sehen. Waagen spielte eine besondere Rolle, bemaß sich doch die Abgabe auf Waren nach deren Gewicht. Doch es gab auch eine Weidesteuer, wie man beim Rundgang erfährt. Reisende Händler, die diese errichteten, durften ihre mitgeführten Tiere unterwegs weiden lassen. Vom frühen Mittelalter war es jedoch ein gewaltiger Sprung bis zur Gründung des Deutschen Zollvereins. Das Königreich Preußen war maßgeblich an der Umsetzung des Zollvereins beteiligt. 1834 wurden zwischen den im Zollverein bestehenden Staaten der Wegfall der Binnenzölle, der zollfreie Warenverkehr und ein einheitliches Münz-, Maß- und Gewichtssystem beschlossen. Jahrzehnte später trat das Vereinszollgesetz in Kraft, das bis 1939 Gültigkeit besaß. Welche Konsequenzen der Zollverein auf das Münzwesen hatte, kann man an einer interaktiven Medienstation in Erfahrung bringen. Dann begreift man, welche Bedeutung und welche Verbreitung der Preußische Vereinstaler von 1860 gegenüber dem Bayerischen Doppelgulden von 1850 besaß.

Deutsches Zollmuseum Hamburg

Damit der Besucher nicht mit allzu trockener Geschichtsdarstellung konfrontiert wird, hat man hier und da unterhaltsame Hörstationen eingebunden. So kann man beispielsweise den Worten Heinrich Heines oder Joseph von Eichendorff lauschen, die jeder auf die ihm eigene Art über Zoll und Zöllner einige Zeilen schrieben. Erinnert wird zudem daran, dass berühmte Schriftsteller wie Herman Melville und Emile Zola ihren Lebensunterhalt als Zöllner verdienten, wenn die Schreibkunst brotlose Kunst war.

Warenkunde war ein Muss

Welche Anforderungen an Zöllner gestellt wurden, wird dem Besucher ebenso nahegebracht wie auch die Tatsache, dass während der Regentschaft Wilhelm II. das Zollwesen auch in den deutschen Kolonien galt, ob in Togo, Kamerun oder in Westsamoa. In jener Zeit wurden vor allem Baumwolle und Kautschuk, aber auch Kakao und Kaffee nach Deutschland importiert, während Eisenbahnanlagen, Zement, Bier und Maschinen Deutschland in Richtung Kolonien verließen. Wie der Arbeitsplatz eines preußischen Zollbeamten aussah, kann der Besucher dank einer ansprechend gestalteten Ausstellungsinsel in Augenschein nehmen. Dass dieser Beamte über gute Warenkenntnisse verfügen musste, erklärt sich aus dem Tatbestand, dass es ab 1919 insgesamt 946 Zollsätze entsprechend den jeweiligen zollpflichtigen Waren gab. Auch musste sich der Zollbeamte von damals auf die technische Warenanalyse verstehen. Mikroskop, Musterkarte und Musterplatte waren die „Dienstwerkzeuge“ des Zollbeamten. Auch die Garnweife zur Bestimmung der Lauflänge der Garnrolle war aus dem Alltag des Zöllners nicht mehr wegzudenken.

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1933-1945: Auswanderung gescheitert

Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums 1933 zog die Entlassung jüdischer und politisch anders denkenden Beamten nach sich, auch solcher des Zolldienstes. Die Finanz- und Zollbehörden wurden ab 1939 ein Instrument ungehinderter Ausplünderung der besetzten Länder. Auch im Inneren war der Zolldienst gleichgeschaltet und beteiligte sich an Zwangsmaßnahmen gegen Juden. Die bereits 1931 erlassene Reichsfluchtsteuer bildete den rechtlichen Rahmen, um sich an dem Vermögen sowie Hab und Gut von ausreisewilligen Juden zu bereichern. Auch diesem „dunklen Kapitel“ der Zollgeschichte geht man im Museum nach: Anhand der Leidensgeschichte der Familie Baer aus Bielefeld wird verdeutlicht, dass eine Ausreise nicht nur von Schikanen begleitet wurde, sondern auch durch die Deportation in die Vernichtungslager ein schreckliches Ende nahm. Irmgard Baer gelang es nicht, Deutschland mit ihren Kindern zu verlassen. Nachdem ihr Mann 1938 im KZ Buchenwald umgebracht worden war, wurde die Witwe mit ihren Kindern 1944 in Auschwitz ermordet. Welche bürokratischen Hürden einer Auswanderung im Wege standen, wenn sie denn erfolgreich sein sollte, belegen zahlreiche Schriftstücke wie zum Beispiel die Eingabe Richard Baers an die Oberfinanzdirektion Münster für die Genehmigung ein Englisches Pfund zu erwerben, Gebühr für die in Australien einzureichenden Auswanderungspapiere. Am 23. Oktober 1941 wurde dann Juden generell untersagt auszuwandern.

Im Zuge der Entnazifizierung nach 1945 wurde gegen Reichsfinanzminister von Krosigk und dessen Staatssekretär Fritz Reinhardt vorgegangen, die sich willig in den Dienst der „braunen Herren“ gestellt hatten. Doch die Urteile gegen beide fielen milde aus. Eine wirkliche Aufarbeitung der Vergangenheit sollte wohl nicht stattfinden, denn sonst wäre es nicht erklärlich, dass fast alle Beamten, die im Dritten Reich beim Zoll beschäftigt waren, 1949 in die Bundeszollverwaltung übernommen wurden.

