Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther
Im wilden Wasser der Ubaye gleiten kleine wendige Kajaks dahin und meistern jede der Stromschnellen. Hoch ragen die mit Schnee bedeckten Berge über dem Tal auf. Festungen überschauen einige Bergpässe und das Tal der Ubaye. Nicht jeder der Bewohner des an der Grenze zum südlichen Piemont gelegenen Ubaye-Tals fand hier sein Auskommen. Im Mittelpunkt der ungewöhnlichen Erfolgsgeschichte, die in diesem Tal ihren Ausgangspunkt nimmt, stehen Textilhändler und -fabrikanten aus Barcelonnette, die nach der Unabhängigkeit Mexikos in der Neuen Welt ihr Glück suchten und fanden.
Villa Chabrand (1884) im Osten von Barcelonnette
Das Tal der Ubaye erscheint gleichsam als das Ende der Welt. Nur entlang der reißenden Ubaye und über Pässe gelangt man überhaupt in Orte wie Jausiers und Barcelonnette oder nach Cuneo in Italien. Auch wenn die Gegend noch heute abgeschieden erscheint, über Jahrhunderte war sie Zankapfel der Mächtigen. Allein zwischen 1388 und 1718 wechselte die Herrschaft siebzehnmal.
Besiedelt war das Tal von einer rechtschaffenen Landbevölkerung, die Schafe hielt, Wolle spann sowie Tuche und Kammgarnstoffe herstellte, die im 17. und 18. Jahrhundert als Kommissionsware während der Winter in der Dauphiné, der Provence und im Piemont an den Mann gebracht werden mussten. So gab es über Jahrzehnte saisonale Emigration. In den 1930er Jahren und in den nachfolgenden Jahrzehnten jedoch hatte diese Winterwanderung ein Ende. Der Sprung über den großen Teich wurde gewagt. Die Jauberts, Arnauds, Gillys und andere Familien unternahmen Überfahrten von 53 Tagen, um in der Ferne ihr Glück zu finden.
French-Connection der besonderen Art: eine Inszenierung im Museum von Barcelonnettel
Einige, wie Jacques Arnaud und seine Brüder, gingen zunächst nach Louisiana, bevor sie sich nach Mexiko aufmachten, um dort in den Textilhandel einzusteigen. Nach und nach entstanden nicht nur in der mexikanischen Hauptstadt, sondern auch anderswo Warenhäuser und Handelsgeschäfte wie »Al Puerto de Liverpool« und »La Ciudad de México«. Auswanderer aus Barcelonnette gründeten nach Erfolgen im Textilhandel auch Brauereien und stiegen ins Versicherungsgeschäft ein. Heute schätzt man die Zahl der Nachkommen dieser Auswanderer auf 50.000, ein Vielfaches der Einwohnerzahl des Tals von Ubaye.
Glasmalerei, die ein Textilkaufhaus und eine Textilfabrik in Mexiko zeigt - gesehen im Museum von Barcelonnette Original in der Villa Bleue
Sommerresidenzen in der alten Heimat
In Mexiko ließen sich unternehmerische Heißsporne monumentale Warenhäuser errichten. In der alten Heimat begann fast zeitgleich der Bau pompöser Villen mit parkähnlichen Grundstücken und Zufahrten, die von Alleebäumen gesäumt sind. Die zu Reichtum gekommenen französisch-mexikanischen Unternehmer nahmen in Barcelonnette und auch in Jausiers ihre Sommerresidenz. Im Winter hingegen zog es sie an die Mittelmeerküste.
Villa Le Verger, eine der ersten Villen in Barcelonnette
Die Barcelonnetter Villen gleichen teilweise kleinen Schlössern, kopieren mit ihren Türmchen, Erkeranlagen, den ausladenden Veranden, den Doppeltreppen zum Eingang und dem gusseisernen Schmuck auf dem Dachfirst feudale Architektur. Architekten aus Lugano, Marseille und Grenoble entwarfen diese Villen, in denen Eugène Lions und andere reich gewordene Bürger aus dem Ubaye-Tal zeitweilig wohnten. Villa Anita, Villa Puebla und Villa Durango sowie die heute als Museum genutzte Villa La Sapinière entstanden über mehrere Jahrzehnte.
Die Parzellen waren zum Teil mehrere zehntausend Quadratmeter groß. Kleine Parks im Stil englischer Landschaftsgärten umgeben das Herrenhaus, das in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet ist. Einige der Villen sind schlichte, in zarten Farben gehaltene Putzbauten mit einem rustikalen Steinsockel. Typisch für die teilweise symmetrischen, fünfachsigen Villen ist ein zentraler Eingang mit Veranda und einem Balkon in der Beletage. Bedeckt werden die bis zu dreigeschossigen Villen von Walmdächern, die in manchen Fällen von so genannten Ochsenaugen durchbrochen sind. Oben auf dem Dachfirst ist bei den meisten Villen ein Ziergitter mit floralen Motiven angebracht. Der Mittelteil des Hauses springt leicht hervor und ist von einem Dreiecksgiebel gekrönt. Bei der Villa für Emile Chabrand ersetzt ein hölzernes »Giebelschalbrett« mit floralen Schnitzereien den steinernen Dreiecksgiebel und die Fassade der Villa Puebla ziert ein floraler Kachelfries.
Villa Le Castel (1905) - Eigner Léon Faudon, Gründer des Warenhauses El Gran Oriental (Mexico)
Ein französisches Neuschwanstein?
Sinn für Asymmetrie bewies der Erbauer der Villa Blachière, die einen polygonalen Erkeranbau besitzt. Die Fassade selbst erscheint durch eine Bruchsteinmauerung aufgelockert. Nahezu im Originalzustand erhalten ist die Villa La Rose des Alpes, deren ausladende Veranda von einem eisernen Laubengang umgeben ist.
Wer schließlich das französische Neuschwanstein besuchen möchte, der mache sich auf nach Jausiers und zum dortigen Schloss von Magnans. Neben dessen Zuckerbäcker-Architektur finden sich im Ort weitere sehenswerte Herrenhäuser mit italienischem Flair. Die letzte Villa, die in Barcolonette fertiggestellt wurde, ist die Villa Bleue, die im Inneren ganz in Art déco gehalten ist. An den monumentalen Glasfenstern hat Jacques Gruber maßgeblichen Anteil. In einem der Fenster vereint er die Bergwelt des Ubaye-Tals mit den rauchenden Fabrikschloten und einem mondänen Kaufhaus in Mexiko zu einem Gesamtbild.
Monumentale Grablegen für die Erfolgreichen aus Barcelonnette
Auch im Tod wussten die französisch-mexikanischen Kaufmannsfamilien ihren Reichtum zu zeigen: Auf dem Friedhof findet man Mausoleen, die kleinen Tempeln und Felsendomen ähneln und teilweise in Carrara-Marmor errichtet wurden. Grabanlagen werden von ionischen und korinthischen Säulen umstanden. Dreiecks- oder gebrochene Dreiecksgiebel über den Eingängen der Mausoleen sind typisch. Voluten und Pilaster sind weitere Elemente der Grabmalarchitektur.
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