Deutsches Zollmuseum Hamburg

Stahlschrank für unerwünschten Lesestoff

Auch ein Kapitel deutsch-deutscher Geschichte behandelt man im Deutschen Zollmuseum, nämlich die Zollverwaltung der DDR, die ein Teil des Ministeriums für Außenhandel war. Vor allem der grenzüberschreitende Paket- und Warenverkehr wurde überprüft, Reisende auf das Mitführen von subventionierten Gütern und Devisen kontrolliert. Fand man in einem Paket deutsche Medien, so wurden diese vernichtet. Nicht genehme Literatur wurde an der Grenze in einem geschlossenen Stahlschrank entsorgt. Die Kassiertasche war die typische Ausrüstung des Zollkontrolleurs, der die Straßenbenutzungsgebühren ebenso erhob, wie er den Mindestumtausch beim Grenzübertritt einzog. Nach verbotenen Waren wurde von Zöllner im Postverkehr am Postkontrolltisch gefahndet. Hier verschwanden auch hin und wieder ganze Pakete oder aber Teile des Inhalts. Zöllner kontrollierten an den Grenzen der DDR mit dem fahrbaren Spiegel auch Fahrzeuge oder suchten in Transitzügen nach möglichen Verstecken von Flüchtlingen. Dabei arbeiteten sie stets Hand in Hand mit den Grenztruppen und dem Ministerium für Staatssicherheit zusammen. Großgeschrieben wurde auch der Einsatz des DDR-Zolls gegen Schieber und Spekulanten, wie einige Fotodokumente unterstreichen, so auch von einem gewissen Herrn Müller aus Westberlin, der in dem Hosenbein seines Beinstumpfes Waren aus dem Osten Berlins nach Westberlin transportiert haben soll.

Zollpflichtig oder nicht?

Schließlich widmet man sich in der Dauerausstellung dem Aufbau der modernen Bundeszollverwaltung. Jeder Besucher kann in diesem Ausstellungsabschnitt anhand von vier Warenarten, Monchichi, Spielekonsole, Rundfunkgerät mit Uhr und Lichterengel, prüfen, ob man dafür Zoll entrichten muss. Zudem erfährt man mehr, über Verstecke von Schmugglern, ob in einem präparierten Skateboard oder in einem Indianerkopf oder in einem Schach- und Backgammon-Spiel. Zumeist dienen diese Verstecke dazu, Rauschgift zu schmuggeln. So waren die schwarzen Felder des Backgammon-Spiels mit Heroin durchsetzt worden. Die Lauffläche des Skateboards bestand aus zwei verschiebbaren Teilen, in die Rauschgift eingelegt worden war. Bis 1984 wurde das Skateboard zum Schmuggeln harter Drogen eingesetzt. Seither gehört es zu den Asservaten der Zollverwaltung. Aufgeblättert wird auch das Kapitel einer spektakulären Razzia in der Münchener Möhlstraße. Am 25. Oktober 1950 begann das „Unternehmen Himmel“, bei dem 300 Zentner Kakao, Schokolade, Tee, Kaffee und Zigaretten in Geschäften der Möhlstraße sicher gestellt wurden. 20 LKW benötigte man zum Abtransport der eingezogenen Waren.

Produktpiraterie, Washingtoner Artenschutzabkommen und ...

Die weitere Ausstellung ist ganz und gar den Themen illegale Alkoholbrennerei, Produktpiraterie, Waffenschmuggel, Verstoß gegen das Washingtoner Artenschutzabkommen und Bekämpfung der Schwarzarbeit gewidmet. Vor mehr als einem Jahrzehnt wurde der Zoll in 500 Fällen von Produktpiraterie tätig, vor sechs Jahren musste er jährlich mehr als 7000 Mal eingreifen. Markensportschuhe werden ebenso gefälscht wie Mode von Gucci oder anderen Designern. 700 000 Arbeitsplätze werden durch diese Art des Warenumsatzes gefährdet. Freizeitbekleidung sowie Uhren und Schmuck sind die beliebtesten Fälschungen. Unnachgiebig ist der Zoll auch, wenn es gilt, weltweit Fauna und Flora zu schützen. Die Einfuhr von Krokodikledertaschen und Cowboystiefeln aus der Haut der Netzpython ist ebenso verboten wie das von Hörnern von Nashörnern, von Fellen der Kleinfleckkatze aus Südamerika oder Handtaschen aus Leopardenfell. Der Panzer einer Karettschildkröte, Seepferdchen oder Griffelkorallen sind eben keine exotischen Mitbringsel, sondern nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen verbotene Objekte. Verboten ist aber auch die Einfuhr von Waffen und Rauschgift, womit sich Dauerausstellung auch befasst.

Ein verschreibungspflichtiges Medikament wie Diazepam wurde in einer polnischen Buchausgabe von „Rotkäppchen und der Wolf“ entdeckt, Brillanten in einer Zigarre, in einer Lieferung Mandeln 64 kg Haschisch und 6 kg Heroin sowie in einem Gummiballen 2500 kg Marihuana. Dass man auch Feuerzeuge ohne Kindersicherung und Pilze nicht einführen darf, mag für den einen oder anderen Besucher überraschend sein. Doch die sehenswerte Ausstellung klärt auch diesen Sachverhalt auf.


Informationen

Deutsches Zollmuseum
Alter Wandrahm 16
20457 Hamburg
Telefon 040 42820-3911
museum@zoll.de
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10:00-17:00 Uhr



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